Veltlin. Die beiden Planta führten die Oesterreicher ins Münsterthal, und zwei Versuche, die verlorenen Landschaften wieder zu gewinnen, blieben fruchtlos. Im Innern von Bünden wuchs täglich die Wuth gegen die landesverrätherischen Anstifter des Veltlinermordes, be¬ sonders gegen den vervehmten Pompejus Planta, der in der allgemeinen Verwirung sich seines festen Hauses Riedberg wieder bemächtigt hatte.
So war Waser, als eines Tages durch einen reitenden Boten die Nachricht von dem Ueberfalle des Schlosses und der Ermordung des Herrn Pompejus eintraf, mehr erschrocken als erstaunt. Das Schreiben kam vom Ritter Doktor Fortunatus Sprecher. Dieser gelehrte Jurist behauptete in der von politischer Leiden¬ schaft beherrschten Zeit eine zurückgezogene und verhält¬ nißmäßig unangefochtene Stellung. Von ihm war be¬ kannt, daß er, dem die waghalsige Demokratenwirthschaft und die spanischen Intriguen gleichermaßen verhaßt waren, in stillen Stunden beflissen sei, die in ihm auf¬ steigende Bitterkeit bestmöglich zu versüßen durch täg¬ liche genaue Aufzeichnung aller Fehlgriffe und Greuel, welche sich die ihm widerwärtigen extremen Parteien zu Schulden kommen ließen. Dies that er aber mit dem Vorsatze, die unter dem Eindrucke des Tages entstan¬ denen Aufzeichnungen im Laufe der Jahre gemächlich
Veltlin. Die beiden Planta führten die Oeſterreicher ins Münſterthal, und zwei Verſuche, die verlorenen Landſchaften wieder zu gewinnen, blieben fruchtlos. Im Innern von Bünden wuchs täglich die Wuth gegen die landesverrätheriſchen Anſtifter des Veltlinermordes, be¬ ſonders gegen den vervehmten Pompejus Planta, der in der allgemeinen Verwirung ſich ſeines feſten Hauſes Riedberg wieder bemächtigt hatte.
So war Waſer, als eines Tages durch einen reitenden Boten die Nachricht von dem Ueberfalle des Schloſſes und der Ermordung des Herrn Pompejus eintraf, mehr erſchrocken als erſtaunt. Das Schreiben kam vom Ritter Doktor Fortunatus Sprecher. Dieſer gelehrte Juriſt behauptete in der von politiſcher Leiden¬ ſchaft beherrſchten Zeit eine zurückgezogene und verhält¬ nißmäßig unangefochtene Stellung. Von ihm war be¬ kannt, daß er, dem die waghalſige Demokratenwirthſchaft und die ſpaniſchen Intriguen gleichermaßen verhaßt waren, in ſtillen Stunden befliſſen ſei, die in ihm auf¬ ſteigende Bitterkeit beſtmöglich zu verſüßen durch täg¬ liche genaue Aufzeichnung aller Fehlgriffe und Greuel, welche ſich die ihm widerwärtigen extremen Parteien zu Schulden kommen ließen. Dies that er aber mit dem Vorſatze, die unter dem Eindrucke des Tages entſtan¬ denen Aufzeichnungen im Laufe der Jahre gemächlich
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Veltlin. Die beiden Planta führten die Oeſterreicher
ins Münſterthal, und zwei Verſuche, die verlorenen
Landſchaften wieder zu gewinnen, blieben fruchtlos. Im
Innern von Bünden wuchs täglich die Wuth gegen die
landesverrätheriſchen Anſtifter des Veltlinermordes, be¬
ſonders gegen den vervehmten Pompejus Planta, der
in der allgemeinen Verwirung ſich ſeines feſten Hauſes
Riedberg wieder bemächtigt hatte.
So war Waſer, als eines Tages durch einen
reitenden Boten die Nachricht von dem Ueberfalle des
Schloſſes und der Ermordung des Herrn Pompejus
eintraf, mehr erſchrocken als erſtaunt. Das Schreiben
kam vom Ritter Doktor Fortunatus Sprecher. Dieſer
gelehrte Juriſt behauptete in der von politiſcher Leiden¬
ſchaft beherrſchten Zeit eine zurückgezogene und verhält¬
nißmäßig unangefochtene Stellung. Von ihm war be¬
kannt, daß er, dem die waghalſige Demokratenwirthſchaft
und die ſpaniſchen Intriguen gleichermaßen verhaßt
waren, in ſtillen Stunden befliſſen ſei, die in ihm auf¬
ſteigende Bitterkeit beſtmöglich zu verſüßen durch täg¬
liche genaue Aufzeichnung aller Fehlgriffe und Greuel,
welche ſich die ihm widerwärtigen extremen Parteien zu
Schulden kommen ließen. Dies that er aber mit dem
Vorſatze, die unter dem Eindrucke des Tages entſtan¬
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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