Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

bricht, einen schönen Wirkungskreis. Er kann dem
guten Schriftsteller in die Hände, dem schlechten ent¬
gegenarbeiten. Er kann durch die Wahl seiner Ver¬
lagsartikel die Bildung und den Geschmack gewisser¬
maßen beherrschen, und auf das Publikum einen Ein¬
fluß üben, wie ihn im Kleinen jede Theaterdirek¬
tion durch ihr gutes oder schlechtes Repertorium
übt. Er hat den edlen, seinen Stand hoch ehrenden
Beruf, ein Mäcen zu seyn. Er kann durch seine
Unterstützung manchem Genie einen freien Boden ge¬
ben, wo es sich entwickeln kann; er kann das Ver¬
borgne oder Verkannte an das Licht ziehn, und nicht
selten verdanken wir ihm erst, was uns am Weisen,
am Dichter erhebt, und entzückt. Er kann endlich,
vermöge seiner Stellung, die Literatur im Ganzen
überblicken, und die Lücken bemerken, den Schrift¬
stellern heilsame Winke geben, Wege bereiten, die
mannigfaltigen Kräfte der gelehrten und schönen Gei¬
ster unmerklich lenken. Aber um diesen ehrenvollen,
großen Beruf zu erfüllen, bedarf der Buchhändler
nicht nur eines klaren Kopfes, eines edlen Willens,
sondern auch der ökonomischen Mittel; diese Dinge
finden sich sehr selten vereinigt. Bedenken wir fer¬
ner, daß auch der beste Buchhändler immer theils
vom Publikum und seiner Modelust, theils von den
Schriftstellern abhängig ist, so können wir von den
Buchhändlern allein das Heil der Literatur freilich
nicht erwarten.

bricht, einen ſchoͤnen Wirkungskreis. Er kann dem
guten Schriftſteller in die Haͤnde, dem ſchlechten ent¬
gegenarbeiten. Er kann durch die Wahl ſeiner Ver¬
lagsartikel die Bildung und den Geſchmack gewiſſer¬
maßen beherrſchen, und auf das Publikum einen Ein¬
fluß uͤben, wie ihn im Kleinen jede Theaterdirek¬
tion durch ihr gutes oder ſchlechtes Repertorium
uͤbt. Er hat den edlen, ſeinen Stand hoch ehrenden
Beruf, ein Maͤcen zu ſeyn. Er kann durch ſeine
Unterſtuͤtzung manchem Genie einen freien Boden ge¬
ben, wo es ſich entwickeln kann; er kann das Ver¬
borgne oder Verkannte an das Licht ziehn, und nicht
ſelten verdanken wir ihm erſt, was uns am Weiſen,
am Dichter erhebt, und entzuͤckt. Er kann endlich,
vermoͤge ſeiner Stellung, die Literatur im Ganzen
uͤberblicken, und die Luͤcken bemerken, den Schrift¬
ſtellern heilſame Winke geben, Wege bereiten, die
mannigfaltigen Kraͤfte der gelehrten und ſchoͤnen Gei¬
ſter unmerklich lenken. Aber um dieſen ehrenvollen,
großen Beruf zu erfuͤllen, bedarf der Buchhaͤndler
nicht nur eines klaren Kopfes, eines edlen Willens,
ſondern auch der oͤkonomiſchen Mittel; dieſe Dinge
finden ſich ſehr ſelten vereinigt. Bedenken wir fer¬
ner, daß auch der beſte Buchhaͤndler immer theils
vom Publikum und ſeiner Modeluſt, theils von den
Schriftſtellern abhaͤngig iſt, ſo koͤnnen wir von den
Buchhaͤndlern allein das Heil der Literatur freilich
nicht erwarten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="57"/>
bricht, einen &#x017F;cho&#x0364;nen Wirkungskreis. Er kann dem<lb/>
guten Schrift&#x017F;teller in die Ha&#x0364;nde, dem &#x017F;chlechten ent¬<lb/>
gegenarbeiten. Er kann durch die Wahl &#x017F;einer Ver¬<lb/>
lagsartikel die Bildung und den Ge&#x017F;chmack gewi&#x017F;&#x017F;er¬<lb/>
maßen beherr&#x017F;chen, und auf das Publikum einen Ein¬<lb/>
fluß u&#x0364;ben, wie ihn im Kleinen jede Theaterdirek¬<lb/>
tion durch ihr gutes oder &#x017F;chlechtes Repertorium<lb/>
u&#x0364;bt. Er hat den edlen, &#x017F;einen Stand hoch ehrenden<lb/>
Beruf, ein Ma&#x0364;cen zu &#x017F;eyn. Er kann durch &#x017F;eine<lb/>
Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung manchem Genie einen freien Boden ge¬<lb/>
ben, wo es &#x017F;ich entwickeln kann; er kann das Ver¬<lb/>
borgne oder Verkannte an das Licht ziehn, und nicht<lb/>
&#x017F;elten verdanken wir ihm er&#x017F;t, was uns am Wei&#x017F;en,<lb/>
am Dichter erhebt, und entzu&#x0364;ckt. Er kann endlich,<lb/>
vermo&#x0364;ge &#x017F;einer Stellung, die Literatur im Ganzen<lb/>
u&#x0364;berblicken, und die Lu&#x0364;cken bemerken, den Schrift¬<lb/>
&#x017F;tellern heil&#x017F;ame Winke geben, Wege bereiten, die<lb/>
mannigfaltigen Kra&#x0364;fte der gelehrten und &#x017F;cho&#x0364;nen Gei¬<lb/>
&#x017F;ter unmerklich lenken. Aber um die&#x017F;en ehrenvollen,<lb/>
großen Beruf zu erfu&#x0364;llen, bedarf der Buchha&#x0364;ndler<lb/>
nicht nur eines klaren Kopfes, eines edlen Willens,<lb/>
&#x017F;ondern auch der o&#x0364;konomi&#x017F;chen Mittel; die&#x017F;e Dinge<lb/>
finden &#x017F;ich &#x017F;ehr &#x017F;elten vereinigt. Bedenken wir fer¬<lb/>
ner, daß auch der be&#x017F;te Buchha&#x0364;ndler immer theils<lb/>
vom Publikum und &#x017F;einer Modelu&#x017F;t, theils von den<lb/>
Schrift&#x017F;tellern abha&#x0364;ngig i&#x017F;t, &#x017F;o ko&#x0364;nnen wir von den<lb/>
Buchha&#x0364;ndlern allein das Heil der Literatur freilich<lb/>
nicht erwarten.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0067] bricht, einen ſchoͤnen Wirkungskreis. Er kann dem guten Schriftſteller in die Haͤnde, dem ſchlechten ent¬ gegenarbeiten. Er kann durch die Wahl ſeiner Ver¬ lagsartikel die Bildung und den Geſchmack gewiſſer¬ maßen beherrſchen, und auf das Publikum einen Ein¬ fluß uͤben, wie ihn im Kleinen jede Theaterdirek¬ tion durch ihr gutes oder ſchlechtes Repertorium uͤbt. Er hat den edlen, ſeinen Stand hoch ehrenden Beruf, ein Maͤcen zu ſeyn. Er kann durch ſeine Unterſtuͤtzung manchem Genie einen freien Boden ge¬ ben, wo es ſich entwickeln kann; er kann das Ver¬ borgne oder Verkannte an das Licht ziehn, und nicht ſelten verdanken wir ihm erſt, was uns am Weiſen, am Dichter erhebt, und entzuͤckt. Er kann endlich, vermoͤge ſeiner Stellung, die Literatur im Ganzen uͤberblicken, und die Luͤcken bemerken, den Schrift¬ ſtellern heilſame Winke geben, Wege bereiten, die mannigfaltigen Kraͤfte der gelehrten und ſchoͤnen Gei¬ ſter unmerklich lenken. Aber um dieſen ehrenvollen, großen Beruf zu erfuͤllen, bedarf der Buchhaͤndler nicht nur eines klaren Kopfes, eines edlen Willens, ſondern auch der oͤkonomiſchen Mittel; dieſe Dinge finden ſich ſehr ſelten vereinigt. Bedenken wir fer¬ ner, daß auch der beſte Buchhaͤndler immer theils vom Publikum und ſeiner Modeluſt, theils von den Schriftſtellern abhaͤngig iſt, ſo koͤnnen wir von den Buchhaͤndlern allein das Heil der Literatur freilich nicht erwarten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/67
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/67>, abgerufen am 04.05.2024.