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Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1)

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Vorbemerkung.


Die Zahl der historischen Lehrbücher zu vermehren würde mir fern
gelegen haben, wenn mir Tabellen für den Geschichtsunterricht bekannt
gewesen wären, welche in gleicher Weise befriedigten wie manche Leitfäden
in zusammenhängender Darstellung. Denn ich glaube bemerkt zu haben,
dass dem Schüler, auch dem der oberen Klassen, eine Tabelle, die ihm
kurz und genau -- ich möchte sagen formelartig -- zur Jahreszahl die
Thatsachen giebt, am liebsten ist, offenbar weil sie ihm das unumgängliche
mechanische Auswendiglernen am leichtesten macht: eine gut angelegte
und klar gedruckte Tabelle zieht doch auch das Auge beim Lernen heran.

Das aber, worin mir die vorhandenen Tabellen mangelhaft erschienen,
war ein doppeltes: einmal, dass sie bei ihrem Streben nach Kürze den Zu-
sammenhang der Ereignisse
nicht immer hinreichend hervortreten
lassen, und zweitens, dafs sie nicht genügend einteilen.

Eine Tabelle, aus welcher der Schüler nicht auch den Zusammenhang
der Thatsachen zu erkennen vermag, ist für den Unterricht, wie ich glaube,
nicht geeignet, wenn letzterer nicht lediglich auf das Auswendiglernen
von Zahlen gerichtet werden soll. Die Schüler der oberen Klassen dürfen
eine Einsicht in den Zusammenhang um so mehr verlangen, als sie dem-
jenigen Standpunkt doch näher gekommen sein werden, auf dem man Ge-
danken leichter behält als vereinzelte Notizen, und Einzelheiten an einen
zu Grunde liegenden Gedanken anschliesst. Findet der Schüler den Zu-
sammenhang nicht, so greift er meist nach ausführlicheren Darstellungen:
die Anschaffung eines anderen Unterrichtsbuches neben dem in der Schule
eingeführten muss aber im Interesse des Schülers selbst verhindert werden.
Das Lehrbuch soll eben alles geben, was der Schüler nötig hat, ja, soll
ihm womöglich ein [fremdsprachliches Material] werden, zu dem er auch noch im späteren
Leben gern greift.

Ein nicht minder wichtiger Punkt scheint mir gerade für eine Tabelle
die Einteilung zu sein. Das Altrömische 'divide et impera' hat nicht
bloss in der Politik, sondern auf allen Gebieten des Lebens und auch auf
dem der Wissenschaft seine volle Geltung, und 'bene docet, qui bene distinguit'

Vorbemerkung.


Die Zahl der historischen Lehrbücher zu vermehren würde mir fern
gelegen haben, wenn mir Tabellen für den Geschichtsunterricht bekannt
gewesen wären, welche in gleicher Weise befriedigten wie manche Leitfäden
in zusammenhängender Darstellung. Denn ich glaube bemerkt zu haben,
daſs dem Schüler, auch dem der oberen Klassen, eine Tabelle, die ihm
kurz und genau — ich möchte sagen formelartig — zur Jahreszahl die
Thatsachen giebt, am liebsten ist, offenbar weil sie ihm das unumgängliche
mechanische Auswendiglernen am leichtesten macht: eine gut angelegte
und klar gedruckte Tabelle zieht doch auch das Auge beim Lernen heran.

Das aber, worin mir die vorhandenen Tabellen mangelhaft erschienen,
war ein doppeltes: einmal, daſs sie bei ihrem Streben nach Kürze den Zu-
sammenhang der Ereignisse
nicht immer hinreichend hervortreten
lassen, und zweitens, dafs sie nicht genügend einteilen.

Eine Tabelle, aus welcher der Schüler nicht auch den Zusammenhang
der Thatsachen zu erkennen vermag, ist für den Unterricht, wie ich glaube,
nicht geeignet, wenn letzterer nicht lediglich auf das Auswendiglernen
von Zahlen gerichtet werden soll. Die Schüler der oberen Klassen dürfen
eine Einsicht in den Zusammenhang um so mehr verlangen, als sie dem-
jenigen Standpunkt doch näher gekommen sein werden, auf dem man Ge-
danken leichter behält als vereinzelte Notizen, und Einzelheiten an einen
zu Grunde liegenden Gedanken anschlieſst. Findet der Schüler den Zu-
sammenhang nicht, so greift er meist nach ausführlicheren Darstellungen:
die Anschaffung eines anderen Unterrichtsbuches neben dem in der Schule
eingeführten muſs aber im Interesse des Schülers selbst verhindert werden.
Das Lehrbuch soll eben alles geben, was der Schüler nötig hat, ja, soll
ihm womöglich ein [fremdsprachliches Material] werden, zu dem er auch noch im späteren
Leben gern greift.

Ein nicht minder wichtiger Punkt scheint mir gerade für eine Tabelle
die Einteilung zu sein. Das Altrömische ‘divide et impera’ hat nicht
bloſs in der Politik, sondern auf allen Gebieten des Lebens und auch auf
dem der Wissenschaft seine volle Geltung, und 'bene docet, qui bene distinguit

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Zitationshilfe: Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1), S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_geschichte_1890/9>, abgerufen am 06.06.2024.