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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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Geschäft hat der Mensch verändert und vervollkommt.
Auch die Wissenschaft hat sich selbst verändert und
vervollkommt, aber nicht die Menschen. Sie dient
nur den angebornen Neigungen, aber sie bestimmt sie
nicht. Die Laster und Tugenden sind gewitzigter und
gelehrter geworden, aber dieselben geblieben. Die
Idee mag sonnenklar vor den Menschen stehn, ihr
Gemüth, ihr Temperament, die dunkle Naturkraft
ihrer Seele gibt ihr immer wieder eine Farbe. Das
Licht gehört der Wissenschaft, die Farbe dem Leben.

Die bisherigen Beispiele reiner Demokratien ha¬
ben dem Ideal der Tugendrepublik freier und glei¬
cher Menschen nach keineswegs entsprochen. Es läßt
sich sogar behaupten, daß sie die Kraft, sich eine
Zeitlang in einem nur einigermaßen freien Zustande
zu erhalten, und den Zauber der Gleichheit keines¬
wegs von ihrem Eigenwillen und von einer tiefen
Überzeugung, sondern vielmehr vom Aberglauben, von
der Gewohnheit und von sklavischer Anhänglichkeit an
Personen und Äußerlichkeiten entlehnt haben. Die
meisten sogenannten freien Völker des Alterthums und
der neuern Zeit waren es nur so lange, als die alte
Gewohnheit, die Erinnerungen an die Väter, der
patriotische Aberglauben nicht erschüttert, alte große
Namen nicht durch neue verdrängt wurden. Die
Freiheit erhielt sich hier, wie dort die Despotie,
durch das bloße Trägheitsprincip, nach welchen ein
Stein so lange liegen bleibt, bis er weggestoßen wird.
Nur in einzelnen Momenten der Geschichte, nur

Geſchaͤft hat der Menſch veraͤndert und vervollkommt.
Auch die Wiſſenſchaft hat ſich ſelbſt veraͤndert und
vervollkommt, aber nicht die Menſchen. Sie dient
nur den angebornen Neigungen, aber ſie beſtimmt ſie
nicht. Die Laſter und Tugenden ſind gewitzigter und
gelehrter geworden, aber dieſelben geblieben. Die
Idee mag ſonnenklar vor den Menſchen ſtehn, ihr
Gemuͤth, ihr Temperament, die dunkle Naturkraft
ihrer Seele gibt ihr immer wieder eine Farbe. Das
Licht gehoͤrt der Wiſſenſchaft, die Farbe dem Leben.

Die bisherigen Beiſpiele reiner Demokratien ha¬
ben dem Ideal der Tugendrepublik freier und glei¬
cher Menſchen nach keineswegs entſprochen. Es laͤßt
ſich ſogar behaupten, daß ſie die Kraft, ſich eine
Zeitlang in einem nur einigermaßen freien Zuſtande
zu erhalten, und den Zauber der Gleichheit keines¬
wegs von ihrem Eigenwillen und von einer tiefen
Überzeugung, ſondern vielmehr vom Aberglauben, von
der Gewohnheit und von ſklaviſcher Anhaͤnglichkeit an
Perſonen und Äußerlichkeiten entlehnt haben. Die
meiſten ſogenannten freien Voͤlker des Alterthums und
der neuern Zeit waren es nur ſo lange, als die alte
Gewohnheit, die Erinnerungen an die Vaͤter, der
patriotiſche Aberglauben nicht erſchuͤttert, alte große
Namen nicht durch neue verdraͤngt wurden. Die
Freiheit erhielt ſich hier, wie dort die Deſpotie,
durch das bloße Traͤgheitsprincip, nach welchen ein
Stein ſo lange liegen bleibt, bis er weggeſtoßen wird.
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[229/0239] Geſchaͤft hat der Menſch veraͤndert und vervollkommt. Auch die Wiſſenſchaft hat ſich ſelbſt veraͤndert und vervollkommt, aber nicht die Menſchen. Sie dient nur den angebornen Neigungen, aber ſie beſtimmt ſie nicht. Die Laſter und Tugenden ſind gewitzigter und gelehrter geworden, aber dieſelben geblieben. Die Idee mag ſonnenklar vor den Menſchen ſtehn, ihr Gemuͤth, ihr Temperament, die dunkle Naturkraft ihrer Seele gibt ihr immer wieder eine Farbe. Das Licht gehoͤrt der Wiſſenſchaft, die Farbe dem Leben. Die bisherigen Beiſpiele reiner Demokratien ha¬ ben dem Ideal der Tugendrepublik freier und glei¬ cher Menſchen nach keineswegs entſprochen. Es laͤßt ſich ſogar behaupten, daß ſie die Kraft, ſich eine Zeitlang in einem nur einigermaßen freien Zuſtande zu erhalten, und den Zauber der Gleichheit keines¬ wegs von ihrem Eigenwillen und von einer tiefen Überzeugung, ſondern vielmehr vom Aberglauben, von der Gewohnheit und von ſklaviſcher Anhaͤnglichkeit an Perſonen und Äußerlichkeiten entlehnt haben. Die meiſten ſogenannten freien Voͤlker des Alterthums und der neuern Zeit waren es nur ſo lange, als die alte Gewohnheit, die Erinnerungen an die Vaͤter, der patriotiſche Aberglauben nicht erſchuͤttert, alte große Namen nicht durch neue verdraͤngt wurden. Die Freiheit erhielt ſich hier, wie dort die Deſpotie, durch das bloße Traͤgheitsprincip, nach welchen ein Stein ſo lange liegen bleibt, bis er weggeſtoßen wird. Nur in einzelnen Momenten der Geſchichte, nur

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/239>, abgerufen am 22.11.2024.