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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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wieder gesattelt hatte, und Wertmüller trat hinter
Lucretia.

Der spanische Hauptmann gebot seinen Leuten
Halt, stellte sich in den Schatten der Hauspforte und
nahm seine Sturmhaube von dem todtenkopfähnlichen
Haupte, dessen braune Knochen nur durch zwei erhitzte,
tiefliegende Augen belebt erschienen. Dann hieß er sein
abgejagtes Thier, dessen Riemenzeug zerrissen war, zur
Cisterne führen und fragte kurz und barsch: "Ist jemand
hier, der in diesem Späher den vormaligen ketzerischen
Prädikanten und vielfachen Mörder Georg Jenatsch
erkennt?"

Es schlurfte in zerfetzten Schuhen ein ältlicher
Knecht herbei und sagte mit kriechender Miene: "Zu
dienen, Excellenz. Ich hauste anno 1620 in Berbenn
und war dabei, als dieser Gotteslästerer mit verfluchter
Hand meinen leiblichen Bruder gegen den Hochaltar
von St. Peter schleuderte, daß der Aermste für sein
Lebtag ein Gebresten davontrug." --

"Das paßt," sagte der Spanier, "ich betraf den¬
selben Prädikanten im gleichen Sommer an der Zug¬
brücke unserer Festung. Eure Ausflüchte, Mann, helfen
Euch nicht und der Strick ist Euch gewiß."

Lucretia hatte im Hintergrunde der Laube den Auf¬

wieder geſattelt hatte, und Wertmüller trat hinter
Lucretia.

Der ſpaniſche Hauptmann gebot ſeinen Leuten
Halt, ſtellte ſich in den Schatten der Hauspforte und
nahm ſeine Sturmhaube von dem todtenkopfähnlichen
Haupte, deſſen braune Knochen nur durch zwei erhitzte,
tiefliegende Augen belebt erſchienen. Dann hieß er ſein
abgejagtes Thier, deſſen Riemenzeug zerriſſen war, zur
Ciſterne führen und fragte kurz und barſch: „Iſt jemand
hier, der in dieſem Späher den vormaligen ketzeriſchen
Prädikanten und vielfachen Mörder Georg Jenatſch
erkennt?“

Es ſchlurfte in zerfetzten Schuhen ein ältlicher
Knecht herbei und ſagte mit kriechender Miene: „Zu
dienen, Excellenz. Ich hauſte anno 1620 in Berbenn
und war dabei, als dieſer Gottesläſterer mit verfluchter
Hand meinen leiblichen Bruder gegen den Hochaltar
von St. Peter ſchleuderte, daß der Aermſte für ſein
Lebtag ein Gebreſten davontrug.“ —

„Das paßt,“ ſagte der Spanier, „ich betraf den¬
ſelben Prädikanten im gleichen Sommer an der Zug¬
brücke unſerer Feſtung. Eure Ausflüchte, Mann, helfen
Euch nicht und der Strick iſt Euch gewiß.“

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[221/0231] wieder geſattelt hatte, und Wertmüller trat hinter Lucretia. Der ſpaniſche Hauptmann gebot ſeinen Leuten Halt, ſtellte ſich in den Schatten der Hauspforte und nahm ſeine Sturmhaube von dem todtenkopfähnlichen Haupte, deſſen braune Knochen nur durch zwei erhitzte, tiefliegende Augen belebt erſchienen. Dann hieß er ſein abgejagtes Thier, deſſen Riemenzeug zerriſſen war, zur Ciſterne führen und fragte kurz und barſch: „Iſt jemand hier, der in dieſem Späher den vormaligen ketzeriſchen Prädikanten und vielfachen Mörder Georg Jenatſch erkennt?“ Es ſchlurfte in zerfetzten Schuhen ein ältlicher Knecht herbei und ſagte mit kriechender Miene: „Zu dienen, Excellenz. Ich hauſte anno 1620 in Berbenn und war dabei, als dieſer Gottesläſterer mit verfluchter Hand meinen leiblichen Bruder gegen den Hochaltar von St. Peter ſchleuderte, daß der Aermſte für ſein Lebtag ein Gebreſten davontrug.“ — „Das paßt,“ ſagte der Spanier, „ich betraf den¬ ſelben Prädikanten im gleichen Sommer an der Zug¬ brücke unſerer Feſtung. Eure Ausflüchte, Mann, helfen Euch nicht und der Strick iſt Euch gewiß.“ Lucretia hatte im Hintergrunde der Laube den Auf¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/231>, abgerufen am 24.11.2024.