kleinen Kläffers erträgt, der als überlästiger Gast zu ihr hineingekrochen ist.
Die Gondel hatte inzwischen Murano erreicht, wo sie unsern der Kirche anlegte.
Jenatsch wandte sich nach der nächsten Locanda, forderte ein einfaches Mal und entschuldigte sich bei seinem Gefährten, er sei abgespannt und hungrig von der gestrigen Seereise und einem scharfen nächtlichen Ritte nach Padua. Er schlage vor, hier im Anblicke des Meeres eine Stunde zu rasten und diesmal auf die Malzeit in den Spiegeln und die Venetianerinnen auf dem Markusplatze zu verzichten.
Wertmüller, der sowohl durch diesen Tausch der Mittagstafel als durch das beharrliche Schweigen des Bündners etwas verstimmt war, erging sich, die Kosten der Unterhaltung allein bestreitend, in immer willkür¬ lichern Gedankensprüngen. Er kam, wie gestachelt durch einen geheimen Groll, von Neuem auf seine Vater¬ stadt zu sprechen und da der Bündner sich der edlen Zürich und seines dortigen Jugendfreundes Waser nur zu rühmen hatte, so riß den Locotenenten der Wider¬ spruch und der feurige illyrische Wein so weit fort, daß er von den angesehensten heimischen Persönlichkeiten frevelhafte Zerrbilder entwarf und bei der dritten Flasche Seine Gestrengen den Herrn Bürgermeister einen Gockel
kleinen Kläffers erträgt, der als überläſtiger Gaſt zu ihr hineingekrochen iſt.
Die Gondel hatte inzwiſchen Murano erreicht, wo ſie unſern der Kirche anlegte.
Jenatſch wandte ſich nach der nächſten Locanda, forderte ein einfaches Mal und entſchuldigte ſich bei ſeinem Gefährten, er ſei abgeſpannt und hungrig von der geſtrigen Seereiſe und einem ſcharfen nächtlichen Ritte nach Padua. Er ſchlage vor, hier im Anblicke des Meeres eine Stunde zu raſten und diesmal auf die Malzeit in den Spiegeln und die Venetianerinnen auf dem Markusplatze zu verzichten.
Wertmüller, der ſowohl durch dieſen Tauſch der Mittagstafel als durch das beharrliche Schweigen des Bündners etwas verſtimmt war, erging ſich, die Koſten der Unterhaltung allein beſtreitend, in immer willkür¬ lichern Gedankenſprüngen. Er kam, wie geſtachelt durch einen geheimen Groll, von Neuem auf ſeine Vater¬ ſtadt zu ſprechen und da der Bündner ſich der edlen Zürich und ſeines dortigen Jugendfreundes Waſer nur zu rühmen hatte, ſo riß den Locotenenten der Wider¬ ſpruch und der feurige illyriſche Wein ſo weit fort, daß er von den angeſehenſten heimiſchen Perſönlichkeiten frevelhafte Zerrbilder entwarf und bei der dritten Flaſche Seine Geſtrengen den Herrn Bürgermeiſter einen Gockel
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0168"n="158"/>
kleinen Kläffers erträgt, der als überläſtiger Gaſt zu<lb/>
ihr hineingekrochen iſt.</p><lb/><p>Die Gondel hatte inzwiſchen Murano erreicht, wo<lb/>ſie unſern der Kirche anlegte.</p><lb/><p>Jenatſch wandte ſich nach der nächſten Locanda,<lb/>
forderte ein einfaches Mal und entſchuldigte ſich bei<lb/>ſeinem Gefährten, er ſei abgeſpannt und hungrig von<lb/>
der geſtrigen Seereiſe und einem ſcharfen nächtlichen<lb/>
Ritte nach Padua. Er ſchlage vor, hier im Anblicke<lb/>
des Meeres eine Stunde zu raſten und diesmal auf<lb/>
die Malzeit in den Spiegeln und die Venetianerinnen<lb/>
auf dem Markusplatze zu verzichten.</p><lb/><p>Wertmüller, der ſowohl durch dieſen Tauſch der<lb/>
Mittagstafel als durch das beharrliche Schweigen des<lb/>
Bündners etwas verſtimmt war, erging ſich, die Koſten<lb/>
der Unterhaltung allein beſtreitend, in immer willkür¬<lb/>
lichern Gedankenſprüngen. Er kam, wie geſtachelt durch<lb/>
einen geheimen Groll, von Neuem auf ſeine Vater¬<lb/>ſtadt zu ſprechen und da der Bündner ſich der edlen<lb/>
Zürich und ſeines dortigen Jugendfreundes Waſer nur<lb/>
zu rühmen hatte, ſo riß den Locotenenten der Wider¬<lb/>ſpruch und der feurige illyriſche Wein ſo weit fort, daß<lb/>
er von den angeſehenſten heimiſchen Perſönlichkeiten<lb/>
frevelhafte Zerrbilder entwarf und bei der dritten Flaſche<lb/>
Seine Geſtrengen den Herrn Bürgermeiſter einen Gockel<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[158/0168]
kleinen Kläffers erträgt, der als überläſtiger Gaſt zu
ihr hineingekrochen iſt.
Die Gondel hatte inzwiſchen Murano erreicht, wo
ſie unſern der Kirche anlegte.
Jenatſch wandte ſich nach der nächſten Locanda,
forderte ein einfaches Mal und entſchuldigte ſich bei
ſeinem Gefährten, er ſei abgeſpannt und hungrig von
der geſtrigen Seereiſe und einem ſcharfen nächtlichen
Ritte nach Padua. Er ſchlage vor, hier im Anblicke
des Meeres eine Stunde zu raſten und diesmal auf
die Malzeit in den Spiegeln und die Venetianerinnen
auf dem Markusplatze zu verzichten.
Wertmüller, der ſowohl durch dieſen Tauſch der
Mittagstafel als durch das beharrliche Schweigen des
Bündners etwas verſtimmt war, erging ſich, die Koſten
der Unterhaltung allein beſtreitend, in immer willkür¬
lichern Gedankenſprüngen. Er kam, wie geſtachelt durch
einen geheimen Groll, von Neuem auf ſeine Vater¬
ſtadt zu ſprechen und da der Bündner ſich der edlen
Zürich und ſeines dortigen Jugendfreundes Waſer nur
zu rühmen hatte, ſo riß den Locotenenten der Wider¬
ſpruch und der feurige illyriſche Wein ſo weit fort, daß
er von den angeſehenſten heimiſchen Perſönlichkeiten
frevelhafte Zerrbilder entwarf und bei der dritten Flaſche
Seine Geſtrengen den Herrn Bürgermeiſter einen Gockel
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/168>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.