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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Beruhigung der Gemüther sogar unumgänglich noth¬
wendig.

Ein Augenblick des Zweifels kam auch für den
edlen Herzog. Es war Wertmüller gelungen eine Spur
aufzufinden, deren Verfolgung ihn in den Stand setzen
konnte, auch das blindeste Vertrauen zu erschüttern.
Er hatte in der Schenke zum staubigen Hüttlein die
Bekanntschaft eines welschen Quacksalbers gemacht und
zufällig erfahren, dieser gedenke jetzt in das Land des
Lorbeers und der Myrte zurückzukehren. Das aben¬
teuerliche Männchen, das sich in dem kalten Klima den
Magen mit dem gefährlichen weißen Completer wärmte,
rühmte sich in prahlerischer Weinlaune seiner hohen
diplomatischen Beziehungen und Fähigkeiten; in Wert¬
müller, der ihn bewundernd anhörte und ihm fleißig
einschenkte, blitzte eine Erinnerung auf. Jüngst als er
spät in der Nacht den bischöflichen Palast verließ, hatte
er dies unverkennbare Figürchen bei schwachem Mond¬
scheine in einer Ecke des Hofes neben einer Holofernes¬
gestalt und im eifrigsten Gespräche mit dieser erblickt --
nur einen Moment, denn die Beiden waren beim Klirren
seines Schrittes unter einem Thorwege verschwunden,
aber genügend lang für sein scharfes Auge, um die
auffallende Gestalt des Wunderdoktors deutlich gewahr
zu werden und in der andern, von einem dunkeln

Meyer, Georg Jenatsch. 20

Beruhigung der Gemüther ſogar unumgänglich noth¬
wendig.

Ein Augenblick des Zweifels kam auch für den
edlen Herzog. Es war Wertmüller gelungen eine Spur
aufzufinden, deren Verfolgung ihn in den Stand ſetzen
konnte, auch das blindeſte Vertrauen zu erſchüttern.
Er hatte in der Schenke zum ſtaubigen Hüttlein die
Bekanntſchaft eines welſchen Quackſalbers gemacht und
zufällig erfahren, dieſer gedenke jetzt in das Land des
Lorbeers und der Myrte zurückzukehren. Das aben¬
teuerliche Männchen, das ſich in dem kalten Klima den
Magen mit dem gefährlichen weißen Completer wärmte,
rühmte ſich in prahleriſcher Weinlaune ſeiner hohen
diplomatiſchen Beziehungen und Fähigkeiten; in Wert¬
müller, der ihn bewundernd anhörte und ihm fleißig
einſchenkte, blitzte eine Erinnerung auf. Jüngſt als er
ſpät in der Nacht den biſchöflichen Palaſt verließ, hatte
er dies unverkennbare Figürchen bei ſchwachem Mond¬
ſcheine in einer Ecke des Hofes neben einer Holofernes¬
geſtalt und im eifrigſten Geſpräche mit dieſer erblickt —
nur einen Moment, denn die Beiden waren beim Klirren
ſeines Schrittes unter einem Thorwege verſchwunden,
aber genügend lang für ſein ſcharfes Auge, um die
auffallende Geſtalt des Wunderdoktors deutlich gewahr
zu werden und in der andern, von einem dunkeln

Meyer, Georg Jenatſch. 20
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[305/0315] Beruhigung der Gemüther ſogar unumgänglich noth¬ wendig. Ein Augenblick des Zweifels kam auch für den edlen Herzog. Es war Wertmüller gelungen eine Spur aufzufinden, deren Verfolgung ihn in den Stand ſetzen konnte, auch das blindeſte Vertrauen zu erſchüttern. Er hatte in der Schenke zum ſtaubigen Hüttlein die Bekanntſchaft eines welſchen Quackſalbers gemacht und zufällig erfahren, dieſer gedenke jetzt in das Land des Lorbeers und der Myrte zurückzukehren. Das aben¬ teuerliche Männchen, das ſich in dem kalten Klima den Magen mit dem gefährlichen weißen Completer wärmte, rühmte ſich in prahleriſcher Weinlaune ſeiner hohen diplomatiſchen Beziehungen und Fähigkeiten; in Wert¬ müller, der ihn bewundernd anhörte und ihm fleißig einſchenkte, blitzte eine Erinnerung auf. Jüngſt als er ſpät in der Nacht den biſchöflichen Palaſt verließ, hatte er dies unverkennbare Figürchen bei ſchwachem Mond¬ ſcheine in einer Ecke des Hofes neben einer Holofernes¬ geſtalt und im eifrigſten Geſpräche mit dieſer erblickt — nur einen Moment, denn die Beiden waren beim Klirren ſeines Schrittes unter einem Thorwege verſchwunden, aber genügend lang für ſein ſcharfes Auge, um die auffallende Geſtalt des Wunderdoktors deutlich gewahr zu werden und in der andern, von einem dunkeln Meyer, Georg Jenatſch. 20

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/315>, abgerufen am 19.05.2024.