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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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zu belustigen, und wetteifern um den Effect, und da
sie sich nicht mehr nach dem innern Genius allein,
sondern nach dem Beifall von außen richten, so äng¬
stigen sie sich um den Ruhm, und gehn auf Stelzen,
um sich einer über den andern zu erheben.

Oder ist es anders? Bei den wahrhaft großen
und originellen Dichtern allerdings. Bei ihnen ist
noch immer, wie bei den ältesten Sängern der Vor¬
welt, die Poesie Leben, und sie dichten, weil und
wie sie müssen, nur vom innern Genius getrieben
und unbekümmert um den Beifall. Doch der große
Haufen der Dichter ist von der Art, wie ich ihn eben
beschrieben, und gerade das Daseyn dieses großen
Haufens charakterisirt unsre Periode. Aber selbst
unsre besten Dichter müssen der Zeit ihren Tribut
zollen. Sie sind einmal Kinder dieser Zeit, und der
Naturgeist, der in ihnen waltet, geht aus der Natur
unsrer Zeit hervor. Wie Kinder eines Schauspie¬
lers müssen sie selbst Schauspieler werden, die Rol¬
len werden ihnen gleichsam angeboren.

Universalität ist der Charakter dieser Zeit.
Man ist alles in allem. Man versetzt sich in alle
Zeiten und Länder, man ahmt alles nach. Die Bil¬
der der fernsten Vorwelt, der fremdesten Natur mi¬
schen sich täglich in die Bilder der Gegenwart. Wir
reisen an einem Tage durch alle Zonen, durch alle
Zeitalter, und unser Zimmer, in dem wir ruhig sitzen
bleiben, wird die Mithrahöhle, an deren Wänden
Welt und Himmel sich spiegeln. Die alten Dichter

zu beluſtigen, und wetteifern um den Effect, und da
ſie ſich nicht mehr nach dem innern Genius allein,
ſondern nach dem Beifall von außen richten, ſo aͤng¬
ſtigen ſie ſich um den Ruhm, und gehn auf Stelzen,
um ſich einer uͤber den andern zu erheben.

Oder iſt es anders? Bei den wahrhaft großen
und originellen Dichtern allerdings. Bei ihnen iſt
noch immer, wie bei den aͤlteſten Saͤngern der Vor¬
welt, die Poeſie Leben, und ſie dichten, weil und
wie ſie muͤſſen, nur vom innern Genius getrieben
und unbekuͤmmert um den Beifall. Doch der große
Haufen der Dichter iſt von der Art, wie ich ihn eben
beſchrieben, und gerade das Daſeyn dieſes großen
Haufens charakteriſirt unſre Periode. Aber ſelbſt
unſre beſten Dichter muͤſſen der Zeit ihren Tribut
zollen. Sie ſind einmal Kinder dieſer Zeit, und der
Naturgeiſt, der in ihnen waltet, geht aus der Natur
unſrer Zeit hervor. Wie Kinder eines Schauſpie¬
lers muͤſſen ſie ſelbſt Schauſpieler werden, die Rol¬
len werden ihnen gleichſam angeboren.

Univerſalitaͤt iſt der Charakter dieſer Zeit.
Man iſt alles in allem. Man verſetzt ſich in alle
Zeiten und Laͤnder, man ahmt alles nach. Die Bil¬
der der fernſten Vorwelt, der fremdeſten Natur mi¬
ſchen ſich taͤglich in die Bilder der Gegenwart. Wir
reiſen an einem Tage durch alle Zonen, durch alle
Zeitalter, und unſer Zimmer, in dem wir ruhig ſitzen
bleiben, wird die Mithrahoͤhle, an deren Waͤnden
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[63/0073] zu beluſtigen, und wetteifern um den Effect, und da ſie ſich nicht mehr nach dem innern Genius allein, ſondern nach dem Beifall von außen richten, ſo aͤng¬ ſtigen ſie ſich um den Ruhm, und gehn auf Stelzen, um ſich einer uͤber den andern zu erheben. Oder iſt es anders? Bei den wahrhaft großen und originellen Dichtern allerdings. Bei ihnen iſt noch immer, wie bei den aͤlteſten Saͤngern der Vor¬ welt, die Poeſie Leben, und ſie dichten, weil und wie ſie muͤſſen, nur vom innern Genius getrieben und unbekuͤmmert um den Beifall. Doch der große Haufen der Dichter iſt von der Art, wie ich ihn eben beſchrieben, und gerade das Daſeyn dieſes großen Haufens charakteriſirt unſre Periode. Aber ſelbſt unſre beſten Dichter muͤſſen der Zeit ihren Tribut zollen. Sie ſind einmal Kinder dieſer Zeit, und der Naturgeiſt, der in ihnen waltet, geht aus der Natur unſrer Zeit hervor. Wie Kinder eines Schauſpie¬ lers muͤſſen ſie ſelbſt Schauſpieler werden, die Rol¬ len werden ihnen gleichſam angeboren. Univerſalitaͤt iſt der Charakter dieſer Zeit. Man iſt alles in allem. Man verſetzt ſich in alle Zeiten und Laͤnder, man ahmt alles nach. Die Bil¬ der der fernſten Vorwelt, der fremdeſten Natur mi¬ ſchen ſich taͤglich in die Bilder der Gegenwart. Wir reiſen an einem Tage durch alle Zonen, durch alle Zeitalter, und unſer Zimmer, in dem wir ruhig ſitzen bleiben, wird die Mithrahoͤhle, an deren Waͤnden Welt und Himmel ſich ſpiegeln. Die alten Dichter

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/73>, abgerufen am 30.11.2024.