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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Michel Angelo und seine Statuen.
Du öffnest, Sklave, deinen Mund,
Doch stöhnst du nicht. Die Lippe schweigt.
Nicht drückt, Gedankenvoller, dich
Die Bürde der behelmten Stirn.
Du packst mit nerv'ger Hand den Bart,
Doch springst du, Moses, nicht empor.
Maria mit dem todten Sohn,
Du weinst, doch rinnt die Thräne nicht.
Ihr stellt des Leids Geberde dar,
Ihr meine Kinder, ohne Leid!
So sieht der freigewordne Geist
Des Lebens überwundne Qual.
Was martert die lebend'ge Brust,
Beseligt und ergötzt im Stein.
Den Augenblick verewigt ihr
Und sterbt ihr, sterbt ihr ohne Tod.
Im Schilfe wartet Charon mein,
Der pfeifend sich die Zeit vertreibt.

Michel Angelo und ſeine Statuen.
Du öffneſt, Sklave, deinen Mund,
Doch ſtöhnſt du nicht. Die Lippe ſchweigt.
Nicht drückt, Gedankenvoller, dich
Die Bürde der behelmten Stirn.
Du packſt mit nerv'ger Hand den Bart,
Doch ſpringſt du, Moſes, nicht empor.
Maria mit dem todten Sohn,
Du weinſt, doch rinnt die Thräne nicht.
Ihr ſtellt des Leids Geberde dar,
Ihr meine Kinder, ohne Leid!
So ſieht der freigewordne Geiſt
Des Lebens überwundne Qual.
Was martert die lebend'ge Bruſt,
Beſeligt und ergötzt im Stein.
Den Augenblick verewigt ihr
Und ſterbt ihr, ſterbt ihr ohne Tod.
Im Schilfe wartet Charon mein,
Der pfeifend ſich die Zeit vertreibt.

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[281/0295] Michel Angelo und ſeine Statuen. Du öffneſt, Sklave, deinen Mund, Doch ſtöhnſt du nicht. Die Lippe ſchweigt. Nicht drückt, Gedankenvoller, dich Die Bürde der behelmten Stirn. Du packſt mit nerv'ger Hand den Bart, Doch ſpringſt du, Moſes, nicht empor. Maria mit dem todten Sohn, Du weinſt, doch rinnt die Thräne nicht. Ihr ſtellt des Leids Geberde dar, Ihr meine Kinder, ohne Leid! So ſieht der freigewordne Geiſt Des Lebens überwundne Qual. Was martert die lebend'ge Bruſt, Beſeligt und ergötzt im Stein. Den Augenblick verewigt ihr Und ſterbt ihr, ſterbt ihr ohne Tod. Im Schilfe wartet Charon mein, Der pfeifend ſich die Zeit vertreibt.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/295>, abgerufen am 23.11.2024.