Die großartige Naturansicht unsres Humboldt ist rein aus Erfahrung hervorgegangen, aber aus einer unermeßlichen Erfahrung, deren Boden der Erdkreis, nicht blos ein enges Studierzimmer gewesen ist; der zweite größte Empiriker unsrer Tage, der scharfsin¬ nige Örsted ist mit seinen Entdeckungen den kühnsten Schlüssen der Philosophen vorangeeilt und um das Zusammenwirken einer gründlichen Empirie und Phi¬ losophie am augenfälligsten zu erkennen, dürfen wir nur an Oken denken. Wer mag behaupten, daß seine große zoologische Lehre mehr aus Erfahrung oder aus Speculation entsprungen sey?
Die Naturerfahrung hat sich nach allen Richtun¬ gen ausgebildet, und eben dadurch ist erst die Natur¬ philosophie möglich geworden. In allen einzelnen Na¬ turreichen ist unermeßlich geforscht, entdeckt, gesam¬ melt worden, und andre Nationen haben darin mit den Deutschen gewetteifert oder sind ihnen Muster gewesen. Von der großen europäischen Gelehrten¬ republik sind vorzugsweise nur die Naturforscher gleich¬ sam als ein Ausschuß zurückgeblieben, und scheinen zu warten, bis sich die andern Fakultäten wieder mit ihnen vereinigen werden. Nur sie sind sich vertraut und verwandt geblieben in allen Ländern, darum ha¬ ben sie aber auch für ihre Wissenschaft, stark durch den Verein, mehr geleistet, als für irgend eine an¬ dre Wissenschaft geleistet werden konnte. Man kann nicht sagen, daß in unsrem Zeitalter das eine oder andre Gebiet der Naturkunde mehr angebaut worden
Die großartige Naturanſicht unſres Humboldt iſt rein aus Erfahrung hervorgegangen, aber aus einer unermeßlichen Erfahrung, deren Boden der Erdkreis, nicht blos ein enges Studierzimmer geweſen iſt; der zweite groͤßte Empiriker unſrer Tage, der ſcharfſin¬ nige Örſted iſt mit ſeinen Entdeckungen den kuͤhnſten Schluͤſſen der Philoſophen vorangeeilt und um das Zuſammenwirken einer gruͤndlichen Empirie und Phi¬ loſophie am augenfaͤlligſten zu erkennen, duͤrfen wir nur an Oken denken. Wer mag behaupten, daß ſeine große zoologiſche Lehre mehr aus Erfahrung oder aus Speculation entſprungen ſey?
Die Naturerfahrung hat ſich nach allen Richtun¬ gen ausgebildet, und eben dadurch iſt erſt die Natur¬ philoſophie moͤglich geworden. In allen einzelnen Na¬ turreichen iſt unermeßlich geforſcht, entdeckt, geſam¬ melt worden, und andre Nationen haben darin mit den Deutſchen gewetteifert oder ſind ihnen Muſter geweſen. Von der großen europaͤiſchen Gelehrten¬ republik ſind vorzugsweiſe nur die Naturforſcher gleich¬ ſam als ein Ausſchuß zuruͤckgeblieben, und ſcheinen zu warten, bis ſich die andern Fakultaͤten wieder mit ihnen vereinigen werden. Nur ſie ſind ſich vertraut und verwandt geblieben in allen Laͤndern, darum ha¬ ben ſie aber auch fuͤr ihre Wiſſenſchaft, ſtark durch den Verein, mehr geleiſtet, als fuͤr irgend eine an¬ dre Wiſſenſchaft geleiſtet werden konnte. Man kann nicht ſagen, daß in unſrem Zeitalter das eine oder andre Gebiet der Naturkunde mehr angebaut worden
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Die großartige Naturanſicht unſres Humboldt iſt
rein aus Erfahrung hervorgegangen, aber aus einer
unermeßlichen Erfahrung, deren Boden der Erdkreis,
nicht blos ein enges Studierzimmer geweſen iſt; der
zweite groͤßte Empiriker unſrer Tage, der ſcharfſin¬
nige Örſted iſt mit ſeinen Entdeckungen den kuͤhnſten
Schluͤſſen der Philoſophen vorangeeilt und um das
Zuſammenwirken einer gruͤndlichen Empirie und Phi¬
loſophie am augenfaͤlligſten zu erkennen, duͤrfen wir
nur an Oken denken. Wer mag behaupten, daß ſeine
große zoologiſche Lehre mehr aus Erfahrung oder
aus Speculation entſprungen ſey?
Die Naturerfahrung hat ſich nach allen Richtun¬
gen ausgebildet, und eben dadurch iſt erſt die Natur¬
philoſophie moͤglich geworden. In allen einzelnen Na¬
turreichen iſt unermeßlich geforſcht, entdeckt, geſam¬
melt worden, und andre Nationen haben darin mit
den Deutſchen gewetteifert oder ſind ihnen Muſter
geweſen. Von der großen europaͤiſchen Gelehrten¬
republik ſind vorzugsweiſe nur die Naturforſcher gleich¬
ſam als ein Ausſchuß zuruͤckgeblieben, und ſcheinen
zu warten, bis ſich die andern Fakultaͤten wieder mit
ihnen vereinigen werden. Nur ſie ſind ſich vertraut
und verwandt geblieben in allen Laͤndern, darum ha¬
ben ſie aber auch fuͤr ihre Wiſſenſchaft, ſtark durch
den Verein, mehr geleiſtet, als fuͤr irgend eine an¬
dre Wiſſenſchaft geleiſtet werden konnte. Man kann
nicht ſagen, daß in unſrem Zeitalter das eine oder
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/32>, abgerufen am 25.11.2024.
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