Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

eingewölbt, und die so entstandenen Kappen, wie aMe., noch wieder
durch die Gurten ap. und pM. verkleinert. Den Namen haben diese
Arten von Gewölben von der sternartigen Form, welche die Grade
bilden, erhalten.

Jm Scheitel stoßen alle diese Grade zusammen, und bilden den
Schlußstein M. Man übersieht sehr leicht, daß man sich diesen Schluß-
stein bei jedem Kreuz- und Sterngewölbe als einen eingewölbten
Kranz denken kann, so daß also im Scheitel des Gewölbes anstatt
des Schlußsteines, ein offnes, beliebig großes Loch verbleibt.

Der um das Loch kreisrund herumlaufende Kranz erhält die
Stärke der Gradbogen, und in den altdeutschen Kirchen findet man
solche Oeffnungen in den Scheiteln der Gewölbe, als Schall- oder
Luftlöcher angebracht. Man hat aber dergleichen Sterngewölbe auch
oft nur deswegen angeordnet, um durch die Vermehrung der Gurten
der Gewölbefläche eine zierlichere Form zu geben.

Wir haben bei dieser Gelegenheit noch der sogenannten hän-
genden Gewölbe
zu gedenken. Taf. VI. Fig. 133. zeigt den
Durchschnitt eines solchen.

Man stelle sich das Kreuzgewölbe in seinen Gurten und Gra-
den aufgeführt vor, nur die Kappen fehlten noch. Wenn man nun
im Scheitelpunkte der Grade bei S. durch den Schlußstein sich einen
eisernen Bolzen Sa. gehängt denken will, welcher in a. einen Consol
trägt, und von diesem Consol aus wieder Grade nach den ersten Gra-
den und Gurten spannt, und dazwischen Kappen in gewöhnlicher Art
einspannt, so entsteht das geforderte hängende Gewölbe, welches an
dem Bolzen Sa. hängt, und von den zuerst errichteten Gewölbegurten
getragen und in der Schwebe gehalten wird.

Es ist eine solche Anordnung nichts weiter als eine Spielerei,
welche die Last unnöthig vermehrt, und überdieß den innern Raum
des Gewölbes kleiner macht, als er bei gewöhnlicher Anordnung
der Kappen geworden wäre.

Taf. VIII. Fig. 174. 176. u. 177. zeigen ein sogenanntes Nor-
männisches oder Fächergewölbe.
Es hat seinen Namen da-
von, daß die normännischen Abkömmlinge in England sich dieser Wöl-
bungsart gern und vielfach, besonders bei kleineren Räumen, wie bei
Kapellen und Sälen bedienten, und dann von der fächerartigen Form,
welche die Gewölberippen (Grade) bilden.

Als Unterschied gegen den hohen altdeutschen Spitzbogen ergiebt
sich, daß bei dem normännischen Gewölbe der Bogen aus zwei sich

eingewölbt, und die ſo entſtandenen Kappen, wie aMe., noch wieder
durch die Gurten ap. und pM. verkleinert. Den Namen haben dieſe
Arten von Gewölben von der ſternartigen Form, welche die Grade
bilden, erhalten.

Jm Scheitel ſtoßen alle dieſe Grade zuſammen, und bilden den
Schlußſtein M. Man überſieht ſehr leicht, daß man ſich dieſen Schluß-
ſtein bei jedem Kreuz- und Sterngewölbe als einen eingewölbten
Kranz denken kann, ſo daß alſo im Scheitel des Gewölbes anſtatt
des Schlußſteines, ein offnes, beliebig großes Loch verbleibt.

Der um das Loch kreisrund herumlaufende Kranz erhält die
Stärke der Gradbogen, und in den altdeutſchen Kirchen findet man
ſolche Oeffnungen in den Scheiteln der Gewölbe, als Schall- oder
Luftlöcher angebracht. Man hat aber dergleichen Sterngewölbe auch
oft nur deswegen angeordnet, um durch die Vermehrung der Gurten
der Gewölbefläche eine zierlichere Form zu geben.

Wir haben bei dieſer Gelegenheit noch der ſogenannten hän-
genden Gewölbe
zu gedenken. Taf. VI. Fig. 133. zeigt den
Durchſchnitt eines ſolchen.

Man ſtelle ſich das Kreuzgewölbe in ſeinen Gurten und Gra-
den aufgeführt vor, nur die Kappen fehlten noch. Wenn man nun
im Scheitelpunkte der Grade bei S. durch den Schlußſtein ſich einen
eiſernen Bolzen Sa. gehängt denken will, welcher in a. einen Conſol
trägt, und von dieſem Conſol aus wieder Grade nach den erſten Gra-
den und Gurten ſpannt, und dazwiſchen Kappen in gewöhnlicher Art
einſpannt, ſo entſteht das geforderte hängende Gewölbe, welches an
dem Bolzen Sa. hängt, und von den zuerſt errichteten Gewölbegurten
getragen und in der Schwebe gehalten wird.

Es iſt eine ſolche Anordnung nichts weiter als eine Spielerei,
welche die Laſt unnöthig vermehrt, und überdieß den innern Raum
des Gewölbes kleiner macht, als er bei gewöhnlicher Anordnung
der Kappen geworden wäre.

Taf. VIII. Fig. 174. 176. u. 177. zeigen ein ſogenanntes Nor-
männiſches oder Fächergewölbe.
Es hat ſeinen Namen da-
von, daß die normänniſchen Abkömmlinge in England ſich dieſer Wöl-
bungsart gern und vielfach, beſonders bei kleineren Räumen, wie bei
Kapellen und Sälen bedienten, und dann von der fächerartigen Form,
welche die Gewölberippen (Grade) bilden.

Als Unterſchied gegen den hohen altdeutſchen Spitzbogen ergiebt
ſich, daß bei dem normänniſchen Gewölbe der Bogen aus zwei ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="217"/>
eingewölbt, und die &#x017F;o ent&#x017F;tandenen Kappen, wie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">aMe.</hi></hi>, noch wieder<lb/>
durch die Gurten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ap.</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">pM.</hi></hi> verkleinert. Den Namen haben die&#x017F;e<lb/>
Arten von Gewölben von der &#x017F;ternartigen Form, welche die Grade<lb/>
bilden, erhalten.</p><lb/>
          <p>Jm Scheitel &#x017F;toßen alle die&#x017F;e Grade zu&#x017F;ammen, und bilden den<lb/>
Schluß&#x017F;tein <hi rendition="#aq">M.</hi> Man über&#x017F;ieht &#x017F;ehr leicht, daß man &#x017F;ich die&#x017F;en Schluß-<lb/>
&#x017F;tein bei jedem Kreuz- und Sterngewölbe als einen eingewölbten<lb/>
Kranz denken kann, &#x017F;o daß al&#x017F;o im Scheitel des Gewölbes an&#x017F;tatt<lb/>
des Schluß&#x017F;teines, ein offnes, beliebig großes Loch verbleibt.</p><lb/>
          <p>Der um das Loch kreisrund herumlaufende Kranz erhält die<lb/>
Stärke der Gradbogen, und in den altdeut&#x017F;chen Kirchen findet man<lb/>
&#x017F;olche Oeffnungen in den Scheiteln der Gewölbe, als Schall- oder<lb/>
Luftlöcher angebracht. Man hat aber dergleichen Sterngewölbe auch<lb/>
oft nur deswegen angeordnet, um durch die Vermehrung der Gurten<lb/>
der Gewölbefläche eine zierlichere Form zu geben.</p><lb/>
          <p>Wir haben bei die&#x017F;er Gelegenheit noch der &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">hän-<lb/>
genden Gewölbe</hi> zu gedenken. Taf. <hi rendition="#aq">VI.</hi> Fig. 133. zeigt den<lb/>
Durch&#x017F;chnitt eines &#x017F;olchen.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;telle &#x017F;ich das Kreuzgewölbe in &#x017F;einen Gurten und Gra-<lb/>
den aufgeführt vor, nur die Kappen fehlten noch. Wenn man nun<lb/>
im Scheitelpunkte der Grade bei <hi rendition="#aq">S.</hi> durch den Schluß&#x017F;tein &#x017F;ich einen<lb/>
ei&#x017F;ernen Bolzen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Sa.</hi></hi> gehängt denken will, welcher in <hi rendition="#aq">a.</hi> einen Con&#x017F;ol<lb/>
trägt, und von die&#x017F;em Con&#x017F;ol aus wieder Grade nach den er&#x017F;ten Gra-<lb/>
den und Gurten &#x017F;pannt, und dazwi&#x017F;chen Kappen in gewöhnlicher Art<lb/>
ein&#x017F;pannt, &#x017F;o ent&#x017F;teht das geforderte hängende Gewölbe, welches an<lb/>
dem Bolzen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Sa.</hi></hi> hängt, und von den zuer&#x017F;t errichteten Gewölbegurten<lb/>
getragen und in der Schwebe gehalten wird.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t eine &#x017F;olche Anordnung nichts weiter als eine Spielerei,<lb/>
welche die La&#x017F;t unnöthig vermehrt, und überdieß den innern Raum<lb/>
des Gewölbes <hi rendition="#g">kleiner</hi> macht, als er bei gewöhnlicher Anordnung<lb/>
der Kappen geworden wäre.</p><lb/>
          <p>Taf. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Fig. 174. 176. u. 177. zeigen ein &#x017F;ogenanntes <hi rendition="#g">Nor-<lb/>
männi&#x017F;ches oder Fächergewölbe.</hi> Es hat &#x017F;einen Namen da-<lb/>
von, daß die normänni&#x017F;chen Abkömmlinge in England &#x017F;ich die&#x017F;er Wöl-<lb/>
bungsart gern und vielfach, be&#x017F;onders bei kleineren Räumen, wie bei<lb/>
Kapellen und Sälen bedienten, und dann von der fächerartigen Form,<lb/>
welche die Gewölberippen (Grade) bilden.</p><lb/>
          <p>Als Unter&#x017F;chied gegen den hohen altdeut&#x017F;chen Spitzbogen ergiebt<lb/>
&#x017F;ich, daß bei dem normänni&#x017F;chen Gewölbe der Bogen aus zwei &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0227] eingewölbt, und die ſo entſtandenen Kappen, wie aMe., noch wieder durch die Gurten ap. und pM. verkleinert. Den Namen haben dieſe Arten von Gewölben von der ſternartigen Form, welche die Grade bilden, erhalten. Jm Scheitel ſtoßen alle dieſe Grade zuſammen, und bilden den Schlußſtein M. Man überſieht ſehr leicht, daß man ſich dieſen Schluß- ſtein bei jedem Kreuz- und Sterngewölbe als einen eingewölbten Kranz denken kann, ſo daß alſo im Scheitel des Gewölbes anſtatt des Schlußſteines, ein offnes, beliebig großes Loch verbleibt. Der um das Loch kreisrund herumlaufende Kranz erhält die Stärke der Gradbogen, und in den altdeutſchen Kirchen findet man ſolche Oeffnungen in den Scheiteln der Gewölbe, als Schall- oder Luftlöcher angebracht. Man hat aber dergleichen Sterngewölbe auch oft nur deswegen angeordnet, um durch die Vermehrung der Gurten der Gewölbefläche eine zierlichere Form zu geben. Wir haben bei dieſer Gelegenheit noch der ſogenannten hän- genden Gewölbe zu gedenken. Taf. VI. Fig. 133. zeigt den Durchſchnitt eines ſolchen. Man ſtelle ſich das Kreuzgewölbe in ſeinen Gurten und Gra- den aufgeführt vor, nur die Kappen fehlten noch. Wenn man nun im Scheitelpunkte der Grade bei S. durch den Schlußſtein ſich einen eiſernen Bolzen Sa. gehängt denken will, welcher in a. einen Conſol trägt, und von dieſem Conſol aus wieder Grade nach den erſten Gra- den und Gurten ſpannt, und dazwiſchen Kappen in gewöhnlicher Art einſpannt, ſo entſteht das geforderte hängende Gewölbe, welches an dem Bolzen Sa. hängt, und von den zuerſt errichteten Gewölbegurten getragen und in der Schwebe gehalten wird. Es iſt eine ſolche Anordnung nichts weiter als eine Spielerei, welche die Laſt unnöthig vermehrt, und überdieß den innern Raum des Gewölbes kleiner macht, als er bei gewöhnlicher Anordnung der Kappen geworden wäre. Taf. VIII. Fig. 174. 176. u. 177. zeigen ein ſogenanntes Nor- männiſches oder Fächergewölbe. Es hat ſeinen Namen da- von, daß die normänniſchen Abkömmlinge in England ſich dieſer Wöl- bungsart gern und vielfach, beſonders bei kleineren Räumen, wie bei Kapellen und Sälen bedienten, und dann von der fächerartigen Form, welche die Gewölberippen (Grade) bilden. Als Unterſchied gegen den hohen altdeutſchen Spitzbogen ergiebt ſich, daß bei dem normänniſchen Gewölbe der Bogen aus zwei ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/227
Zitationshilfe: Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/227>, abgerufen am 28.11.2024.