wehr gegen thierische Abstumpfung und Niederträch¬ tigkeit, wie gegen frivole oder verzweifelte, zu Re¬ volutionen führende Entschließungen? Ein Umstand wird dem Pietismus besonders jetzt günstig, der Mangel an öffentlichem Leben und der Eigennutz, der das Privatleben zerrüttet. Während der Eng¬ länder seine große Staatsthätigkeit, der Franzose seine geselligen Genüsse, der Italiäner seine Natur besitzt, findet der Deutsche den Himmel nur in sich selbst. Die Langweiligkeit des Staatslebens, die Perfidie der bürgerlichen Gesellschaft und oft zugleich die Einförmigkeit der Natur und des häuslichen Le¬ bens machen ihm, wie die Wonne frommer Herzens¬ ergießung, so die Gesellschaft theuer und unentbehr¬ lich, die mit ihm die gleiche Gesinnung theilt, und es verbindet sich damit eine eigenthümliche Sehnsucht, welche die Deutschen in allen Parteien immer aus¬ gezeichnet hat, eine abgeschlossene Gemeinde der Hei¬ ligen, der Auserwählten, der Apostel einer Idee zu bilden. Dieß war und ist das stärkste Band unter den Separatisten.
Seit einiger Zeit haben sich auch sehr gelehrte Männer des Pietismus direct oder indirect angenom¬ men. Ein pietistischer Geschmack, eine gewisse An¬ steckung pietistischer Gefühle und Ausdrücke ist in der Literatur eben so weit verbreitet, als im Leben. Dieß finden wir zunächst in der theologischen Literatur. Eine Menge protestantische Geistliche neigen zum Gefühlsglauben und reden ihm in Dogmen, Predig¬
wehr gegen thieriſche Abſtumpfung und Niedertraͤch¬ tigkeit, wie gegen frivole oder verzweifelte, zu Re¬ volutionen fuͤhrende Entſchließungen? Ein Umſtand wird dem Pietismus beſonders jetzt guͤnſtig, der Mangel an oͤffentlichem Leben und der Eigennutz, der das Privatleben zerruͤttet. Waͤhrend der Eng¬ laͤnder ſeine große Staatsthaͤtigkeit, der Franzoſe ſeine geſelligen Genuͤſſe, der Italiaͤner ſeine Natur beſitzt, findet der Deutſche den Himmel nur in ſich ſelbſt. Die Langweiligkeit des Staatslebens, die Perfidie der buͤrgerlichen Geſellſchaft und oft zugleich die Einfoͤrmigkeit der Natur und des haͤuslichen Le¬ bens machen ihm, wie die Wonne frommer Herzens¬ ergießung, ſo die Geſellſchaft theuer und unentbehr¬ lich, die mit ihm die gleiche Geſinnung theilt, und es verbindet ſich damit eine eigenthuͤmliche Sehnſucht, welche die Deutſchen in allen Parteien immer aus¬ gezeichnet hat, eine abgeſchloſſene Gemeinde der Hei¬ ligen, der Auserwaͤhlten, der Apoſtel einer Idee zu bilden. Dieß war und iſt das ſtaͤrkſte Band unter den Separatiſten.
Seit einiger Zeit haben ſich auch ſehr gelehrte Maͤnner des Pietismus direct oder indirect angenom¬ men. Ein pietiſtiſcher Geſchmack, eine gewiſſe An¬ ſteckung pietiſtiſcher Gefuͤhle und Ausdruͤcke iſt in der Literatur eben ſo weit verbreitet, als im Leben. Dieß finden wir zunaͤchſt in der theologiſchen Literatur. Eine Menge proteſtantiſche Geiſtliche neigen zum Gefuͤhlsglauben und reden ihm in Dogmen, Predig¬
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wehr gegen thieriſche Abſtumpfung und Niedertraͤch¬
tigkeit, wie gegen frivole oder verzweifelte, zu Re¬
volutionen fuͤhrende Entſchließungen? Ein Umſtand
wird dem Pietismus beſonders jetzt guͤnſtig, der
Mangel an oͤffentlichem Leben und der Eigennutz,
der das Privatleben zerruͤttet. Waͤhrend der Eng¬
laͤnder ſeine große Staatsthaͤtigkeit, der Franzoſe
ſeine geſelligen Genuͤſſe, der Italiaͤner ſeine Natur
beſitzt, findet der Deutſche den Himmel nur in ſich
ſelbſt. Die Langweiligkeit des Staatslebens, die
Perfidie der buͤrgerlichen Geſellſchaft und oft zugleich
die Einfoͤrmigkeit der Natur und des haͤuslichen Le¬
bens machen ihm, wie die Wonne frommer Herzens¬
ergießung, ſo die Geſellſchaft theuer und unentbehr¬
lich, die mit ihm die gleiche Geſinnung theilt, und
es verbindet ſich damit eine eigenthuͤmliche Sehnſucht,
welche die Deutſchen in allen Parteien immer aus¬
gezeichnet hat, eine abgeſchloſſene Gemeinde der Hei¬
ligen, der Auserwaͤhlten, der Apoſtel einer Idee zu
bilden. Dieß war und iſt das ſtaͤrkſte Band unter
den Separatiſten.
Seit einiger Zeit haben ſich auch ſehr gelehrte
Maͤnner des Pietismus direct oder indirect angenom¬
men. Ein pietiſtiſcher Geſchmack, eine gewiſſe An¬
ſteckung pietiſtiſcher Gefuͤhle und Ausdruͤcke iſt in der
Literatur eben ſo weit verbreitet, als im Leben. Dieß
finden wir zunaͤchſt in der theologiſchen Literatur.
Eine Menge proteſtantiſche Geiſtliche neigen zum
Gefuͤhlsglauben und reden ihm in Dogmen, Predig¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/164>, abgerufen am 17.07.2024.
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