französischen Geschmacks, daß man auch nur nach des¬ sen Muster, besonders in satyrischen Briefen oder komischen Heldengedichten zu spotten wagte, wie Za¬ chariä. Diesem Geschmack huldigten zum Theil auch noch Thümmel und Wieland. Dann folgte die An¬ glomanie und Rabener copirte den Swift, Miller, Nicolai, Schummel den Sterne und Smollet. Seit Molliere und Hollberg kamen endlich auch gute Sa¬ tyren auf die Bühne, und indem die komischen Ro¬ mane abnahmen, vervielfältigten sich die Lustspiele, welche Karrikaturen aller Art dem Leben entlehnten. Da indeß die Dichter selten frei genug waren, um die wahre Thorheit im wirklichen Leben zu erkennen, da sie nur allzuhäufig selbst in Thorheiten steckten, oder sich von der Mode beherrschen ließen, so war ihr Spott gewöhnlich sehr zahm, und nicht selten so¬ gar ungerecht, wie man dies am besten bei Kotzebue erkennen kann, welcher so ziemlich der Repräsentant dieser ganzen Gattung ist. Oft wurde die unbehülf¬ liche Ehrlichkeit vom verschmitzten Laster, oft das Unglück vom Hochmuth, oft die Größe vom Neide, oft die Unschuld vom Teufel verspottet.
Unter allen Komikern, welche das moderne Le¬ ben verspottet haben, steht Tieck oben an. Seine Satyren gegen die Thorheiten, welche die moderne Aufklärung hervorgerufen hat, greifen den Schaden bei der Wurzel an, und der Witz wird in demselben Maaße besser, als er treffender ist. Indeß sind Tieck's Lustspiele eben so wenig für die Bühne berechnet, als
franzoͤſiſchen Geſchmacks, daß man auch nur nach deſ¬ ſen Muſter, beſonders in ſatyriſchen Briefen oder komiſchen Heldengedichten zu ſpotten wagte, wie Za¬ chariaͤ. Dieſem Geſchmack huldigten zum Theil auch noch Thuͤmmel und Wieland. Dann folgte die An¬ glomanie und Rabener copirte den Swift, Miller, Nicolai, Schummel den Sterne und Smollet. Seit Molliere und Hollberg kamen endlich auch gute Sa¬ tyren auf die Buͤhne, und indem die komiſchen Ro¬ mane abnahmen, vervielfaͤltigten ſich die Luſtſpiele, welche Karrikaturen aller Art dem Leben entlehnten. Da indeß die Dichter ſelten frei genug waren, um die wahre Thorheit im wirklichen Leben zu erkennen, da ſie nur allzuhaͤufig ſelbſt in Thorheiten ſteckten, oder ſich von der Mode beherrſchen ließen, ſo war ihr Spott gewoͤhnlich ſehr zahm, und nicht ſelten ſo¬ gar ungerecht, wie man dies am beſten bei Kotzebue erkennen kann, welcher ſo ziemlich der Repraͤſentant dieſer ganzen Gattung iſt. Oft wurde die unbehuͤlf¬ liche Ehrlichkeit vom verſchmitzten Laſter, oft das Ungluͤck vom Hochmuth, oft die Groͤße vom Neide, oft die Unſchuld vom Teufel verſpottet.
Unter allen Komikern, welche das moderne Le¬ ben verſpottet haben, ſteht Tieck oben an. Seine Satyren gegen die Thorheiten, welche die moderne Aufklaͤrung hervorgerufen hat, greifen den Schaden bei der Wurzel an, und der Witz wird in demſelben Maaße beſſer, als er treffender iſt. Indeß ſind Tieck's Luſtſpiele eben ſo wenig fuͤr die Buͤhne berechnet, als
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franzoͤſiſchen Geſchmacks, daß man auch nur nach deſ¬
ſen Muſter, beſonders in ſatyriſchen Briefen oder
komiſchen Heldengedichten zu ſpotten wagte, wie Za¬
chariaͤ. Dieſem Geſchmack huldigten zum Theil auch
noch Thuͤmmel und Wieland. Dann folgte die An¬
glomanie und Rabener copirte den Swift, Miller,
Nicolai, Schummel den Sterne und Smollet. Seit
Molliere und Hollberg kamen endlich auch gute Sa¬
tyren auf die Buͤhne, und indem die komiſchen Ro¬
mane abnahmen, vervielfaͤltigten ſich die Luſtſpiele,
welche Karrikaturen aller Art dem Leben entlehnten.
Da indeß die Dichter ſelten frei genug waren, um
die wahre Thorheit im wirklichen Leben zu erkennen,
da ſie nur allzuhaͤufig ſelbſt in Thorheiten ſteckten,
oder ſich von der Mode beherrſchen ließen, ſo war
ihr Spott gewoͤhnlich ſehr zahm, und nicht ſelten ſo¬
gar ungerecht, wie man dies am beſten bei Kotzebue
erkennen kann, welcher ſo ziemlich der Repraͤſentant
dieſer ganzen Gattung iſt. Oft wurde die unbehuͤlf¬
liche Ehrlichkeit vom verſchmitzten Laſter, oft das
Ungluͤck vom Hochmuth, oft die Groͤße vom Neide,
oft die Unſchuld vom Teufel verſpottet.
Unter allen Komikern, welche das moderne Le¬
ben verſpottet haben, ſteht Tieck oben an. Seine
Satyren gegen die Thorheiten, welche die moderne
Aufklaͤrung hervorgerufen hat, greifen den Schaden
bei der Wurzel an, und der Witz wird in demſelben
Maaße beſſer, als er treffender iſt. Indeß ſind Tieck's
Luſtſpiele eben ſo wenig fuͤr die Buͤhne berechnet, als
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/245>, abgerufen am 25.11.2024.
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