wenn es sogar zu einer parlamentarischen Thätigkeit berufen ist, so kann es dieselbe gar nicht entbehren, denn ein Parlament ist unmöglich ohne freie Wahlen, und freie Wahlen sind unmöglich ohne Municipali¬ täten. Auf der andern Seite strebt aber jede Regie¬ rung nach allumfassender Centralgewalt, es ist ihre Natur sich excentrisch auszubreiten, bis sie eine Gränze findet. Beide Bestrebungen stehn also in feindseligem Gegensatze, der, wie sie selbst, in der Natur liegt, und zwar alle mögliche Verfassungen erzeugen und wieder vertilgen, aber von keiner ein¬ zigen eben so wenig beschwichtigt, als erzeugt wer¬ den kann.
Ein demokratisches System von unten will freie Municipalverwaltung. So weit als möglich will das Volk das Seinige selbst verwalten und sich selbst be¬ aufsichtigen, und sieht ungern sein Gemeingut und seinen Markt unter der Aufsicht ministerieller Söld¬ linge. Auf der andern Seite will die Ministerial¬ verwaltung mit göttlicher Allgegenwart Keller und Küche auch des ärmsten Bauers controlliren. Selbst wieder von einem höhern Centralkörper, der Maje¬ stät, angezogen, bilden die Ministerien peripherische Punkte an der Sphäre des Thrones, von denen sich fächerartig die Bureaukratie der Staatsdiener bis zum Horizont des Volks ausbreitet, paternosterför¬ mig gegliedert und durch Controllen und strenge Sub¬ ordination in maschinenmäßigem Gang gehalten. Al¬ les, Mann und Maus im Lande, wird einregistrirt,
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wenn es ſogar zu einer parlamentariſchen Thaͤtigkeit berufen iſt, ſo kann es dieſelbe gar nicht entbehren, denn ein Parlament iſt unmoͤglich ohne freie Wahlen, und freie Wahlen ſind unmoͤglich ohne Municipali¬ taͤten. Auf der andern Seite ſtrebt aber jede Regie¬ rung nach allumfaſſender Centralgewalt, es iſt ihre Natur ſich excentriſch auszubreiten, bis ſie eine Graͤnze findet. Beide Beſtrebungen ſtehn alſo in feindſeligem Gegenſatze, der, wie ſie ſelbſt, in der Natur liegt, und zwar alle moͤgliche Verfaſſungen erzeugen und wieder vertilgen, aber von keiner ein¬ zigen eben ſo wenig beſchwichtigt, als erzeugt wer¬ den kann.
Ein demokratiſches Syſtem von unten will freie Municipalverwaltung. So weit als moͤglich will das Volk das Seinige ſelbſt verwalten und ſich ſelbſt be¬ aufſichtigen, und ſieht ungern ſein Gemeingut und ſeinen Markt unter der Aufſicht miniſterieller Soͤld¬ linge. Auf der andern Seite will die Miniſterial¬ verwaltung mit goͤttlicher Allgegenwart Keller und Kuͤche auch des aͤrmſten Bauers controlliren. Selbſt wieder von einem hoͤhern Centralkoͤrper, der Maje¬ ſtaͤt, angezogen, bilden die Miniſterien peripheriſche Punkte an der Sphaͤre des Thrones, von denen ſich faͤcherartig die Bureaukratie der Staatsdiener bis zum Horizont des Volks ausbreitet, paternoſterfoͤr¬ mig gegliedert und durch Controllen und ſtrenge Sub¬ ordination in maſchinenmaͤßigem Gang gehalten. Al¬ les, Mann und Maus im Lande, wird einregiſtrirt,
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wenn es ſogar zu einer parlamentariſchen Thaͤtigkeit
berufen iſt, ſo kann es dieſelbe gar nicht entbehren,
denn ein Parlament iſt unmoͤglich ohne freie Wahlen,
und freie Wahlen ſind unmoͤglich ohne Municipali¬
taͤten. Auf der andern Seite ſtrebt aber jede Regie¬
rung nach allumfaſſender Centralgewalt, es iſt
ihre Natur ſich excentriſch auszubreiten, bis ſie eine
Graͤnze findet. Beide Beſtrebungen ſtehn alſo in
feindſeligem Gegenſatze, der, wie ſie ſelbſt, in der
Natur liegt, und zwar alle moͤgliche Verfaſſungen
erzeugen und wieder vertilgen, aber von keiner ein¬
zigen eben ſo wenig beſchwichtigt, als erzeugt wer¬
den kann.
Ein demokratiſches Syſtem von unten will freie
Municipalverwaltung. So weit als moͤglich will das
Volk das Seinige ſelbſt verwalten und ſich ſelbſt be¬
aufſichtigen, und ſieht ungern ſein Gemeingut und
ſeinen Markt unter der Aufſicht miniſterieller Soͤld¬
linge. Auf der andern Seite will die Miniſterial¬
verwaltung mit goͤttlicher Allgegenwart Keller und
Kuͤche auch des aͤrmſten Bauers controlliren. Selbſt
wieder von einem hoͤhern Centralkoͤrper, der Maje¬
ſtaͤt, angezogen, bilden die Miniſterien peripheriſche
Punkte an der Sphaͤre des Thrones, von denen ſich
faͤcherartig die Bureaukratie der Staatsdiener bis
zum Horizont des Volks ausbreitet, paternoſterfoͤr¬
mig gegliedert und durch Controllen und ſtrenge Sub¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/253>, abgerufen am 16.07.2024.
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