Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.Ueber das Wesen der Güter. Zusammenhang mit der Befriedigung menschlicher Bedürfnissegesetzt zu werden, nennen wir Nützlichkeiten, wofern wir diesen Causal-Zusammenhang aber erkennen und es zugleich in unserer Macht haben, die in Rede stehenden Dinge zur Befrie- digung unserer Bedürfnisse thatsächlich heranzuziehen, nennen wir sie Güter *). *) Aristoteles nennt (Polit. I. 3) die Mittel zum Leben und Wohler-
gehen der Menschen: "Güter." Der vorwiegend ethische Standpunkt, von welchem das Alterthum die Lebensverhältnisse betrachtet, macht sich im Uebrigen in den Anschauungen der meisten Alten über das Wesen der Nützlichkeit, bez. der Güter geltend, gleichwie der religiöse Standpunkt in jenen der mittelalter- lichen Schriftsteller. "Nihil utile, nisi quod ad vitae illius eternae prosit gratiam," sagt Ambrosius, und noch Thomassin, seinen wirthschaftlichen Anschauungen nach dem Mittelalter angehörig, schreibt in seinem: Traite de negoce 1697 (S. 22): "L'utilite meme se mesure par les considerations de la vie eternelle." Von den Neuern definirt Forbonnais die Güter (biens): "Les proprietes, qui ne rendent pas une production annuelle, telles que les meubles precieux, les fruits destinees a la consommation" (Principes econo- miques, 1767, Chap. I., S. 174. ff., ed. Daire), indem er dieselben den "richesses" (Gütern, welche einen Ertrag abwerfen) gegenüberstellt, wie dies in einem andern Sinne auch von Dupont (Physiokratie, p. CXVIII) ge- schieht. Der Gebrauch des Wortes "Gut" in dem der heutigen Wissenschaft eigenthümlichen Sinne schon bei Le Trosne, (de l'interet social, 1777 Ch. I. §. 1,) welcher den Bedürfnissen die Mittel zur Befriedigung derselben gegenüberstellt, und diese letztern Güter (biens) nennt. Vgl. auch Necker: Legislation et commerce des grains, 1775, Part. I., Ch. 4. Say nennt (Cours d'econ. polit., 1828, I., S. 132) Güter (biens): "les moyens que nous avons de satisfaire nos besoins." Die Entwickelung, welche die Lehre vom Gute in Deutschland genommen, ist aus dem Nachfolgenden ersichtlich: Es definiren den Begriff des Gutes: Soden (Nationalökonomie, 1805, I., §. 43): = Genuss- mittel; H. L. v. Jacob (Grundsätze der Nationalök., 1806, §. 23): "Alles, was zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient;" Hufeland: (Neue Grundlegung der Staatswiss., 1807, I., §. 1): "Jedes Mittel zu einem Zwecke eines Menschen;" Storch: (Cours d'econom. polit., 1815, I., p. 56 ff.) sagt: "L'arret que notre jugement porte sur l'utilite des choses... en fait des biens." Auf seiner Grundlage definirt dann Fulda (Kammeralwissenschaften, 1816, S. 2, ed. 1820): "Gut" = jede Sache, welche der Mensch zur Be- friedigung seiner Bedürfnisse als Mittel anerkennt" (vgl. aber auch schon Hufeland a. a. O., I., §. 5), Roscher (System I., §. 1): "Alles dasjenige, was zur Befriedigung eines wahren menschlichen Bedürfnisses anerkannt brauchbar ist." Ueber das Wesen der Güter. Zusammenhang mit der Befriedigung menschlicher Bedürfnissegesetzt zu werden, nennen wir Nützlichkeiten, wofern wir diesen Causal-Zusammenhang aber erkennen und es zugleich in unserer Macht haben, die in Rede stehenden Dinge zur Befrie- digung unserer Bedürfnisse thatsächlich heranzuziehen, nennen wir sie Güter *). *) Aristoteles nennt (Polit. I. 3) die Mittel zum Leben und Wohler-
gehen der Menschen: „Güter.“ Der vorwiegend ethische Standpunkt, von welchem das Alterthum die Lebensverhältnisse betrachtet, macht sich im Uebrigen in den Anschauungen der meisten Alten über das Wesen der Nützlichkeit, bez. der Güter geltend, gleichwie der religiöse Standpunkt in jenen der mittelalter- lichen Schriftsteller. „Nihil utile, nisi quod ad vitae illius eternae prosit gratiam,“ sagt Ambrosius, und noch Thomassin, seinen wirthschaftlichen Anschauungen nach dem Mittelalter angehörig, schreibt in seinem: Traité de negoce 1697 (S. 22): „L’utilité même se mesure par les considérations de la vie eternelle.“ Von den Neuern definirt Forbonnais die Güter (biens): „Les propriétés, qui ne rendent pas une production annuelle, telles que les meubles precieux, les fruits destinées à la consommation“ (Principes écono- miques, 1767, Chap. I., S. 174. ff., ed. Daire), indem er dieselben den „richesses“ (Gütern, welche einen Ertrag abwerfen) gegenüberstellt, wie dies in einem andern Sinne auch von Dupont (Physiokratie, p. CXVIII) ge- schieht. Der Gebrauch des Wortes „Gut“ in dem der heutigen Wissenschaft eigenthümlichen Sinne schon bei Le Trosne, (de l’intérêt social, 1777 Ch. I. §. 1,) welcher den Bedürfnissen die Mittel zur Befriedigung derselben gegenüberstellt, und diese letztern Güter (biens) nennt. Vgl. auch Necker: Legislation et commerce des grains, 1775, Part. I., Ch. 4. Say nennt (Cours d’écon. polit., 1828, I., S. 132) Güter (biens): „les moyens que nous avons de satisfaire nos besoins.“ Die Entwickelung, welche die Lehre vom Gute in Deutschland genommen, ist aus dem Nachfolgenden ersichtlich: Es definiren den Begriff des Gutes: Soden (Nationalökonomie, 1805, I., §. 43): = Genuss- mittel; H. L. v. Jacob (Grundsätze der Nationalök., 1806, §. 23): „Alles, was zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient;“ Hufeland: (Neue Grundlegung der Staatswiss., 1807, I., §. 1): „Jedes Mittel zu einem Zwecke eines Menschen;“ Storch: (Cours d’économ. polit., 1815, I., p. 56 ff.) sagt: „L’arrêt que notre jugement porte sur l’utilité des choses… en fait des biens.“ Auf seiner Grundlage definirt dann Fulda (Kammeralwissenschaften, 1816, S. 2, ed. 1820): „Gut“ = jede Sache, welche der Mensch zur Be- friedigung seiner Bedürfnisse als Mittel anerkennt“ (vgl. aber auch schon Hufeland a. a. 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Ueber das Wesen der Güter.
Zusammenhang mit der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
gesetzt zu werden, nennen wir Nützlichkeiten, wofern wir
diesen Causal-Zusammenhang aber erkennen und es zugleich in
unserer Macht haben, die in Rede stehenden Dinge zur Befrie-
digung unserer Bedürfnisse thatsächlich heranzuziehen, nennen
wir sie Güter *).
*) Aristoteles nennt (Polit. I. 3) die Mittel zum Leben und Wohler-
gehen der Menschen: „Güter.“ Der vorwiegend ethische Standpunkt, von welchem
das Alterthum die Lebensverhältnisse betrachtet, macht sich im Uebrigen
in den Anschauungen der meisten Alten über das Wesen der Nützlichkeit, bez.
der Güter geltend, gleichwie der religiöse Standpunkt in jenen der mittelalter-
lichen Schriftsteller. „Nihil utile, nisi quod ad vitae illius eternae prosit
gratiam,“ sagt Ambrosius, und noch Thomassin, seinen wirthschaftlichen
Anschauungen nach dem Mittelalter angehörig, schreibt in seinem: Traité
de negoce 1697 (S. 22): „L’utilité même se mesure par les considérations
de la vie eternelle.“ Von den Neuern definirt Forbonnais die Güter (biens):
„Les propriétés, qui ne rendent pas une production annuelle, telles que les
meubles precieux, les fruits destinées à la consommation“ (Principes écono-
miques, 1767, Chap. I., S. 174. ff., ed. Daire), indem er dieselben den
„richesses“ (Gütern, welche einen Ertrag abwerfen) gegenüberstellt, wie dies
in einem andern Sinne auch von Dupont (Physiokratie, p. CXVIII) ge-
schieht. Der Gebrauch des Wortes „Gut“ in dem der heutigen Wissenschaft
eigenthümlichen Sinne schon bei Le Trosne, (de l’intérêt social, 1777
Ch. I. §. 1,) welcher den Bedürfnissen die Mittel zur Befriedigung derselben
gegenüberstellt, und diese letztern Güter (biens) nennt. Vgl. auch Necker:
Legislation et commerce des grains, 1775, Part. I., Ch. 4. Say nennt (Cours
d’écon. polit., 1828, I., S. 132) Güter (biens): „les moyens que nous avons de
satisfaire nos besoins.“ Die Entwickelung, welche die Lehre vom Gute in
Deutschland genommen, ist aus dem Nachfolgenden ersichtlich: Es definiren
den Begriff des Gutes: Soden (Nationalökonomie, 1805, I., §. 43): = Genuss-
mittel; H. L. v. Jacob (Grundsätze der Nationalök., 1806, §. 23): „Alles,
was zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient;“ Hufeland: (Neue
Grundlegung der Staatswiss., 1807, I., §. 1): „Jedes Mittel zu einem Zwecke
eines Menschen;“ Storch: (Cours d’économ. polit., 1815, I., p. 56 ff.) sagt:
„L’arrêt que notre jugement porte sur l’utilité des choses… en fait des
biens.“ Auf seiner Grundlage definirt dann Fulda (Kammeralwissenschaften,
1816, S. 2, ed. 1820): „Gut“ = jede Sache, welche der Mensch zur Be-
friedigung seiner Bedürfnisse als Mittel anerkennt“ (vgl. aber auch schon
Hufeland a. a. O., I., §. 5), Roscher (System I., §. 1): „Alles dasjenige, was
zur Befriedigung eines wahren menschlichen Bedürfnisses anerkannt
brauchbar ist.“
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