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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Gesellen zum gewaltigen Kriegsmanne erwachsen und ich
rief Dich an: Jürg, räche meinen Vater! Ich habe
niemand als Dich! Du thatest mir ja sonst Alles zu
liebe, was Du mir nur an den Augen absehen konntest.
Jetzt hilf mir, Jürg, meine heiligste Pflicht zu er¬
füllen! . . . Und ich ergriff Deine starke Hand . . . Aber
weh' mir, sie trieft von Blut! Du Entsetzlicher, Du
bist der Mörder! Mir aus den Augen! Denn meine
Augen sind mit Dir im Bunde -- und sündigen --
und sind mitschuldig am Blute des Vaters. Hinweg!
Kein Friede, kein Vertrag mit Dir."

So klagte Lucretia und rang die Hände in innerm
Zwiespalte und trostloser Verzweiflung.

Die Herzogin legte beschwichtigend ihren feinen
Arm um den Nacken der Haltungslosen, und die weinende
Lucretia ließ sich willig von ihr in das Nebengemach
zurückführen. Dann erschien die edle Dame noch einmal
auf der Schwelle und flüsterte dem ihr entgegentretenden
Gemahle zu: "Ich werde sie mit Eurer Bewilligung, so¬
bald sie sich erholt hat, persönlich in meiner Gondel
nach ihrer Wohnung bringen. Sie ist bei a Marca,
Eurem Wechsler, abgestiegen, dessen Frau ihre ent¬
fernte Verwandte ist. Die treue Echagues mag uns
begleiten."

Der Herzog bezeugte der Hilfreichen seine freundliche

Geſellen zum gewaltigen Kriegsmanne erwachſen und ich
rief Dich an: Jürg, räche meinen Vater! Ich habe
niemand als Dich! Du thateſt mir ja ſonſt Alles zu
liebe, was Du mir nur an den Augen abſehen konnteſt.
Jetzt hilf mir, Jürg, meine heiligſte Pflicht zu er¬
füllen! . . . Und ich ergriff Deine ſtarke Hand . . . Aber
weh' mir, ſie trieft von Blut! Du Entſetzlicher, Du
biſt der Mörder! Mir aus den Augen! Denn meine
Augen ſind mit Dir im Bunde — und ſündigen —
und ſind mitſchuldig am Blute des Vaters. Hinweg!
Kein Friede, kein Vertrag mit Dir.“

So klagte Lucretia und rang die Hände in innerm
Zwieſpalte und troſtloſer Verzweiflung.

Die Herzogin legte beſchwichtigend ihren feinen
Arm um den Nacken der Haltungsloſen, und die weinende
Lucretia ließ ſich willig von ihr in das Nebengemach
zurückführen. Dann erſchien die edle Dame noch einmal
auf der Schwelle und flüſterte dem ihr entgegentretenden
Gemahle zu: „Ich werde ſie mit Eurer Bewilligung, ſo¬
bald ſie ſich erholt hat, perſönlich in meiner Gondel
nach ihrer Wohnung bringen. Sie iſt bei a Marca,
Eurem Wechsler, abgeſtiegen, deſſen Frau ihre ent¬
fernte Verwandte iſt. Die treue Echagues mag uns
begleiten.“

Der Herzog bezeugte der Hilfreichen ſeine freundliche

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[178/0188] Geſellen zum gewaltigen Kriegsmanne erwachſen und ich rief Dich an: Jürg, räche meinen Vater! Ich habe niemand als Dich! Du thateſt mir ja ſonſt Alles zu liebe, was Du mir nur an den Augen abſehen konnteſt. Jetzt hilf mir, Jürg, meine heiligſte Pflicht zu er¬ füllen! . . . Und ich ergriff Deine ſtarke Hand . . . Aber weh' mir, ſie trieft von Blut! Du Entſetzlicher, Du biſt der Mörder! Mir aus den Augen! Denn meine Augen ſind mit Dir im Bunde — und ſündigen — und ſind mitſchuldig am Blute des Vaters. Hinweg! Kein Friede, kein Vertrag mit Dir.“ So klagte Lucretia und rang die Hände in innerm Zwieſpalte und troſtloſer Verzweiflung. Die Herzogin legte beſchwichtigend ihren feinen Arm um den Nacken der Haltungsloſen, und die weinende Lucretia ließ ſich willig von ihr in das Nebengemach zurückführen. Dann erſchien die edle Dame noch einmal auf der Schwelle und flüſterte dem ihr entgegentretenden Gemahle zu: „Ich werde ſie mit Eurer Bewilligung, ſo¬ bald ſie ſich erholt hat, perſönlich in meiner Gondel nach ihrer Wohnung bringen. Sie iſt bei a Marca, Eurem Wechsler, abgeſtiegen, deſſen Frau ihre ent¬ fernte Verwandte iſt. Die treue Echagues mag uns begleiten.“ Der Herzog bezeugte der Hilfreichen ſeine freundliche

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/188>, abgerufen am 06.05.2024.