Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Die heil'gen Eichen drohen Baum an Baum, Die Römer lauschen bang und athmen kaum, Schwer, schwerer wird der Hand des Beiles Wucht Und ihr entsinkt's. Sie stürzen auf die Flucht. "Steht!" Und sie stehn. Denn es ist Cäsar's Ruf, Der sie durch strenge Zucht zu Männern schuf! Er ist bei seiner Schaar. Er deutet hin Auf eine Eiche. Sie umschlingen ihn, Sie decken ihn wie im Gedräng der Schlacht, Sie flehn. Er ringt. Er hat sich losgemacht, Er schreitet vor. Sie folgen. Er ergreift Ein Beil, hebt's, führt den Schlag, der saust und pfeift ... Sank er verwundet von dem frevlen Beil? Er lächelt: "Schauet, Kinder, ich bin heil!" Erstaunen! Jubel! Hohngelächter! Spott! Soldatenwitz: "Verendet hat der Gott!" Die Rinde fliegt! Des Stammes Stärke kracht! Von Laub zu dunklerm Laube flieht die Nacht. Die Beile thun ihr Werk. Die Wölbung bricht -- Auf Riesentrümmer fällt das weiße Licht. Die heil'gen Eichen drohen Baum an Baum, Die Römer lauſchen bang und athmen kaum, Schwer, ſchwerer wird der Hand des Beiles Wucht Und ihr entſinkt's. Sie ſtürzen auf die Flucht. „Steht!“ Und ſie ſtehn. Denn es iſt Cäſar's Ruf, Der ſie durch ſtrenge Zucht zu Männern ſchuf! Er iſt bei ſeiner Schaar. Er deutet hin Auf eine Eiche. Sie umſchlingen ihn, Sie decken ihn wie im Gedräng der Schlacht, Sie flehn. Er ringt. Er hat ſich losgemacht, Er ſchreitet vor. Sie folgen. Er ergreift Ein Beil, hebt's, führt den Schlag, der ſauſt und pfeift ... Sank er verwundet von dem frevlen Beil? Er lächelt: „Schauet, Kinder, ich bin heil!“ Erſtaunen! Jubel! Hohngelächter! Spott! Soldatenwitz: „Verendet hat der Gott!“ Die Rinde fliegt! Des Stammes Stärke kracht! Von Laub zu dunklerm Laube flieht die Nacht. Die Beile thun ihr Werk. Die Wölbung bricht — Auf Rieſentrümmer fällt das weiße Licht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0226" n="212"/> <l>Die heil'gen Eichen drohen Baum an Baum,</l><lb/> <l>Die Römer lauſchen bang und athmen kaum,</l><lb/> <l>Schwer, ſchwerer wird der Hand des Beiles Wucht</l><lb/> <l>Und ihr entſinkt's. Sie ſtürzen auf die Flucht.</l><lb/> <l>„Steht!“ Und ſie ſtehn. Denn es iſt Cäſar's Ruf,</l><lb/> <l>Der ſie durch ſtrenge Zucht zu Männern ſchuf!</l><lb/> <l>Er iſt bei ſeiner Schaar. Er deutet hin</l><lb/> <l>Auf eine Eiche. Sie umſchlingen ihn,</l><lb/> <l>Sie decken ihn wie im Gedräng der Schlacht,</l><lb/> <l>Sie flehn. Er ringt. Er hat ſich losgemacht,</l><lb/> <l>Er ſchreitet vor. Sie folgen. Er ergreift</l><lb/> <l>Ein Beil, hebt's, führt den Schlag, der ſauſt und pfeift ...</l><lb/> <l>Sank er verwundet von dem frevlen Beil?</l><lb/> <l>Er lächelt: „Schauet, Kinder, ich bin heil!“</l><lb/> <l>Erſtaunen! Jubel! Hohngelächter! Spott!</l><lb/> <l>Soldatenwitz: „Verendet hat der Gott!“</l><lb/> <l>Die Rinde fliegt! Des Stammes Stärke kracht!</l><lb/> <l>Von Laub zu dunklerm Laube flieht die Nacht.</l><lb/> <l>Die Beile thun ihr Werk. Die Wölbung bricht —</l><lb/> <l>Auf Rieſentrümmer fällt das weiße Licht.</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0226]
Die heil'gen Eichen drohen Baum an Baum,
Die Römer lauſchen bang und athmen kaum,
Schwer, ſchwerer wird der Hand des Beiles Wucht
Und ihr entſinkt's. Sie ſtürzen auf die Flucht.
„Steht!“ Und ſie ſtehn. Denn es iſt Cäſar's Ruf,
Der ſie durch ſtrenge Zucht zu Männern ſchuf!
Er iſt bei ſeiner Schaar. Er deutet hin
Auf eine Eiche. Sie umſchlingen ihn,
Sie decken ihn wie im Gedräng der Schlacht,
Sie flehn. Er ringt. Er hat ſich losgemacht,
Er ſchreitet vor. Sie folgen. Er ergreift
Ein Beil, hebt's, führt den Schlag, der ſauſt und pfeift ...
Sank er verwundet von dem frevlen Beil?
Er lächelt: „Schauet, Kinder, ich bin heil!“
Erſtaunen! Jubel! Hohngelächter! Spott!
Soldatenwitz: „Verendet hat der Gott!“
Die Rinde fliegt! Des Stammes Stärke kracht!
Von Laub zu dunklerm Laube flieht die Nacht.
Die Beile thun ihr Werk. Die Wölbung bricht —
Auf Rieſentrümmer fällt das weiße Licht.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/226>, abgerufen am 16.07.2024. |