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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt.

Adam Smith hat solcherart die fortschreitende Arbeits-
theilung zum Angelpuncte des wirthschaftlichen Fortschrittes der
Menschen gemacht, und zwar im Einklange mit der überwiegenden
Bedeutung, welche er dem Arbeitselemente in der menschlichen
Wirthschaft einräumt. Ich glaube indess, dass der ausgezeichnete
Forscher, von dem hier die Rede ist, in seinem Capitel über die
Arbeitstheilung nur eine einzelne Ursache des fortschreitenden
Wohlstandes der Menschen an's Licht gezogen hat, andere nicht
minder wirksame jedoch seiner Beobachtung entgangen sind.

Man denke sich die, der Hauptsache nach, occupatorische
Arbeit eines australischen Volksstammes noch so zweckmässig
unter die einzelnen Mitglieder desselben vertheilt, eine Anzahl
davon als Jäger, andere als Fischer, noch andere ausschliesslich
mit der Occupation wild wachsender Pflanzenkost, die Weiber
zum Theile ausschliesslich mit der Zubereitung der Speisen, zum
anderen Theile mit der Anfertigung von Kleidungsstücken be-
schäftigt, ja man führe die Arbeitstheilung bei diesem Volke in
Gedanken noch weiter, so zwar, dass jede Verrichtung besonderer
Art auch durch besondere Functionäre ausgeführt würde, und frage
sich nun, ob eine, wenn auch noch so weit getriebene Theilung
der Arbeit jene vermehrende Wirkung auf die den Mitgliedern
des Volkes verfügbaren Genussmittel haben würde, welche Adam
Smith als eine Folge der fortschreitenden Arbeitstheilung be-
zeichnet. Offenbar wird jenes Volk, und so jedes andere, auf
dem obigen Wege die bisherige Arbeitswirkung mit geringerer
Anstrengung und mit der bisherigen Anstrengung eine grössere
Arbeitswirkung erzielen, also seine Lage, so weit dies auf
dem Wege einer zweckmässigeren und wirksameren Verrichtung
der occupatorischen Arbeiten überhaupt möglich ist, ver-
bessern; diese Verbesserung wird indess doch gar sehr ver-
schieden sein von jener, welche wir bei wirthschaftlich fort-
schreitenden Völkern thatsächlich beobachten können. Greift
dagegen ein Volk, anstatt sich lediglich auf die occupatorische
Thätigkeit, das ist auf das Aufsammeln der vorhandenen Güter
niederer Ordnung, (in den rohesten Zuständen der Menschen zu-
meist Güter erster und etwa zweiter Ordnung,) zu beschränken,
zu den Gütern dritter, vierter und höherer Ordnung und schreitet
dasselbe in der Heranziehung von Gütern zur Befriedigung seiner

Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt.

Adam Smith hat solcherart die fortschreitende Arbeits-
theilung zum Angelpuncte des wirthschaftlichen Fortschrittes der
Menschen gemacht, und zwar im Einklange mit der überwiegenden
Bedeutung, welche er dem Arbeitselemente in der menschlichen
Wirthschaft einräumt. Ich glaube indess, dass der ausgezeichnete
Forscher, von dem hier die Rede ist, in seinem Capitel über die
Arbeitstheilung nur eine einzelne Ursache des fortschreitenden
Wohlstandes der Menschen an’s Licht gezogen hat, andere nicht
minder wirksame jedoch seiner Beobachtung entgangen sind.

Man denke sich die, der Hauptsache nach, occupatorische
Arbeit eines australischen Volksstammes noch so zweckmässig
unter die einzelnen Mitglieder desselben vertheilt, eine Anzahl
davon als Jäger, andere als Fischer, noch andere ausschliesslich
mit der Occupation wild wachsender Pflanzenkost, die Weiber
zum Theile ausschliesslich mit der Zubereitung der Speisen, zum
anderen Theile mit der Anfertigung von Kleidungsstücken be-
schäftigt, ja man führe die Arbeitstheilung bei diesem Volke in
Gedanken noch weiter, so zwar, dass jede Verrichtung besonderer
Art auch durch besondere Functionäre ausgeführt würde, und frage
sich nun, ob eine, wenn auch noch so weit getriebene Theilung
der Arbeit jene vermehrende Wirkung auf die den Mitgliedern
des Volkes verfügbaren Genussmittel haben würde, welche Adam
Smith als eine Folge der fortschreitenden Arbeitstheilung be-
zeichnet. Offenbar wird jenes Volk, und so jedes andere, auf
dem obigen Wege die bisherige Arbeitswirkung mit geringerer
Anstrengung und mit der bisherigen Anstrengung eine grössere
Arbeitswirkung erzielen, also seine Lage, so weit dies auf
dem Wege einer zweckmässigeren und wirksameren Verrichtung
der occupatorischen Arbeiten überhaupt möglich ist, ver-
bessern; diese Verbesserung wird indess doch gar sehr ver-
schieden sein von jener, welche wir bei wirthschaftlich fort-
schreitenden Völkern thatsächlich beobachten können. Greift
dagegen ein Volk, anstatt sich lediglich auf die occupatorische
Thätigkeit, das ist auf das Aufsammeln der vorhandenen Güter
niederer Ordnung, (in den rohesten Zuständen der Menschen zu-
meist Güter erster und etwa zweiter Ordnung,) zu beschränken,
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[27/0045] Ueber die Ursachen der fortschreitenden Wohlfahrt. Adam Smith hat solcherart die fortschreitende Arbeits- theilung zum Angelpuncte des wirthschaftlichen Fortschrittes der Menschen gemacht, und zwar im Einklange mit der überwiegenden Bedeutung, welche er dem Arbeitselemente in der menschlichen Wirthschaft einräumt. Ich glaube indess, dass der ausgezeichnete Forscher, von dem hier die Rede ist, in seinem Capitel über die Arbeitstheilung nur eine einzelne Ursache des fortschreitenden Wohlstandes der Menschen an’s Licht gezogen hat, andere nicht minder wirksame jedoch seiner Beobachtung entgangen sind. Man denke sich die, der Hauptsache nach, occupatorische Arbeit eines australischen Volksstammes noch so zweckmässig unter die einzelnen Mitglieder desselben vertheilt, eine Anzahl davon als Jäger, andere als Fischer, noch andere ausschliesslich mit der Occupation wild wachsender Pflanzenkost, die Weiber zum Theile ausschliesslich mit der Zubereitung der Speisen, zum anderen Theile mit der Anfertigung von Kleidungsstücken be- schäftigt, ja man führe die Arbeitstheilung bei diesem Volke in Gedanken noch weiter, so zwar, dass jede Verrichtung besonderer Art auch durch besondere Functionäre ausgeführt würde, und frage sich nun, ob eine, wenn auch noch so weit getriebene Theilung der Arbeit jene vermehrende Wirkung auf die den Mitgliedern des Volkes verfügbaren Genussmittel haben würde, welche Adam Smith als eine Folge der fortschreitenden Arbeitstheilung be- zeichnet. Offenbar wird jenes Volk, und so jedes andere, auf dem obigen Wege die bisherige Arbeitswirkung mit geringerer Anstrengung und mit der bisherigen Anstrengung eine grössere Arbeitswirkung erzielen, also seine Lage, so weit dies auf dem Wege einer zweckmässigeren und wirksameren Verrichtung der occupatorischen Arbeiten überhaupt möglich ist, ver- bessern; diese Verbesserung wird indess doch gar sehr ver- schieden sein von jener, welche wir bei wirthschaftlich fort- schreitenden Völkern thatsächlich beobachten können. Greift dagegen ein Volk, anstatt sich lediglich auf die occupatorische Thätigkeit, das ist auf das Aufsammeln der vorhandenen Güter niederer Ordnung, (in den rohesten Zuständen der Menschen zu- meist Güter erster und etwa zweiter Ordnung,) zu beschränken, zu den Gütern dritter, vierter und höherer Ordnung und schreitet dasselbe in der Heranziehung von Gütern zur Befriedigung seiner

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/45>, abgerufen am 28.03.2024.