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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Die zur Schwelle würde dir des Todes!
Will nicht schuldig sein an deinem Tode!
Meine dunkeln Augen sind verderblich!
Alle schlügen heute dich mit Stäben,
Alle würfen heute dich mit Steinen,
Und du lägest todt in deinem Blute!
Denn verhaßt ist Christus in Damaskus!
Weiche, Pilger! Heb' dich, läst'ger Bettler!
Fremdling! Abergläub'scher! Götzendiener!
Diesen Lippen einen Kuß! Entweiche!"
Doch er weigerte sich mit dem Haupte,
Zornig wich von ihm die Sarazenin.

In der letzten Abendhelle stand sie
Vor dem Pilger, dem das Blut aus vielen
Wunden strömte, heftig ihn zu schelten:
"Weiche, Pilger! Heb' dich, läst'ger Bettler!
Fremdling! Abergläub'scher! Götzendiener!
Meine dunkeln Augen sind verderblich
Und verhaßt ist Christus in Damaskus!
Will nicht schuldig sein an deinem Tode!
Waschen will ich deine rothen Striemen,
Küssen will ich deine blut'gen Wunden,
Läugnest du den bleichen Mann am Holze!"
Doch er weigerte sich mit dem Haupte,
Weinend wich von ihm die Sarazenin
Und empor zum innern Söller steigend

Die zur Schwelle würde dir des Todes!
Will nicht ſchuldig ſein an deinem Tode!
Meine dunkeln Augen ſind verderblich!
Alle ſchlügen heute dich mit Stäben,
Alle würfen heute dich mit Steinen,
Und du lägeſt todt in deinem Blute!
Denn verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus!
Weiche, Pilger! Heb' dich, läſt'ger Bettler!
Fremdling! Abergläub'ſcher! Götzendiener!
Dieſen Lippen einen Kuß! Entweiche!“
Doch er weigerte ſich mit dem Haupte,
Zornig wich von ihm die Sarazenin.

In der letzten Abendhelle ſtand ſie
Vor dem Pilger, dem das Blut aus vielen
Wunden ſtrömte, heftig ihn zu ſchelten:
„Weiche, Pilger! Heb' dich, läſt'ger Bettler!
Fremdling! Abergläub'ſcher! Götzendiener!
Meine dunkeln Augen ſind verderblich
Und verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus!
Will nicht ſchuldig ſein an deinem Tode!
Waſchen will ich deine rothen Striemen,
Küſſen will ich deine blut'gen Wunden,
Läugneſt du den bleichen Mann am Holze!“
Doch er weigerte ſich mit dem Haupte,
Weinend wich von ihm die Sarazenin
Und empor zum innern Söller ſteigend
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[234/0248] Die zur Schwelle würde dir des Todes! Will nicht ſchuldig ſein an deinem Tode! Meine dunkeln Augen ſind verderblich! Alle ſchlügen heute dich mit Stäben, Alle würfen heute dich mit Steinen, Und du lägeſt todt in deinem Blute! Denn verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus! Weiche, Pilger! Heb' dich, läſt'ger Bettler! Fremdling! Abergläub'ſcher! Götzendiener! Dieſen Lippen einen Kuß! Entweiche!“ Doch er weigerte ſich mit dem Haupte, Zornig wich von ihm die Sarazenin. In der letzten Abendhelle ſtand ſie Vor dem Pilger, dem das Blut aus vielen Wunden ſtrömte, heftig ihn zu ſchelten: „Weiche, Pilger! Heb' dich, läſt'ger Bettler! Fremdling! Abergläub'ſcher! Götzendiener! Meine dunkeln Augen ſind verderblich Und verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus! Will nicht ſchuldig ſein an deinem Tode! Waſchen will ich deine rothen Striemen, Küſſen will ich deine blut'gen Wunden, Läugneſt du den bleichen Mann am Holze!“ Doch er weigerte ſich mit dem Haupte, Weinend wich von ihm die Sarazenin Und empor zum innern Söller ſteigend

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/248>, abgerufen am 27.04.2024.