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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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zeitig in äußern Handlungen und Thaten offenbarten.
Alles Innerliche tritt aus sich heraus, äußert sich,
wird historisch. In dem Doppelbild der Sagen und
Geschichten ist daher die Seele jener Völker und Zei¬
ten aufgeschlossen, liegt uns ihre Philosophie voll¬
ständig offen. Zwischen der Sage und Geschichte be¬
steht ein geheimnißvolles und unzertrennliches Band.
Wie die Sage stets auf den praktischen Boden der
Geschichte zurückführt, so die Geschichte stets auf das
ideale Gebiet der Sage. Alle Sagen sind historisch,
aber alle Geschichten jener Zeit sind auch wieder
mährchenhaft, bedeutungsvoll und mystisch. In bei¬
den spricht sich das Gemüth der Völker in Thaten
aus, die so wunderbar und ahnungsvoll sind, als
dieses Gemüth selbst. Alle jene Thaten sind sinnlos,
wenn man sie nicht auf jenes Gemüth zurückleitet,
daher die gewöhnliche historische Darstellung des Mit¬
telalters seit der Völkerwanderung so unerträglich ist.
Man muß sie im Sinn der Sage als Offenbarun¬
gen des Volksgemüthes auffassen.

Die Sagen gelten aber nicht nur für ihre Zeit,
es liegt etwas Philosophisches darin, was für alle
Zeiten gilt. Tiefer und zarter als alle unsre specu¬
lativen Definitionen stellen uns die Sagen in einfa¬
chen Bildern die Ideen des Lebens dar. Von dem
ungeheuern Gemälde der Niebelungen bis zum leise¬
sten Farbenzug eines Volksliedes oder Elfenmähr¬
chens entfalten sie die ganze Tiefe des menschlichen
Lebens. Sie sind alle bedeutungsvoll, von geheimem

zeitig in aͤußern Handlungen und Thaten offenbarten.
Alles Innerliche tritt aus ſich heraus, aͤußert ſich,
wird hiſtoriſch. In dem Doppelbild der Sagen und
Geſchichten iſt daher die Seele jener Voͤlker und Zei¬
ten aufgeſchloſſen, liegt uns ihre Philoſophie voll¬
ſtaͤndig offen. Zwiſchen der Sage und Geſchichte be¬
ſteht ein geheimnißvolles und unzertrennliches Band.
Wie die Sage ſtets auf den praktiſchen Boden der
Geſchichte zuruͤckfuͤhrt, ſo die Geſchichte ſtets auf das
ideale Gebiet der Sage. Alle Sagen ſind hiſtoriſch,
aber alle Geſchichten jener Zeit ſind auch wieder
maͤhrchenhaft, bedeutungsvoll und myſtiſch. In bei¬
den ſpricht ſich das Gemuͤth der Voͤlker in Thaten
aus, die ſo wunderbar und ahnungsvoll ſind, als
dieſes Gemuͤth ſelbſt. Alle jene Thaten ſind ſinnlos,
wenn man ſie nicht auf jenes Gemuͤth zuruͤckleitet,
daher die gewoͤhnliche hiſtoriſche Darſtellung des Mit¬
telalters ſeit der Voͤlkerwanderung ſo unertraͤglich iſt.
Man muß ſie im Sinn der Sage als Offenbarun¬
gen des Volksgemuͤthes auffaſſen.

Die Sagen gelten aber nicht nur fuͤr ihre Zeit,
es liegt etwas Philoſophiſches darin, was fuͤr alle
Zeiten gilt. Tiefer und zarter als alle unſre ſpecu¬
lativen Definitionen ſtellen uns die Sagen in einfa¬
chen Bildern die Ideen des Lebens dar. Von dem
ungeheuern Gemaͤlde der Niebelungen bis zum leiſe¬
ſten Farbenzug eines Volksliedes oder Elfenmaͤhr¬
chens entfalten ſie die ganze Tiefe des menſchlichen
Lebens. Sie ſind alle bedeutungsvoll, von geheimem

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[144/0154] zeitig in aͤußern Handlungen und Thaten offenbarten. Alles Innerliche tritt aus ſich heraus, aͤußert ſich, wird hiſtoriſch. In dem Doppelbild der Sagen und Geſchichten iſt daher die Seele jener Voͤlker und Zei¬ ten aufgeſchloſſen, liegt uns ihre Philoſophie voll¬ ſtaͤndig offen. Zwiſchen der Sage und Geſchichte be¬ ſteht ein geheimnißvolles und unzertrennliches Band. Wie die Sage ſtets auf den praktiſchen Boden der Geſchichte zuruͤckfuͤhrt, ſo die Geſchichte ſtets auf das ideale Gebiet der Sage. Alle Sagen ſind hiſtoriſch, aber alle Geſchichten jener Zeit ſind auch wieder maͤhrchenhaft, bedeutungsvoll und myſtiſch. In bei¬ den ſpricht ſich das Gemuͤth der Voͤlker in Thaten aus, die ſo wunderbar und ahnungsvoll ſind, als dieſes Gemuͤth ſelbſt. Alle jene Thaten ſind ſinnlos, wenn man ſie nicht auf jenes Gemuͤth zuruͤckleitet, daher die gewoͤhnliche hiſtoriſche Darſtellung des Mit¬ telalters ſeit der Voͤlkerwanderung ſo unertraͤglich iſt. Man muß ſie im Sinn der Sage als Offenbarun¬ gen des Volksgemuͤthes auffaſſen. Die Sagen gelten aber nicht nur fuͤr ihre Zeit, es liegt etwas Philoſophiſches darin, was fuͤr alle Zeiten gilt. Tiefer und zarter als alle unſre ſpecu¬ lativen Definitionen ſtellen uns die Sagen in einfa¬ chen Bildern die Ideen des Lebens dar. Von dem ungeheuern Gemaͤlde der Niebelungen bis zum leiſe¬ ſten Farbenzug eines Volksliedes oder Elfenmaͤhr¬ chens entfalten ſie die ganze Tiefe des menſchlichen Lebens. Sie ſind alle bedeutungsvoll, von geheimem

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/154>, abgerufen am 24.11.2024.