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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
um die Erklärung der Ursachen der Verschiedenheit des Werthes
zweier oder mehrerer concreter Güter oder Güterquantitäten
handelt, seiner Lösung zuzuführen.


dürfnisse, zu deren Befriedigung ein Gut tauglich ist, kann demnach an und
für sich nicht das massgebende Moment des Werthes eines Gutes sein,
selbst wenn man von dem Umstande absehen will, dass die meisten Güter
doch zur Befriedigung verschiedener Bedürfnisse, deren Intensivität gleich-
falls eine verschiedene ist, dienlich sind, und somit bei dem obigen Prin-
cipe die sichere Bestimmung der massgebenden Grösse, also dasjenige zweifel-
haft bleibt, was eben in Frage ist. Eben so wenig ist aber auch die Inten-
sivität der Schwierigkeit des Erlangens eines Gutes an und für sich das
Mass seines Werthes. Güter von sehr geringem Werthe sind nicht selten nur mit
den grössten Schwierigkeiten zu erlangen, und ist es nicht richtig, dass die
wirthschaftliche Thätigkeit der Menschen um so energischer in Anregung
kommt, je grösser die obigen Schwierigkeiten sind. Im Gegentheil richten
die Menschen ihre wirthschaftliche Thätigkeit stets auf die Erlangung jener
Güter, welche bei gleicher Dringlichkeit des Bedürfnisses mit den geringsten
Schwierigkeiten erlangt werden können. Weder der eine noch der andere
Theil des obigen Doppelprincips bietet demnach an und für sich ein mass-
gebendes Princip für die Werthbestimmung. Allerdings sagt Sch.: "Je mehr
diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens und Intensivität der
Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto stärker tritt
die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit leitende Be-
wusstsein." Es ist aber klar, dass, wenn wir uns auch, wie Sch. dies (a. a. O.
S. 7) ausdrücklich betont, die wirthschaftliche Thätigkeit "mit Bewusstsein
auf die allseitige Erfüllung der sittlich vernünftigen Lebenszwecke gerichtet,"
oder mit andern Worten die Güter in den Händen vernünftig wirthschaf-
tender Subjecte denken -- ein Umstand, in dem, wie Sch. ganz richtig erkannt
hat, allerdings ein wesentliches Moment zur Lösung der obigen Widersprüche
liegt -- doch die Frage ungelöst bleibt, wie eigentlich "die beiden obigen
Factoren auf einander wirken" und wie so in Folge dieser gegenseitigen
Einwirkung ein jedes Gut ein bestimmtes Mass der Bedeutung für die
wirthschaftenden Menschen erlangt. -- Unter den neuern Nationalökonomen,
welche die Lehre vom Werthmasse als Theil eines Systens behandelt haben, ist
insbesondere Stein wegen der originellen Auffassung dieser Lehre zu
nennen. St., welcher den Werth (System der Staatswissenschaft I., S. 169 ff.,
1852) als "das Verhältniss des Masses eines bestimmten Gutes zum Leben
der Güter überhaupt" definirt, gelangt (S. 171 ff.) zu der folgenden Formel für
die Bestimmung des Werthmasses: "Das wirkliche Werthmass eines Gutes
wird gefunden, indem die Masse der übrigen Güter mit der Masse des frag-
lichen Gutes dividirt wird. Um dies aber zu können, muss zuerst für die
gesammte Gütermasse ein gleichnamiger Nenner gefunden werden.
Dieser gleichartige Nenner, oder die Gleichartigkeit der Güter, ist für sie aber

Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
um die Erklärung der Ursachen der Verschiedenheit des Werthes
zweier oder mehrerer concreter Güter oder Güterquantitäten
handelt, seiner Lösung zuzuführen.


dürfnisse, zu deren Befriedigung ein Gut tauglich ist, kann demnach an und
für sich nicht das massgebende Moment des Werthes eines Gutes sein,
selbst wenn man von dem Umstande absehen will, dass die meisten Güter
doch zur Befriedigung verschiedener Bedürfnisse, deren Intensivität gleich-
falls eine verschiedene ist, dienlich sind, und somit bei dem obigen Prin-
cipe die sichere Bestimmung der massgebenden Grösse, also dasjenige zweifel-
haft bleibt, was eben in Frage ist. Eben so wenig ist aber auch die Inten-
sivität der Schwierigkeit des Erlangens eines Gutes an und für sich das
Mass seines Werthes. Güter von sehr geringem Werthe sind nicht selten nur mit
den grössten Schwierigkeiten zu erlangen, und ist es nicht richtig, dass die
wirthschaftliche Thätigkeit der Menschen um so energischer in Anregung
kommt, je grösser die obigen Schwierigkeiten sind. Im Gegentheil richten
die Menschen ihre wirthschaftliche Thätigkeit stets auf die Erlangung jener
Güter, welche bei gleicher Dringlichkeit des Bedürfnisses mit den geringsten
Schwierigkeiten erlangt werden können. Weder der eine noch der andere
Theil des obigen Doppelprincips bietet demnach an und für sich ein mass-
gebendes Princip für die Werthbestimmung. Allerdings sagt Sch.: „Je mehr
diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens und Intensivität der
Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto stärker tritt
die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit leitende Be-
wusstsein.“ Es ist aber klar, dass, wenn wir uns auch, wie Sch. dies (a. a. O.
S. 7) ausdrücklich betont, die wirthschaftliche Thätigkeit „mit Bewusstsein
auf die allseitige Erfüllung der sittlich vernünftigen Lebenszwecke gerichtet,“
oder mit andern Worten die Güter in den Händen vernünftig wirthschaf-
tender Subjecte denken — ein Umstand, in dem, wie Sch. ganz richtig erkannt
hat, allerdings ein wesentliches Moment zur Lösung der obigen Widersprüche
liegt — doch die Frage ungelöst bleibt, wie eigentlich „die beiden obigen
Factoren auf einander wirken“ und wie so in Folge dieser gegenseitigen
Einwirkung ein jedes Gut ein bestimmtes Mass der Bedeutung für die
wirthschaftenden Menschen erlangt. — Unter den neuern Nationalökonomen,
welche die Lehre vom Werthmasse als Theil eines Systens behandelt haben, ist
insbesondere Stein wegen der originellen Auffassung dieser Lehre zu
nennen. St., welcher den Werth (System der Staatswissenschaft I., S. 169 ff.,
1852) als „das Verhältniss des Masses eines bestimmten Gutes zum Leben
der Güter überhaupt“ definirt, gelangt (S. 171 ff.) zu der folgenden Formel für
die Bestimmung des Werthmasses: „Das wirkliche Werthmass eines Gutes
wird gefunden, indem die Masse der übrigen Güter mit der Masse des frag-
lichen Gutes dividirt wird. Um dies aber zu können, muss zuerst für die
gesammte Gütermasse ein gleichnamiger Nenner gefunden werden.
Dieser gleichartige Nenner, oder die Gleichartigkeit der Güter, ist für sie aber
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[112/0130] Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes. um die Erklärung der Ursachen der Verschiedenheit des Werthes zweier oder mehrerer concreter Güter oder Güterquantitäten handelt, seiner Lösung zuzuführen. *) *) dürfnisse, zu deren Befriedigung ein Gut tauglich ist, kann demnach an und für sich nicht das massgebende Moment des Werthes eines Gutes sein, selbst wenn man von dem Umstande absehen will, dass die meisten Güter doch zur Befriedigung verschiedener Bedürfnisse, deren Intensivität gleich- falls eine verschiedene ist, dienlich sind, und somit bei dem obigen Prin- cipe die sichere Bestimmung der massgebenden Grösse, also dasjenige zweifel- haft bleibt, was eben in Frage ist. Eben so wenig ist aber auch die Inten- sivität der Schwierigkeit des Erlangens eines Gutes an und für sich das Mass seines Werthes. Güter von sehr geringem Werthe sind nicht selten nur mit den grössten Schwierigkeiten zu erlangen, und ist es nicht richtig, dass die wirthschaftliche Thätigkeit der Menschen um so energischer in Anregung kommt, je grösser die obigen Schwierigkeiten sind. Im Gegentheil richten die Menschen ihre wirthschaftliche Thätigkeit stets auf die Erlangung jener Güter, welche bei gleicher Dringlichkeit des Bedürfnisses mit den geringsten Schwierigkeiten erlangt werden können. Weder der eine noch der andere Theil des obigen Doppelprincips bietet demnach an und für sich ein mass- gebendes Princip für die Werthbestimmung. Allerdings sagt Sch.: „Je mehr diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens und Intensivität der Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto stärker tritt die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit leitende Be- wusstsein.“ Es ist aber klar, dass, wenn wir uns auch, wie Sch. dies (a. a. O. S. 7) ausdrücklich betont, die wirthschaftliche Thätigkeit „mit Bewusstsein auf die allseitige Erfüllung der sittlich vernünftigen Lebenszwecke gerichtet,“ oder mit andern Worten die Güter in den Händen vernünftig wirthschaf- tender Subjecte denken — ein Umstand, in dem, wie Sch. ganz richtig erkannt hat, allerdings ein wesentliches Moment zur Lösung der obigen Widersprüche liegt — doch die Frage ungelöst bleibt, wie eigentlich „die beiden obigen Factoren auf einander wirken“ und wie so in Folge dieser gegenseitigen Einwirkung ein jedes Gut ein bestimmtes Mass der Bedeutung für die wirthschaftenden Menschen erlangt. — Unter den neuern Nationalökonomen, welche die Lehre vom Werthmasse als Theil eines Systens behandelt haben, ist insbesondere Stein wegen der originellen Auffassung dieser Lehre zu nennen. St., welcher den Werth (System der Staatswissenschaft I., S. 169 ff., 1852) als „das Verhältniss des Masses eines bestimmten Gutes zum Leben der Güter überhaupt“ definirt, gelangt (S. 171 ff.) zu der folgenden Formel für die Bestimmung des Werthmasses: „Das wirkliche Werthmass eines Gutes wird gefunden, indem die Masse der übrigen Güter mit der Masse des frag- lichen Gutes dividirt wird. Um dies aber zu können, muss zuerst für die gesammte Gütermasse ein gleichnamiger Nenner gefunden werden. Dieser gleichartige Nenner, oder die Gleichartigkeit der Güter, ist für sie aber

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/130>, abgerufen am 30.04.2024.