tismus. Wir besitzen namhafte Theologen, denen von groben Orthodoxen und feinen Kritikern bald das Eine, bald das Andre vorgeworfen wird, ohne daß eine förmliche äußere Abweichung Statt fände.
Während der Protestantismus auf diese mannig¬ fache Weise positiv sich ausspricht, negirt er unun¬ terbrochen den Katholicismus und, wie der Kampf auch periodisch nachläßt, er dauert mit seinem Ge¬ genstand fort. Der Protestantismus ist aus der Ne¬ gation entsprungen und trägt davon seinen Namen. Sein Wesen beruht zunächst in dieser Negation, wie er auch wieder positiv sich gestalten mag, und die Negation ruht nicht, so lange der Katholicismus ihm gegenüber steht. Die Art und Weise der Negation ist aber so verschieden, als die der Position. Ur¬ sprünglich war es der Verstand, der sich aus den Banden der alten Kirche befreite, und er ist es noch, dessen scharfes Schwert von den Kritikern gegen Rom geschwungen wird. Die orthodoxe Partei hat dage¬ gen die Freiheit des Begriffs an das Wort abgege¬ ben und ficht mit Buchstaben. Die Pietisten endlich haben wie den Verstand, so das Wort aufgegeben und waffnen sich mit dem Gefühl.
Bei diesem großen Kampfe ist ein Umstand von vorzüglicher Wichtigkeit, der aber nur von den Kri¬ tikern und Pietisten gewürdigt wird. Dem Katholi¬ cismus steht nämlich, sofern er der sinnlichen Rich¬ tung gefolgt ist, allerdings die verständige und ge¬ müthliche gegenüber; aber auch, sofern er das Prin¬
tismus. Wir beſitzen namhafte Theologen, denen von groben Orthodoxen und feinen Kritikern bald das Eine, bald das Andre vorgeworfen wird, ohne daß eine foͤrmliche aͤußere Abweichung Statt faͤnde.
Waͤhrend der Proteſtantismus auf dieſe mannig¬ fache Weiſe poſitiv ſich ausſpricht, negirt er unun¬ terbrochen den Katholicismus und, wie der Kampf auch periodiſch nachlaͤßt, er dauert mit ſeinem Ge¬ genſtand fort. Der Proteſtantismus iſt aus der Ne¬ gation entſprungen und traͤgt davon ſeinen Namen. Sein Weſen beruht zunaͤchſt in dieſer Negation, wie er auch wieder poſitiv ſich geſtalten mag, und die Negation ruht nicht, ſo lange der Katholicismus ihm gegenuͤber ſteht. Die Art und Weiſe der Negation iſt aber ſo verſchieden, als die der Poſition. Ur¬ ſpruͤnglich war es der Verſtand, der ſich aus den Banden der alten Kirche befreite, und er iſt es noch, deſſen ſcharfes Schwert von den Kritikern gegen Rom geſchwungen wird. Die orthodoxe Partei hat dage¬ gen die Freiheit des Begriffs an das Wort abgege¬ ben und ficht mit Buchſtaben. Die Pietiſten endlich haben wie den Verſtand, ſo das Wort aufgegeben und waffnen ſich mit dem Gefuͤhl.
Bei dieſem großen Kampfe iſt ein Umſtand von vorzuͤglicher Wichtigkeit, der aber nur von den Kri¬ tikern und Pietiſten gewuͤrdigt wird. Dem Katholi¬ cismus ſteht naͤmlich, ſofern er der ſinnlichen Rich¬ tung gefolgt iſt, allerdings die verſtaͤndige und ge¬ muͤthliche gegenuͤber; aber auch, ſofern er das Prin¬
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tismus. Wir beſitzen namhafte Theologen, denen von
groben Orthodoxen und feinen Kritikern bald das
Eine, bald das Andre vorgeworfen wird, ohne daß
eine foͤrmliche aͤußere Abweichung Statt faͤnde.
Waͤhrend der Proteſtantismus auf dieſe mannig¬
fache Weiſe poſitiv ſich ausſpricht, negirt er unun¬
terbrochen den Katholicismus und, wie der Kampf
auch periodiſch nachlaͤßt, er dauert mit ſeinem Ge¬
genſtand fort. Der Proteſtantismus iſt aus der Ne¬
gation entſprungen und traͤgt davon ſeinen Namen.
Sein Weſen beruht zunaͤchſt in dieſer Negation, wie
er auch wieder poſitiv ſich geſtalten mag, und die
Negation ruht nicht, ſo lange der Katholicismus ihm
gegenuͤber ſteht. Die Art und Weiſe der Negation
iſt aber ſo verſchieden, als die der Poſition. Ur¬
ſpruͤnglich war es der Verſtand, der ſich aus den
Banden der alten Kirche befreite, und er iſt es noch,
deſſen ſcharfes Schwert von den Kritikern gegen Rom
geſchwungen wird. Die orthodoxe Partei hat dage¬
gen die Freiheit des Begriffs an das Wort abgege¬
ben und ficht mit Buchſtaben. Die Pietiſten endlich
haben wie den Verſtand, ſo das Wort aufgegeben
und waffnen ſich mit dem Gefuͤhl.
Bei dieſem großen Kampfe iſt ein Umſtand von
vorzuͤglicher Wichtigkeit, der aber nur von den Kri¬
tikern und Pietiſten gewuͤrdigt wird. Dem Katholi¬
cismus ſteht naͤmlich, ſofern er der ſinnlichen Rich¬
tung gefolgt iſt, allerdings die verſtaͤndige und ge¬
muͤthliche gegenuͤber; aber auch, ſofern er das Prin¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/132>, abgerufen am 26.06.2024.
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