Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Und den Stern der Liebe sah ich eilen
Dort zum dunkelscharfen Bergesrand,
Auf dem schlanken Giebel blitzend weilen,
Wie ein zitternd Feuer, eh' er schwand.
Im Entweichen
Gab der Freund am Himmel mir ein Zeichen,
Wann er über meinem Glücke stand.
Längst versunken glaubt' ich's in der Ferne,
Das so nahe mir verborgen lag!
Wer versteht den stillen Wink der Sterne
Vor dem rechten, dem bestimmten Tag?
Vor der Stunde,
Die ihn zieht zu dem ersehnten Bunde,
Den nicht Tod noch Leben trennen mag?
Lang vorüber ging ich deiner Liebe
Durch den Staub des Lebens unbewußt,
Daß zur Wonne mir die Klage bliebe
Und ein leiser Schmerz in sel'ger Brust --
Schmerz und Klage
Ueber ohne dich verdarbte Tage,
Die mit deinem Kuß du stillen mußt.

Und den Stern der Liebe ſah ich eilen
Dort zum dunkelſcharfen Bergesrand,
Auf dem ſchlanken Giebel blitzend weilen,
Wie ein zitternd Feuer, eh' er ſchwand.
Im Entweichen
Gab der Freund am Himmel mir ein Zeichen,
Wann er über meinem Glücke ſtand.
Längſt verſunken glaubt' ich's in der Ferne,
Das ſo nahe mir verborgen lag!
Wer verſteht den ſtillen Wink der Sterne
Vor dem rechten, dem beſtimmten Tag?
Vor der Stunde,
Die ihn zieht zu dem erſehnten Bunde,
Den nicht Tod noch Leben trennen mag?
Lang vorüber ging ich deiner Liebe
Durch den Staub des Lebens unbewußt,
Daß zur Wonne mir die Klage bliebe
Und ein leiſer Schmerz in ſel'ger Bruſt —
Schmerz und Klage
Ueber ohne dich verdarbte Tage,
Die mit deinem Kuß du ſtillen mußt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0187" n="173"/>
            <lg n="4">
              <l>Und den Stern der Liebe &#x017F;ah ich eilen</l><lb/>
              <l>Dort zum dunkel&#x017F;charfen Bergesrand,</l><lb/>
              <l>Auf dem &#x017F;chlanken Giebel blitzend weilen,</l><lb/>
              <l>Wie ein zitternd Feuer, eh' er &#x017F;chwand.</l><lb/>
              <l>Im Entweichen</l><lb/>
              <l>Gab der Freund am Himmel mir ein Zeichen,</l><lb/>
              <l>Wann er über meinem Glücke &#x017F;tand.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Läng&#x017F;t ver&#x017F;unken glaubt' ich's in der Ferne,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;o nahe mir verborgen lag!</l><lb/>
              <l>Wer ver&#x017F;teht den &#x017F;tillen Wink der Sterne</l><lb/>
              <l>Vor dem rechten, dem be&#x017F;timmten Tag?</l><lb/>
              <l>Vor der Stunde,</l><lb/>
              <l>Die ihn zieht zu dem er&#x017F;ehnten Bunde,</l><lb/>
              <l>Den nicht Tod noch Leben trennen mag?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Lang vorüber ging ich deiner Liebe</l><lb/>
              <l>Durch den Staub des Lebens unbewußt,</l><lb/>
              <l>Daß zur Wonne mir die Klage bliebe</l><lb/>
              <l>Und ein lei&#x017F;er Schmerz in &#x017F;el'ger Bru&#x017F;t &#x2014;</l><lb/>
              <l>Schmerz und Klage</l><lb/>
              <l>Ueber ohne dich verdarbte Tage,</l><lb/>
              <l>Die mit deinem Kuß du &#x017F;tillen mußt.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0187] Und den Stern der Liebe ſah ich eilen Dort zum dunkelſcharfen Bergesrand, Auf dem ſchlanken Giebel blitzend weilen, Wie ein zitternd Feuer, eh' er ſchwand. Im Entweichen Gab der Freund am Himmel mir ein Zeichen, Wann er über meinem Glücke ſtand. Längſt verſunken glaubt' ich's in der Ferne, Das ſo nahe mir verborgen lag! Wer verſteht den ſtillen Wink der Sterne Vor dem rechten, dem beſtimmten Tag? Vor der Stunde, Die ihn zieht zu dem erſehnten Bunde, Den nicht Tod noch Leben trennen mag? Lang vorüber ging ich deiner Liebe Durch den Staub des Lebens unbewußt, Daß zur Wonne mir die Klage bliebe Und ein leiſer Schmerz in ſel'ger Bruſt — Schmerz und Klage Ueber ohne dich verdarbte Tage, Die mit deinem Kuß du ſtillen mußt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/187
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/187>, abgerufen am 25.11.2024.