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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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Leibeigner des Staates war. Jene Allgemeinheit des
Staats, die allein souverain ist, der jeder Bürger
unbedingt unterworfen ist, die einen eignen Willen
und eigne Zwecke hat, war den Deutschen von jeher
in der Natur zuwider. Diese Abneigung gegen den
Götzendienst des weltlichen Staates bahnte später
der Hierachie den Weg. Zuletzt aber brachte sie uns
in einen völlig passiven Zustand; wir wurden regiert
und dachten nicht daran, wir litten alles und unter
Hunderttausenden frug kaum einer, warum?

Indeß ist in der neuesten Zeit der Sinn für Po¬
litik sehr lebendig erwacht. Große Unglücksfälle
haben uns an die Fehler erinnert, durch welche wir
dieselben verschuldet. Die Umwälzungen der Nach¬
barländer haben uns zum Theil zur Nachahmung oder
doch zur Aufmerksamkeit gezwungen. Gewaltstreiche
von außen haben unsern innern politischen Zustand
mannigfach verändert, und manche Verbesserungen
haben wir selbst zu Stande gebracht. Die fortge¬
schrittene Cultur verlangt manche Änderung. Die
Kriege, die wir für den Bestand unsrer Staaten ge¬
führt, haben sie uns werth genug gemacht, daß wir
sie mit größerem Interesse, als bisher, ins Auge fas¬
sen. Die politische Ehre, die wir wieder errungen
haben, hat uns den Sinn für Politik wohlthätig er¬
frischt. Thaten haben zur Betrachtung geführt.

Diese neue Politik aber ist größtentheils in einer
fremden Schule gebildet, alle Parteien, die Kabinette,
die Stände, die Liberalen haben im Ausland ihren

Leibeigner des Staates war. Jene Allgemeinheit des
Staats, die allein ſouverain iſt, der jeder Buͤrger
unbedingt unterworfen iſt, die einen eignen Willen
und eigne Zwecke hat, war den Deutſchen von jeher
in der Natur zuwider. Dieſe Abneigung gegen den
Goͤtzendienſt des weltlichen Staates bahnte ſpaͤter
der Hierachie den Weg. Zuletzt aber brachte ſie uns
in einen voͤllig paſſiven Zuſtand; wir wurden regiert
und dachten nicht daran, wir litten alles und unter
Hunderttauſenden frug kaum einer, warum?

Indeß iſt in der neueſten Zeit der Sinn fuͤr Po¬
litik ſehr lebendig erwacht. Große Ungluͤcksfaͤlle
haben uns an die Fehler erinnert, durch welche wir
dieſelben verſchuldet. Die Umwaͤlzungen der Nach¬
barlaͤnder haben uns zum Theil zur Nachahmung oder
doch zur Aufmerkſamkeit gezwungen. Gewaltſtreiche
von außen haben unſern innern politiſchen Zuſtand
mannigfach veraͤndert, und manche Verbeſſerungen
haben wir ſelbſt zu Stande gebracht. Die fortge¬
ſchrittene Cultur verlangt manche Änderung. Die
Kriege, die wir fuͤr den Beſtand unſrer Staaten ge¬
fuͤhrt, haben ſie uns werth genug gemacht, daß wir
ſie mit groͤßerem Intereſſe, als bisher, ins Auge faſ¬
ſen. Die politiſche Ehre, die wir wieder errungen
haben, hat uns den Sinn fuͤr Politik wohlthaͤtig er¬
friſcht. Thaten haben zur Betrachtung gefuͤhrt.

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[218/0228] Leibeigner des Staates war. Jene Allgemeinheit des Staats, die allein ſouverain iſt, der jeder Buͤrger unbedingt unterworfen iſt, die einen eignen Willen und eigne Zwecke hat, war den Deutſchen von jeher in der Natur zuwider. Dieſe Abneigung gegen den Goͤtzendienſt des weltlichen Staates bahnte ſpaͤter der Hierachie den Weg. Zuletzt aber brachte ſie uns in einen voͤllig paſſiven Zuſtand; wir wurden regiert und dachten nicht daran, wir litten alles und unter Hunderttauſenden frug kaum einer, warum? Indeß iſt in der neueſten Zeit der Sinn fuͤr Po¬ litik ſehr lebendig erwacht. Große Ungluͤcksfaͤlle haben uns an die Fehler erinnert, durch welche wir dieſelben verſchuldet. Die Umwaͤlzungen der Nach¬ barlaͤnder haben uns zum Theil zur Nachahmung oder doch zur Aufmerkſamkeit gezwungen. Gewaltſtreiche von außen haben unſern innern politiſchen Zuſtand mannigfach veraͤndert, und manche Verbeſſerungen haben wir ſelbſt zu Stande gebracht. Die fortge¬ ſchrittene Cultur verlangt manche Änderung. Die Kriege, die wir fuͤr den Beſtand unſrer Staaten ge¬ fuͤhrt, haben ſie uns werth genug gemacht, daß wir ſie mit groͤßerem Intereſſe, als bisher, ins Auge faſ¬ ſen. Die politiſche Ehre, die wir wieder errungen haben, hat uns den Sinn fuͤr Politik wohlthaͤtig er¬ friſcht. Thaten haben zur Betrachtung gefuͤhrt. Dieſe neue Politik aber iſt groͤßtentheils in einer fremden Schule gebildet, alle Parteien, die Kabinette, die Staͤnde, die Liberalen haben im Ausland ihren

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/228>, abgerufen am 22.11.2024.