Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
-- "Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
Drei Jahre sind's ... Auf einer Hugenottenjagd ...
Ein fein, halsstarrig Weib ... "Wo steckt der Junker? Sprich!"
Sie schweigt. "Bekenn!" Sie schweigt. "Gieb ihn heraus!"
Sie schweigt.

Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geschöpf ...
Die Füße pack' ich ihr und blöße sie und strecke sie
Tief mitten in die Glut ... "Gieb ihn heraus!" ... Sie
schweigt ...

Sie windet sich ... Sahst du das Wappen nicht am Thor?
Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich."
Ein tritt der Edelmann. "Du träumst! Zu Tische, Gast ..."
Da sitzen sie. Die Drei in ihrer schwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an --
Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
Springt auf: "Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
Müd bin ich wie ein Hund!" Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ...
Dem Diener folgt er taumelnd in das Thurmgemach.
Fest riegelt er die Thür. Er prüft Pistol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? ... Schleicht dort
ein Schritt? ...

Ihn täuscht das Ohr. Vorüber wandelt Mitternacht.
Auf seinen Lidern lastet Blei und schlummernd sinkt
Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
— „Verdammt! Daſſelbe Wappen! Dieſer ſelbe Saal!
Drei Jahre ſind's ... Auf einer Hugenottenjagd ...
Ein fein, halsſtarrig Weib ... „Wo ſteckt der Junker? Sprich!“
Sie ſchweigt. „Bekenn!“ Sie ſchweigt. „Gieb ihn heraus!“
Sie ſchweigt.

Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geſchöpf ...
Die Füße pack' ich ihr und blöße ſie und ſtrecke ſie
Tief mitten in die Glut ... „Gieb ihn heraus!“ ... Sie
ſchweigt ...

Sie windet ſich ... Sahſt du das Wappen nicht am Thor?
Wer hieß dich hier zu Gaſte gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“
Ein tritt der Edelmann. „Du träumſt! Zu Tiſche, Gaſt ...“
Da ſitzen ſie. Die Drei in ihrer ſchwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder ſpricht das Tiſchgebet.
Ihn ſtarren ſie mit aufgeriſſnen Augen an —
Den Becher füllt und übergießt er, ſtürzt den Trunk,
Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerſtatt!
Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und ſieht den Knaben flüſtern in des Vaters Ohr ...
Dem Diener folgt er taumelnd in das Thurmgemach.
Feſt riegelt er die Thür. Er prüft Piſtol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke ſtöhnt.
Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? ... Schleicht dort
ein Schritt? ...

Ihn täuſcht das Ohr. Vorüber wandelt Mitternacht.
Auf ſeinen Lidern laſtet Blei und ſchlummernd ſinkt
Er auf das Lager. Draußen plätſchert Regenflut.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0341" n="327"/>
            <lg n="4">
              <l>&#x2014; &#x201E;Verdammt! Da&#x017F;&#x017F;elbe Wappen! Die&#x017F;er &#x017F;elbe Saal!</l><lb/>
              <l>Drei Jahre &#x017F;ind's ... Auf einer Hugenottenjagd ...</l><lb/>
              <l>Ein fein, hals&#x017F;tarrig Weib ... &#x201E;Wo &#x017F;teckt der Junker? Sprich!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;chweigt. &#x201E;Bekenn!&#x201C; Sie &#x017F;chweigt. &#x201E;Gieb ihn heraus!&#x201C;<lb/>
Sie &#x017F;chweigt.</l><lb/>
              <l>Ich werde wild. <hi rendition="#g">Der</hi> Stolz! Ich zerre das Ge&#x017F;chöpf ...</l><lb/>
              <l>Die Füße pack' ich ihr und blöße &#x017F;ie und &#x017F;trecke &#x017F;ie</l><lb/>
              <l>Tief mitten in die Glut ... &#x201E;Gieb ihn heraus!&#x201C; ... Sie<lb/>
&#x017F;chweigt ...</l><lb/>
              <l>Sie windet &#x017F;ich ... Sah&#x017F;t du das Wappen nicht am Thor?</l><lb/>
              <l>Wer hieß dich hier zu Ga&#x017F;te gehen, dummer Narr?</l><lb/>
              <l>Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.&#x201C;</l><lb/>
              <l>Ein tritt der Edelmann. &#x201E;Du träum&#x017F;t! Zu Ti&#x017F;che, Ga&#x017F;t ...&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Da &#x017F;itzen &#x017F;ie. Die Drei in ihrer &#x017F;chwarzen Tracht</l><lb/>
              <l>Und er. Doch keins der Kinder &#x017F;pricht das Ti&#x017F;chgebet.</l><lb/>
              <l>Ihn &#x017F;tarren &#x017F;ie mit aufgeri&#x017F;&#x017F;nen Augen an &#x2014;</l><lb/>
              <l>Den Becher füllt und übergießt er, &#x017F;türzt den Trunk,</l><lb/>
              <l>Springt auf: &#x201E;Herr, gebet jetzt mir meine Lager&#x017F;tatt!</l><lb/>
              <l>Müd bin ich wie ein Hund!&#x201C; Ein Diener leuchtet ihm,</l><lb/>
              <l>Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ieht den Knaben flü&#x017F;tern in des Vaters Ohr ...</l><lb/>
              <l>Dem Diener folgt er taumelnd in das Thurmgemach.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Fe&#x017F;t riegelt er die Thür. Er prüft Pi&#x017F;tol und Schwert.</l><lb/>
              <l>Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke &#x017F;töhnt.</l><lb/>
              <l>Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? ... Schleicht dort<lb/>
ein Schritt? ...</l><lb/>
              <l>Ihn täu&#x017F;cht das Ohr. Vorüber wandelt Mitternacht.</l><lb/>
              <l>Auf &#x017F;einen Lidern la&#x017F;tet Blei und &#x017F;chlummernd &#x017F;inkt</l><lb/>
              <l>Er auf das Lager. Draußen plät&#x017F;chert Regenflut.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0341] — „Verdammt! Daſſelbe Wappen! Dieſer ſelbe Saal! Drei Jahre ſind's ... Auf einer Hugenottenjagd ... Ein fein, halsſtarrig Weib ... „Wo ſteckt der Junker? Sprich!“ Sie ſchweigt. „Bekenn!“ Sie ſchweigt. „Gieb ihn heraus!“ Sie ſchweigt. Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geſchöpf ... Die Füße pack' ich ihr und blöße ſie und ſtrecke ſie Tief mitten in die Glut ... „Gieb ihn heraus!“ ... Sie ſchweigt ... Sie windet ſich ... Sahſt du das Wappen nicht am Thor? Wer hieß dich hier zu Gaſte gehen, dummer Narr? Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“ Ein tritt der Edelmann. „Du träumſt! Zu Tiſche, Gaſt ...“ Da ſitzen ſie. Die Drei in ihrer ſchwarzen Tracht Und er. Doch keins der Kinder ſpricht das Tiſchgebet. Ihn ſtarren ſie mit aufgeriſſnen Augen an — Den Becher füllt und übergießt er, ſtürzt den Trunk, Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerſtatt! Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm, Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück Und ſieht den Knaben flüſtern in des Vaters Ohr ... Dem Diener folgt er taumelnd in das Thurmgemach. Feſt riegelt er die Thür. Er prüft Piſtol und Schwert. Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke ſtöhnt. Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? ... Schleicht dort ein Schritt? ... Ihn täuſcht das Ohr. Vorüber wandelt Mitternacht. Auf ſeinen Lidern laſtet Blei und ſchlummernd ſinkt Er auf das Lager. Draußen plätſchert Regenflut.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/341
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/341>, abgerufen am 12.05.2024.