Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Der todte Achill.
Im Vatican vor dem vergilbten Marmorsarg,
Dem ringsum bildgeschmückten, träumt' ich heute lang,
Betrachtend seines feinen Zierats üpp'gen Kranz:
Thetis entführt den Sohn, den Rufer in der Schlacht,
Den Renner, dem die Knie' erschlafften, welchem schwer
Die Lider sanken -- von Delphinen rings umtanzt --
Im Muschelwagen durch des Meers erregte Fluth.
Tritonen, bis zum Schuppengurt umbrandete,
Bärt'ge Gesellen, schilfbekränztes, stumpfes Volk,
Geberden sich als Pferdelenker. Es bedarf
Der muth'gen Rosse Paar, das, Haupt an kühnem Haupt,
Die weite Fluth durchrudert mit dem Schlag des Hufs,
Des Zügels nicht! In des Peliden Waffen hat
Sich schäkernd ein leichtsinniges Gesind getheilt:
Die Nereiden. Eine hebt das Schwert und zieht's
Und lacht und haut und sticht und wundet Licht und Luft.
Ein schlankes Mädchen zielt mit rückgebognem Arm,
In schwach geballter Faust den unbesiegten Speer,
Der auf und nieder, wie der Wage Balken, schwankt.
Die dritte schiebt der blanken Schulter feinen Bug
Dem Erzschild unter, ganz als zöge sie zu Feld,
Dann deckt damit den sanften Busen gaukelnd sie,
Als schirmt' das Eisen eines Kriegers tapf're Brust.
Die vierte -- Held, du zürntest, schlummertest du nicht! --
Setzt jubelnd sich den Helm, den wildumflatterten,
Auf das gedankenlose Haupt und nickt damit.
Scherzt, Kinder! Nur mit dir ein Wort, Vollendeter!
C. F. Meyer, Gedichte. 9
Der todte Achill.
Im Vatican vor dem vergilbten Marmorſarg,
Dem ringsum bildgeſchmückten, träumt' ich heute lang,
Betrachtend ſeines feinen Zierats üpp'gen Kranz:
Thetis entführt den Sohn, den Rufer in der Schlacht,
Den Renner, dem die Knie' erſchlafften, welchem ſchwer
Die Lider ſanken — von Delphinen rings umtanzt —
Im Muſchelwagen durch des Meers erregte Fluth.
Tritonen, bis zum Schuppengurt umbrandete,
Bärt'ge Geſellen, ſchilfbekränztes, ſtumpfes Volk,
Geberden ſich als Pferdelenker. Es bedarf
Der muth'gen Roſſe Paar, das, Haupt an kühnem Haupt,
Die weite Fluth durchrudert mit dem Schlag des Hufs,
Des Zügels nicht! In des Peliden Waffen hat
Sich ſchäkernd ein leichtſinniges Geſind getheilt:
Die Nereiden. Eine hebt das Schwert und zieht's
Und lacht und haut und ſticht und wundet Licht und Luft.
Ein ſchlankes Mädchen zielt mit rückgebognem Arm,
In ſchwach geballter Fauſt den unbeſiegten Speer,
Der auf und nieder, wie der Wage Balken, ſchwankt.
Die dritte ſchiebt der blanken Schulter feinen Bug
Dem Erzſchild unter, ganz als zöge ſie zu Feld,
Dann deckt damit den ſanften Buſen gaukelnd ſie,
Als ſchirmt' das Eiſen eines Kriegers tapf're Bruſt.
Die vierte — Held, du zürnteſt, ſchlummerteſt du nicht! —
Setzt jubelnd ſich den Helm, den wildumflatterten,
Auf das gedankenloſe Haupt und nickt damit.
Scherzt, Kinder! Nur mit dir ein Wort, Vollendeter!
C. F. Meyer, Gedichte. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0143" n="129"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der todte Achill.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l>Im Vatican vor dem vergilbten Marmor&#x017F;arg,</l><lb/>
            <l>Dem ringsum bildge&#x017F;chmückten, träumt' ich heute lang,</l><lb/>
            <l>Betrachtend &#x017F;eines feinen Zierats üpp'gen Kranz:</l><lb/>
            <l>Thetis entführt den Sohn, den Rufer in der Schlacht,</l><lb/>
            <l>Den Renner, dem die Knie' er&#x017F;chlafften, welchem &#x017F;chwer</l><lb/>
            <l>Die Lider &#x017F;anken &#x2014; von Delphinen rings umtanzt &#x2014;</l><lb/>
            <l>Im Mu&#x017F;chelwagen durch des Meers erregte Fluth.</l><lb/>
            <l>Tritonen, bis zum Schuppengurt umbrandete,</l><lb/>
            <l>Bärt'ge Ge&#x017F;ellen, &#x017F;chilfbekränztes, &#x017F;tumpfes Volk,</l><lb/>
            <l>Geberden &#x017F;ich als Pferdelenker. Es bedarf</l><lb/>
            <l>Der muth'gen Ro&#x017F;&#x017F;e Paar, das, Haupt an kühnem Haupt,</l><lb/>
            <l>Die weite Fluth durchrudert mit dem Schlag des Hufs,</l><lb/>
            <l>Des Zügels nicht! In des Peliden Waffen hat</l><lb/>
            <l>Sich &#x017F;chäkernd ein leicht&#x017F;inniges Ge&#x017F;ind getheilt:</l><lb/>
            <l>Die Nereiden. Eine hebt das Schwert und zieht's</l><lb/>
            <l>Und lacht und haut und &#x017F;ticht und wundet Licht und Luft.</l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;chlankes Mädchen zielt mit rückgebognem Arm,</l><lb/>
            <l>In &#x017F;chwach geballter Fau&#x017F;t den unbe&#x017F;iegten Speer,</l><lb/>
            <l>Der auf und nieder, wie der Wage Balken, &#x017F;chwankt.</l><lb/>
            <l>Die dritte &#x017F;chiebt der blanken Schulter feinen Bug</l><lb/>
            <l>Dem Erz&#x017F;child unter, ganz als zöge &#x017F;ie zu Feld,</l><lb/>
            <l>Dann deckt damit den &#x017F;anften Bu&#x017F;en gaukelnd &#x017F;ie,</l><lb/>
            <l>Als &#x017F;chirmt' das Ei&#x017F;en eines Kriegers tapf're Bru&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Die vierte &#x2014; Held, du zürnte&#x017F;t, &#x017F;chlummerte&#x017F;t du nicht! &#x2014;</l><lb/>
            <l>Setzt jubelnd &#x017F;ich den Helm, den wildumflatterten,</l><lb/>
            <l>Auf das gedankenlo&#x017F;e Haupt und nickt damit.</l><lb/>
            <l>Scherzt, Kinder! Nur mit dir ein Wort, Vollendeter!</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">C. F. <hi rendition="#g">Meyer</hi>, Gedichte. 9<lb/></fw>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] Der todte Achill. Im Vatican vor dem vergilbten Marmorſarg, Dem ringsum bildgeſchmückten, träumt' ich heute lang, Betrachtend ſeines feinen Zierats üpp'gen Kranz: Thetis entführt den Sohn, den Rufer in der Schlacht, Den Renner, dem die Knie' erſchlafften, welchem ſchwer Die Lider ſanken — von Delphinen rings umtanzt — Im Muſchelwagen durch des Meers erregte Fluth. Tritonen, bis zum Schuppengurt umbrandete, Bärt'ge Geſellen, ſchilfbekränztes, ſtumpfes Volk, Geberden ſich als Pferdelenker. Es bedarf Der muth'gen Roſſe Paar, das, Haupt an kühnem Haupt, Die weite Fluth durchrudert mit dem Schlag des Hufs, Des Zügels nicht! In des Peliden Waffen hat Sich ſchäkernd ein leichtſinniges Geſind getheilt: Die Nereiden. Eine hebt das Schwert und zieht's Und lacht und haut und ſticht und wundet Licht und Luft. Ein ſchlankes Mädchen zielt mit rückgebognem Arm, In ſchwach geballter Fauſt den unbeſiegten Speer, Der auf und nieder, wie der Wage Balken, ſchwankt. Die dritte ſchiebt der blanken Schulter feinen Bug Dem Erzſchild unter, ganz als zöge ſie zu Feld, Dann deckt damit den ſanften Buſen gaukelnd ſie, Als ſchirmt' das Eiſen eines Kriegers tapf're Bruſt. Die vierte — Held, du zürnteſt, ſchlummerteſt du nicht! — Setzt jubelnd ſich den Helm, den wildumflatterten, Auf das gedankenloſe Haupt und nickt damit. Scherzt, Kinder! Nur mit dir ein Wort, Vollendeter! C. F. Meyer, Gedichte. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/143
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/143>, abgerufen am 23.11.2024.