Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

gleichgültig über die Möglichkeit Eurer Beurlaubung.
Wann wird Eure venetianische Capitulation abgelaufen
sein?"

-- "Vor Monatsfrist, erlauchter Herr."

-- "Dann ist es gut. Ueberlaßt mir die Ver¬
mittelung. Am einfachsten nehmt Ihr schon heute bei
mir Wohnung und sendet sogleich nach Dienerschaft und
Gepäck."

Hier näherte sich Wertmüller, der bis dahin im
Vorgemache unsichtbar geblieben war, mit einer ingrim¬
migen, tragikomischen Miene, denn die von ihm scharf
beobachtete Scene hatte einen gemischten Eindruck auf
ihn gemacht, und meldete, der Hauptmann habe Gepäck
und Leute an der Landungsmauer der Zattere zurück¬
gelassen. Sofern ihm dieser Vollmacht gebe, werde er
sie abholen.

Jenatsch war in einen Fensterbogen getreten und
überstreifte mit scharfem Blicke den mondbeschienenen
Canal, bis in die von den Uferpalästen geworfenen
tiefen Schatten hineinspähend. Aufwärts, abwärts bot
die Wasserstraße das gewohnte friedliche Nachtbild. Nun
wandte er sich rasch und beurlaubte sich beim Herzog,
um selbst nach seiner Habe und seiner Bedienung zu
sehen, welcher er, wie er sagte, strengen Befehl hinter¬

gleichgültig über die Möglichkeit Eurer Beurlaubung.
Wann wird Eure venetianiſche Capitulation abgelaufen
ſein?“

— „Vor Monatsfriſt, erlauchter Herr.“

— „Dann iſt es gut. Ueberlaßt mir die Ver¬
mittelung. Am einfachſten nehmt Ihr ſchon heute bei
mir Wohnung und ſendet ſogleich nach Dienerſchaft und
Gepäck.“

Hier näherte ſich Wertmüller, der bis dahin im
Vorgemache unſichtbar geblieben war, mit einer ingrim¬
migen, tragikomiſchen Miene, denn die von ihm ſcharf
beobachtete Scene hatte einen gemiſchten Eindruck auf
ihn gemacht, und meldete, der Hauptmann habe Gepäck
und Leute an der Landungsmauer der Zattere zurück¬
gelaſſen. Sofern ihm dieſer Vollmacht gebe, werde er
ſie abholen.

Jenatſch war in einen Fenſterbogen getreten und
überſtreifte mit ſcharfem Blicke den mondbeſchienenen
Canal, bis in die von den Uferpaläſten geworfenen
tiefen Schatten hineinſpähend. Aufwärts, abwärts bot
die Waſſerſtraße das gewohnte friedliche Nachtbild. Nun
wandte er ſich raſch und beurlaubte ſich beim Herzog,
um ſelbſt nach ſeiner Habe und ſeiner Bedienung zu
ſehen, welcher er, wie er ſagte, ſtrengen Befehl hinter¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="180"/>
gleichgültig über die Möglichkeit Eurer Beurlaubung.<lb/>
Wann wird Eure venetiani&#x017F;che Capitulation abgelaufen<lb/>
&#x017F;ein?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x201E;Vor Monatsfri&#x017F;t, erlauchter Herr.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x201E;Dann i&#x017F;t es gut. Ueberlaßt mir die Ver¬<lb/>
mittelung. Am einfach&#x017F;ten nehmt Ihr &#x017F;chon heute bei<lb/>
mir Wohnung und &#x017F;endet &#x017F;ogleich nach Diener&#x017F;chaft und<lb/>
Gepäck.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Hier näherte &#x017F;ich Wertmüller, der bis dahin im<lb/>
Vorgemache un&#x017F;ichtbar geblieben war, mit einer ingrim¬<lb/>
migen, tragikomi&#x017F;chen Miene, denn die von ihm &#x017F;charf<lb/>
beobachtete Scene hatte einen gemi&#x017F;chten Eindruck auf<lb/>
ihn gemacht, und meldete, der Hauptmann habe Gepäck<lb/>
und Leute an der Landungsmauer der Zattere zurück¬<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en. Sofern ihm die&#x017F;er Vollmacht gebe, werde er<lb/>
&#x017F;ie abholen.</p><lb/>
          <p>Jenat&#x017F;ch war in einen Fen&#x017F;terbogen getreten und<lb/>
über&#x017F;treifte mit &#x017F;charfem Blicke den mondbe&#x017F;chienenen<lb/>
Canal, bis in die von den Uferpalä&#x017F;ten geworfenen<lb/>
tiefen Schatten hinein&#x017F;pähend. Aufwärts, abwärts bot<lb/>
die Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;traße das gewohnte friedliche Nachtbild. Nun<lb/>
wandte er &#x017F;ich ra&#x017F;ch und beurlaubte &#x017F;ich beim Herzog,<lb/>
um &#x017F;elb&#x017F;t nach &#x017F;einer Habe und &#x017F;einer Bedienung zu<lb/>
&#x017F;ehen, welcher er, wie er &#x017F;agte, &#x017F;trengen Befehl hinter¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0190] gleichgültig über die Möglichkeit Eurer Beurlaubung. Wann wird Eure venetianiſche Capitulation abgelaufen ſein?“ — „Vor Monatsfriſt, erlauchter Herr.“ — „Dann iſt es gut. Ueberlaßt mir die Ver¬ mittelung. Am einfachſten nehmt Ihr ſchon heute bei mir Wohnung und ſendet ſogleich nach Dienerſchaft und Gepäck.“ Hier näherte ſich Wertmüller, der bis dahin im Vorgemache unſichtbar geblieben war, mit einer ingrim¬ migen, tragikomiſchen Miene, denn die von ihm ſcharf beobachtete Scene hatte einen gemiſchten Eindruck auf ihn gemacht, und meldete, der Hauptmann habe Gepäck und Leute an der Landungsmauer der Zattere zurück¬ gelaſſen. Sofern ihm dieſer Vollmacht gebe, werde er ſie abholen. Jenatſch war in einen Fenſterbogen getreten und überſtreifte mit ſcharfem Blicke den mondbeſchienenen Canal, bis in die von den Uferpaläſten geworfenen tiefen Schatten hineinſpähend. Aufwärts, abwärts bot die Waſſerſtraße das gewohnte friedliche Nachtbild. Nun wandte er ſich raſch und beurlaubte ſich beim Herzog, um ſelbſt nach ſeiner Habe und ſeiner Bedienung zu ſehen, welcher er, wie er ſagte, ſtrengen Befehl hinter¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/190
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/190>, abgerufen am 06.05.2024.