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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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den, es ändern zu können. Man kann nur wie Ta¬
citus die schlechte Gegenwart schildern, ohne sich an¬
zumaßen, sie bessern zu wollen. Man darf nur die
Zeit abwarten. Schlechte Bücher haben ihre Jah¬
reszeit, wie das Ungeziefer. Sie kommen in Schwär¬
men, und sind vernichtet, ehe man es denkt. Wo ist
die theologische Polemik des siebzehnten Jahrhunderts
geblieben? wo ist der Geschmack des achtzehnten,
wo ist Godsched hingekommen? Wie viele tausend
schlechte Bücher sind den Weg alles Papiers gegan¬
gen, oder modern in Bibliotheken! Die unsrigen
halten nicht einmal so lange wieder, weil das Pa¬
pier selber schlecht ist, wie der Inhalt. Die Moden
wechseln zwar nur, und Thorheit und Gemeinheit
wissen sich unter neuer Gestalt immer wieder geltend
zu machen; doch die alten Sünder bekommen sicher
ihren Lohn. Die Gegenwart duldet keinen Richter,
aber die Vergangenheit findet immer den gerechtesten.
Selbst unsre Thoren kennen und verachten die alten,
ohne zu ahnen, daß es ihnen nicht besser gehen wird.
Vermöge eines glücklichen Instinkts der menschlichen
Natur, nehmen wir uns aus dem literarischen Erbe
der Vergangenheit immer nur das Beste, oder we¬
nigstens das Wichtigste heraus. Unter drei guten
Schriftstellern erhält wenigstens einer erst in der
Zukunft seine Apotheose, und unter hundert schlech¬
ten, die in der Gegenwart glänzen, bringt immer
nur einer sein böses Beispiel auf die Nachwelt.

den, es aͤndern zu koͤnnen. Man kann nur wie Ta¬
citus die ſchlechte Gegenwart ſchildern, ohne ſich an¬
zumaßen, ſie beſſern zu wollen. Man darf nur die
Zeit abwarten. Schlechte Buͤcher haben ihre Jah¬
reszeit, wie das Ungeziefer. Sie kommen in Schwaͤr¬
men, und ſind vernichtet, ehe man es denkt. Wo iſt
die theologiſche Polemik des ſiebzehnten Jahrhunderts
geblieben? wo iſt der Geſchmack des achtzehnten,
wo iſt Godſched hingekommen? Wie viele tauſend
ſchlechte Buͤcher ſind den Weg alles Papiers gegan¬
gen, oder modern in Bibliotheken! Die unſrigen
halten nicht einmal ſo lange wieder, weil das Pa¬
pier ſelber ſchlecht iſt, wie der Inhalt. Die Moden
wechſeln zwar nur, und Thorheit und Gemeinheit
wiſſen ſich unter neuer Geſtalt immer wieder geltend
zu machen; doch die alten Suͤnder bekommen ſicher
ihren Lohn. Die Gegenwart duldet keinen Richter,
aber die Vergangenheit findet immer den gerechteſten.
Selbſt unſre Thoren kennen und verachten die alten,
ohne zu ahnen, daß es ihnen nicht beſſer gehen wird.
Vermoͤge eines gluͤcklichen Inſtinkts der menſchlichen
Natur, nehmen wir uns aus dem literariſchen Erbe
der Vergangenheit immer nur das Beſte, oder we¬
nigſtens das Wichtigſte heraus. Unter drei guten
Schriftſtellern erhaͤlt wenigſtens einer erſt in der
Zukunft ſeine Apotheoſe, und unter hundert ſchlech¬
ten, die in der Gegenwart glaͤnzen, bringt immer
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[67/0077] den, es aͤndern zu koͤnnen. Man kann nur wie Ta¬ citus die ſchlechte Gegenwart ſchildern, ohne ſich an¬ zumaßen, ſie beſſern zu wollen. Man darf nur die Zeit abwarten. Schlechte Buͤcher haben ihre Jah¬ reszeit, wie das Ungeziefer. Sie kommen in Schwaͤr¬ men, und ſind vernichtet, ehe man es denkt. Wo iſt die theologiſche Polemik des ſiebzehnten Jahrhunderts geblieben? wo iſt der Geſchmack des achtzehnten, wo iſt Godſched hingekommen? Wie viele tauſend ſchlechte Buͤcher ſind den Weg alles Papiers gegan¬ gen, oder modern in Bibliotheken! Die unſrigen halten nicht einmal ſo lange wieder, weil das Pa¬ pier ſelber ſchlecht iſt, wie der Inhalt. Die Moden wechſeln zwar nur, und Thorheit und Gemeinheit wiſſen ſich unter neuer Geſtalt immer wieder geltend zu machen; doch die alten Suͤnder bekommen ſicher ihren Lohn. Die Gegenwart duldet keinen Richter, aber die Vergangenheit findet immer den gerechteſten. Selbſt unſre Thoren kennen und verachten die alten, ohne zu ahnen, daß es ihnen nicht beſſer gehen wird. Vermoͤge eines gluͤcklichen Inſtinkts der menſchlichen Natur, nehmen wir uns aus dem literariſchen Erbe der Vergangenheit immer nur das Beſte, oder we¬ nigſtens das Wichtigſte heraus. Unter drei guten Schriftſtellern erhaͤlt wenigſtens einer erſt in der Zukunft ſeine Apotheoſe, und unter hundert ſchlech¬ ten, die in der Gegenwart glaͤnzen, bringt immer nur einer ſein boͤſes Beiſpiel auf die Nachwelt.

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/77>, abgerufen am 24.11.2024.