Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.von jeher gestritten hat. Der Streit ist fruchtbar, Die Polemik ist ein giftiges Unkraut in den Schrif¬ Da die Deutschen als ein Binnenvolk auf sich Deutsche Literatur. II. 2
von jeher geſtritten hat. Der Streit iſt fruchtbar, Die Polemik iſt ein giftiges Unkraut in den Schrif¬ Da die Deutſchen als ein Binnenvolk auf ſich Deutſche Literatur. II. 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="25"/> von jeher geſtritten hat. Der Streit iſt fruchtbar,<lb/> da er wiſſenſchaftlichen Wetteifer hervorruft, und er<lb/> fuͤhrt nothwendig immer zuletzt zur Naturphiloſophie.<lb/> Die Art, wie die Naturforſcher zanken, iſt aber<lb/> nicht immer erbaulich. Sie haben darin etwas mit<lb/> den Tonkuͤnſtlern gemein, die auch ganz bitterboͤſe<lb/> werden koͤnnen, und doch ſind ſie beide an eine ſo<lb/> unſchuldige und heitre Welt gewieſen.</p><lb/> <p>Die Polemik iſt ein giftiges Unkraut in den Schrif¬<lb/> ten der Naturforſcher. Dieſe Schriften haben aber<lb/> noch manches andre, was gerechten Tadel verdient.<lb/> In einigen finden wir einen gehaͤſſigen Materialis¬<lb/> mus gepredigt, der ſchielende boͤsartige Blicke auf<lb/> alles ſogenannte Wunderbare wirft, und uns allen<lb/> myſtiſchen Zauber der Natur in baare nackte Proſa<lb/> aufloͤſen moͤchte. In andern wird dagegen der Name<lb/> Gottes gemißbraucht, und der triviale Gedanke, daß<lb/> Gott in Sonnen und auch im kleinſten Wurme<lb/> ſich offenbare, bis zum Ekel wiederholt. Beſonders<lb/> geſchieht dies in den populaͤren Schriften, die uͤber¬<lb/> haupt beſſer abgefaßt ſeyn koͤnnten. Oken's Natur¬<lb/> geſchichte ſteht einſam unter einer Suͤndfluth der fa¬<lb/> deſten Schulbuͤcher, welche der Jugend den geſunden<lb/> Blick in die Natur verwirren und den Geſchmack<lb/> daran verleiden. —</p><lb/> <p>Da die Deutſchen als ein Binnenvolk auf ſich<lb/> ſelbſt beſchraͤnkt ſind, ſo haben ſie in der <hi rendition="#g">Erdkunde</hi><lb/> das nicht leiſten koͤnnen, was die Franzoſen und Eng¬<lb/> laͤnder. Sie reiſten nicht in andre Welttheile und<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Deutſche Literatur. <hi rendition="#aq">II</hi>. 2<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0035]
von jeher geſtritten hat. Der Streit iſt fruchtbar,
da er wiſſenſchaftlichen Wetteifer hervorruft, und er
fuͤhrt nothwendig immer zuletzt zur Naturphiloſophie.
Die Art, wie die Naturforſcher zanken, iſt aber
nicht immer erbaulich. Sie haben darin etwas mit
den Tonkuͤnſtlern gemein, die auch ganz bitterboͤſe
werden koͤnnen, und doch ſind ſie beide an eine ſo
unſchuldige und heitre Welt gewieſen.
Die Polemik iſt ein giftiges Unkraut in den Schrif¬
ten der Naturforſcher. Dieſe Schriften haben aber
noch manches andre, was gerechten Tadel verdient.
In einigen finden wir einen gehaͤſſigen Materialis¬
mus gepredigt, der ſchielende boͤsartige Blicke auf
alles ſogenannte Wunderbare wirft, und uns allen
myſtiſchen Zauber der Natur in baare nackte Proſa
aufloͤſen moͤchte. In andern wird dagegen der Name
Gottes gemißbraucht, und der triviale Gedanke, daß
Gott in Sonnen und auch im kleinſten Wurme
ſich offenbare, bis zum Ekel wiederholt. Beſonders
geſchieht dies in den populaͤren Schriften, die uͤber¬
haupt beſſer abgefaßt ſeyn koͤnnten. Oken's Natur¬
geſchichte ſteht einſam unter einer Suͤndfluth der fa¬
deſten Schulbuͤcher, welche der Jugend den geſunden
Blick in die Natur verwirren und den Geſchmack
daran verleiden. —
Da die Deutſchen als ein Binnenvolk auf ſich
ſelbſt beſchraͤnkt ſind, ſo haben ſie in der Erdkunde
das nicht leiſten koͤnnen, was die Franzoſen und Eng¬
laͤnder. Sie reiſten nicht in andre Welttheile und
Deutſche Literatur. II. 2
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