dürfen urtheilen und entscheiden. Demzufolge können diese Wissenden auch die Befugniß, zu richten, nicht vom Volk entlehnen, sondern lediglich von der Auto¬ rität der Wissenschaft, die hinwiederum nur in der vom Volk unabhängigen Majestät zugleich mit jeder andern höchsten Staatsautorität personificirt ist. Diese Partei bedarf also zunächst die sacra ma¬ jestas als Urquell des Rechts, die juridische Papst¬ gewalt, den heiligen Richterstuhl, sodann den juridi¬ schen Priesteradel, der das Recht dem Laienvolk ver¬ mittelt, und zwar theils Richter, entsprechend dem Episcopalelerus, theils Advokaten, entsprechend den Klostergeistlichen, vorzüglich im Sinn der Bettelor¬ den und Jesuiten. Ferner bedarf diese Partei des corpus juris, als des allgemeinen Canons, und der historischen und logischen Kommentare, als der Kir¬ chenväter und Scholastiker. Endlich wird sie in ih¬ rem Themistempel ein abgesondertes Chor, das Aller¬ heiligste, ansprechen, da die Priester über dem Volk erhaben stehn, dem stummen Volk den Segen spenden und die Opfer von ihm empfangen.
Wie die Reformation von den Mönchen ausge¬ gangen, so neigen sich zum juridischen Protestantis¬ mus vorzüglich die Advokaten. Die neue Partei macht im Gegensatz gegen die Wissenschaft das Ge¬ wissen zum Princip, im Gegensatz gegen die Ab¬ geschlossenheit der Kaste die republikanische Öffent¬ lichkeit zur Form des Rechts, so wie der Prote¬ stantismus uns vom Priester ans eigne Herz, und
duͤrfen urtheilen und entſcheiden. Demzufolge koͤnnen dieſe Wiſſenden auch die Befugniß, zu richten, nicht vom Volk entlehnen, ſondern lediglich von der Auto¬ ritaͤt der Wiſſenſchaft, die hinwiederum nur in der vom Volk unabhaͤngigen Majeſtaͤt zugleich mit jeder andern hoͤchſten Staatsautoritaͤt perſonificirt iſt. Dieſe Partei bedarf alſo zunaͤchſt die sacra ma¬ jestas als Urquell des Rechts, die juridiſche Papſt¬ gewalt, den heiligen Richterſtuhl, ſodann den juridi¬ ſchen Prieſteradel, der das Recht dem Laienvolk ver¬ mittelt, und zwar theils Richter, entſprechend dem Episcopalelerus, theils Advokaten, entſprechend den Kloſtergeiſtlichen, vorzuͤglich im Sinn der Bettelor¬ den und Jeſuiten. Ferner bedarf dieſe Partei des corpus juris, als des allgemeinen Canons, und der hiſtoriſchen und logiſchen Kommentare, als der Kir¬ chenvaͤter und Scholaſtiker. Endlich wird ſie in ih¬ rem Themistempel ein abgeſondertes Chor, das Aller¬ heiligſte, anſprechen, da die Prieſter uͤber dem Volk erhaben ſtehn, dem ſtummen Volk den Segen ſpenden und die Opfer von ihm empfangen.
Wie die Reformation von den Moͤnchen ausge¬ gangen, ſo neigen ſich zum juridiſchen Proteſtantis¬ mus vorzuͤglich die Advokaten. Die neue Partei macht im Gegenſatz gegen die Wiſſenſchaft das Ge¬ wiſſen zum Princip, im Gegenſatz gegen die Ab¬ geſchloſſenheit der Kaſte die republikaniſche Öffent¬ lichkeit zur Form des Rechts, ſo wie der Prote¬ ſtantismus uns vom Prieſter ans eigne Herz, und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0259"n="249"/>
duͤrfen urtheilen und entſcheiden. Demzufolge koͤnnen<lb/>
dieſe Wiſſenden auch die Befugniß, zu richten, nicht<lb/>
vom Volk entlehnen, ſondern lediglich von der Auto¬<lb/>
ritaͤt der <hirendition="#g">Wiſſenſchaft</hi>, die hinwiederum nur in<lb/>
der vom Volk unabhaͤngigen Majeſtaͤt zugleich mit<lb/>
jeder andern hoͤchſten Staatsautoritaͤt perſonificirt<lb/>
iſt. Dieſe Partei bedarf alſo zunaͤchſt die <hirendition="#aq">sacra ma¬</hi><lb/><hirendition="#fr">jestas</hi> als Urquell des Rechts, die juridiſche Papſt¬<lb/>
gewalt, den heiligen Richterſtuhl, ſodann den juridi¬<lb/>ſchen Prieſteradel, der das Recht dem Laienvolk ver¬<lb/>
mittelt, und zwar theils Richter, entſprechend dem<lb/>
Episcopalelerus, theils Advokaten, entſprechend den<lb/>
Kloſtergeiſtlichen, vorzuͤglich im Sinn der Bettelor¬<lb/>
den und Jeſuiten. Ferner bedarf dieſe Partei des<lb/><hirendition="#aq">corpus juris</hi>, als des allgemeinen Canons, und der<lb/>
hiſtoriſchen und logiſchen Kommentare, als der Kir¬<lb/>
chenvaͤter und Scholaſtiker. Endlich wird ſie in ih¬<lb/>
rem Themistempel ein abgeſondertes Chor, das Aller¬<lb/>
heiligſte, anſprechen, da die Prieſter uͤber dem Volk<lb/>
erhaben ſtehn, dem ſtummen Volk den Segen ſpenden<lb/>
und die Opfer von ihm empfangen.</p><lb/><p>Wie die Reformation von den Moͤnchen ausge¬<lb/>
gangen, ſo neigen ſich zum juridiſchen Proteſtantis¬<lb/>
mus vorzuͤglich die Advokaten. Die neue Partei<lb/>
macht im Gegenſatz gegen die Wiſſenſchaft das <hirendition="#g">Ge¬<lb/>
wiſſen</hi> zum Princip, im Gegenſatz gegen die Ab¬<lb/>
geſchloſſenheit der Kaſte die republikaniſche <hirendition="#g">Öffent¬<lb/>
lichkeit</hi> zur Form des Rechts, ſo wie der Prote¬<lb/>ſtantismus uns vom Prieſter ans eigne Herz, und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[249/0259]
duͤrfen urtheilen und entſcheiden. Demzufolge koͤnnen
dieſe Wiſſenden auch die Befugniß, zu richten, nicht
vom Volk entlehnen, ſondern lediglich von der Auto¬
ritaͤt der Wiſſenſchaft, die hinwiederum nur in
der vom Volk unabhaͤngigen Majeſtaͤt zugleich mit
jeder andern hoͤchſten Staatsautoritaͤt perſonificirt
iſt. Dieſe Partei bedarf alſo zunaͤchſt die sacra ma¬
jestas als Urquell des Rechts, die juridiſche Papſt¬
gewalt, den heiligen Richterſtuhl, ſodann den juridi¬
ſchen Prieſteradel, der das Recht dem Laienvolk ver¬
mittelt, und zwar theils Richter, entſprechend dem
Episcopalelerus, theils Advokaten, entſprechend den
Kloſtergeiſtlichen, vorzuͤglich im Sinn der Bettelor¬
den und Jeſuiten. Ferner bedarf dieſe Partei des
corpus juris, als des allgemeinen Canons, und der
hiſtoriſchen und logiſchen Kommentare, als der Kir¬
chenvaͤter und Scholaſtiker. Endlich wird ſie in ih¬
rem Themistempel ein abgeſondertes Chor, das Aller¬
heiligſte, anſprechen, da die Prieſter uͤber dem Volk
erhaben ſtehn, dem ſtummen Volk den Segen ſpenden
und die Opfer von ihm empfangen.
Wie die Reformation von den Moͤnchen ausge¬
gangen, ſo neigen ſich zum juridiſchen Proteſtantis¬
mus vorzuͤglich die Advokaten. Die neue Partei
macht im Gegenſatz gegen die Wiſſenſchaft das Ge¬
wiſſen zum Princip, im Gegenſatz gegen die Ab¬
geſchloſſenheit der Kaſte die republikaniſche Öffent¬
lichkeit zur Form des Rechts, ſo wie der Prote¬
ſtantismus uns vom Prieſter ans eigne Herz, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/259>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.