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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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vergeblich um des heutigen Ehrenfestes willen unter der
Maske der Heiterkeit zu verbergen trachte. Wollet es
mir verzeihen, wenn ich ein großes Leid, das mir wider¬
fahren ist, nicht länger verheimliche, weil ich überzeugt
bin, daß es in vollstem Maße auch das Eurige ist, und
wollet es den Boten nicht entgelten lassen, der Eure
Freude in Trauer verwandeln muß.

Unser hoher Gönner und treuester Freund, der
Herzog Heinrich Rohan, hat das Zeitliche gesegnet."

Hier wanderte Sprechers Blick durch die erst laut¬
los schweigende und jetzt bei seinem letzten Worte be¬
stürzte Gesellschaft. "Ein Flugblatt mit dem Berichte
seines Endes ist eben in meine Hände gekommen. Wollt
Ihr die traurige Zeitung anhören?" fragte er, ein be¬
drucktes Papier aus der Brusttasche ziehend.

"Leset, leset!" ertönte es von allen Seiten.

Sprecher trocknete sich die Augen und begann:

"Allen evangelischen Herren, Städten und Land¬
schaften deutscher Nation geschieht hiermit Kunde, daß
Herzog Bernhard von Weimar bei Schloß und Stadt
Rheinfelden eine glänzende Viktoria über die Kaiser¬
lichen erfochten hat. In dieser Feldschlacht, die zwei
Tage dauerte, wurde der in der Tracht eines gemeinen
Reiters in unsern Reihen mitfechtende Herzog Heinz
Rohan von dem Feinde nach tapferer Gegenwehr und

vergeblich um des heutigen Ehrenfeſtes willen unter der
Maske der Heiterkeit zu verbergen trachte. Wollet es
mir verzeihen, wenn ich ein großes Leid, das mir wider¬
fahren iſt, nicht länger verheimliche, weil ich überzeugt
bin, daß es in vollſtem Maße auch das Eurige iſt, und
wollet es den Boten nicht entgelten laſſen, der Eure
Freude in Trauer verwandeln muß.

Unſer hoher Gönner und treueſter Freund, der
Herzog Heinrich Rohan, hat das Zeitliche geſegnet.“

Hier wanderte Sprechers Blick durch die erſt laut¬
los ſchweigende und jetzt bei ſeinem letzten Worte be¬
ſtürzte Geſellſchaft. „Ein Flugblatt mit dem Berichte
ſeines Endes iſt eben in meine Hände gekommen. Wollt
Ihr die traurige Zeitung anhören?“ fragte er, ein be¬
drucktes Papier aus der Bruſttaſche ziehend.

„Leſet, leſet!“ ertönte es von allen Seiten.

Sprecher trocknete ſich die Augen und begann:

„Allen evangeliſchen Herren, Städten und Land¬
ſchaften deutſcher Nation geſchieht hiermit Kunde, daß
Herzog Bernhard von Weimar bei Schloß und Stadt
Rheinfelden eine glänzende Viktoria über die Kaiſer¬
lichen erfochten hat. In dieſer Feldſchlacht, die zwei
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[394/0404] vergeblich um des heutigen Ehrenfeſtes willen unter der Maske der Heiterkeit zu verbergen trachte. Wollet es mir verzeihen, wenn ich ein großes Leid, das mir wider¬ fahren iſt, nicht länger verheimliche, weil ich überzeugt bin, daß es in vollſtem Maße auch das Eurige iſt, und wollet es den Boten nicht entgelten laſſen, der Eure Freude in Trauer verwandeln muß. Unſer hoher Gönner und treueſter Freund, der Herzog Heinrich Rohan, hat das Zeitliche geſegnet.“ Hier wanderte Sprechers Blick durch die erſt laut¬ los ſchweigende und jetzt bei ſeinem letzten Worte be¬ ſtürzte Geſellſchaft. „Ein Flugblatt mit dem Berichte ſeines Endes iſt eben in meine Hände gekommen. Wollt Ihr die traurige Zeitung anhören?“ fragte er, ein be¬ drucktes Papier aus der Bruſttaſche ziehend. „Leſet, leſet!“ ertönte es von allen Seiten. Sprecher trocknete ſich die Augen und begann: „Allen evangeliſchen Herren, Städten und Land¬ ſchaften deutſcher Nation geſchieht hiermit Kunde, daß Herzog Bernhard von Weimar bei Schloß und Stadt Rheinfelden eine glänzende Viktoria über die Kaiſer¬ lichen erfochten hat. In dieſer Feldſchlacht, die zwei Tage dauerte, wurde der in der Tracht eines gemeinen Reiters in unſern Reihen mitfechtende Herzog Heinz Rohan von dem Feinde nach tapferer Gegenwehr und

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/404>, abgerufen am 11.05.2024.