Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Wenn nun eine grosse Anzahl von Volkswirthschaftslehrern den nicht ökonomischen Gütern zwar keinen Tauschwerth, wohl aber Gebrauchswerth zuschreibt, ja einige neuere englische und französische Nationalökonomen den Begriff des Gebrauchswerthes überhaupt aus unserer Wissenschaft verbannt und an dessen Stelle den Begriff der Nützlichkeit gesetzt sehen wollen; so beruht dies auf einer Verkennung des wichtigen Unterschiedes zwischen den beiden obigen Begriffen und den ihnen zu Grunde liegenden Lebenserscheinungen.
Nützlichkeit ist die Tauglichkeit eines Dinges, der Befriedi- gung menschlicher Bedürfnisse zu dienen, und demnach (und zwar die erkannte Nützlichkeit) eine allgemeine Voraussetzung der Güterqualität. Auch nicht ökonomische Güter sind nützlich, indem dieselben zur Befriedigung unserer Bedürfnisse ebenso wohl tauglich sind, als die ökonomischen, und diese Tauglichkeit muss auch bei ihnen eine von den Menschen erkannte sein, sonst könnten sie überhaupt nicht die Güterqualität erlangen. Was aber ein nicht ökonomisches Gut von einem solchen unter- scheidet, welches in dem den ökonomischen Charakter begrün- denden Quantitätenverhältnisse steht, das ist der Umstand, dass nicht von der Verfügung über concrete Quantitäten des erstern, wohl aber von einer solchen über concrete Quantitäten des letztern die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse abhängig ist, und somit die ersteren wohl Nützlichkeit, nur die letzteren aber neben ihrer Nützlichkeit auch jene Bedeutung für uns haben, die wir Werth nennen.
Allerdings hat der Irrthum, welcher der Verwechslung von Nützlichkeit und Gebrauchswerth zu Grunde liegt, auf die prac- tische Thätigkeit der Menschen keinen Einfluss gehabt. Vor wie nach hat kein wirthschaftendes Subject unter gewöhnlichen Ver- hältnissen einem Cubikfuss Luft, oder in quellenreichen Gegenden einem Schoppen Wasser Werth beigelegt, und der Practiker unter- scheidet die Tauglichkeit einer Sache, zur Befriedigung eines seiner Bedürfnisse zu dienen, gar sehr von ihrem Werthe; wohl aber ist der obige Irrthum ein arges Hemmniss für die Ausbil- dung der allgemeineren Lehren unserer Wissenschaft geworden *). --
*) Proudhon (Systeme des contradictions economiques, Ch. II, §. 1) wird durch den obigen Irrthum verleitet, einen unlösbaren Widerspruch zwischen dem Gebrauchswerthe und dem Tauschwerthe zu constatiren.
Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Wenn nun eine grosse Anzahl von Volkswirthschaftslehrern den nicht ökonomischen Gütern zwar keinen Tauschwerth, wohl aber Gebrauchswerth zuschreibt, ja einige neuere englische und französische Nationalökonomen den Begriff des Gebrauchswerthes überhaupt aus unserer Wissenschaft verbannt und an dessen Stelle den Begriff der Nützlichkeit gesetzt sehen wollen; so beruht dies auf einer Verkennung des wichtigen Unterschiedes zwischen den beiden obigen Begriffen und den ihnen zu Grunde liegenden Lebenserscheinungen.
Nützlichkeit ist die Tauglichkeit eines Dinges, der Befriedi- gung menschlicher Bedürfnisse zu dienen, und demnach (und zwar die erkannte Nützlichkeit) eine allgemeine Voraussetzung der Güterqualität. Auch nicht ökonomische Güter sind nützlich, indem dieselben zur Befriedigung unserer Bedürfnisse ebenso wohl tauglich sind, als die ökonomischen, und diese Tauglichkeit muss auch bei ihnen eine von den Menschen erkannte sein, sonst könnten sie überhaupt nicht die Güterqualität erlangen. Was aber ein nicht ökonomisches Gut von einem solchen unter- scheidet, welches in dem den ökonomischen Charakter begrün- denden Quantitätenverhältnisse steht, das ist der Umstand, dass nicht von der Verfügung über concrete Quantitäten des erstern, wohl aber von einer solchen über concrete Quantitäten des letztern die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse abhängig ist, und somit die ersteren wohl Nützlichkeit, nur die letzteren aber neben ihrer Nützlichkeit auch jene Bedeutung für uns haben, die wir Werth nennen.
Allerdings hat der Irrthum, welcher der Verwechslung von Nützlichkeit und Gebrauchswerth zu Grunde liegt, auf die prac- tische Thätigkeit der Menschen keinen Einfluss gehabt. Vor wie nach hat kein wirthschaftendes Subject unter gewöhnlichen Ver- hältnissen einem Cubikfuss Luft, oder in quellenreichen Gegenden einem Schoppen Wasser Werth beigelegt, und der Practiker unter- scheidet die Tauglichkeit einer Sache, zur Befriedigung eines seiner Bedürfnisse zu dienen, gar sehr von ihrem Werthe; wohl aber ist der obige Irrthum ein arges Hemmniss für die Ausbil- dung der allgemeineren Lehren unserer Wissenschaft geworden *). —
*) Proudhon (Système des contradictions économiques, Ch. II, §. 1) wird durch den obigen Irrthum verleitet, einen unlösbaren Widerspruch zwischen dem Gebrauchswerthe und dem Tauschwerthe zu constatiren.
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Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Wenn nun eine grosse Anzahl von Volkswirthschaftslehrern
den nicht ökonomischen Gütern zwar keinen Tauschwerth, wohl
aber Gebrauchswerth zuschreibt, ja einige neuere englische und
französische Nationalökonomen den Begriff des Gebrauchswerthes
überhaupt aus unserer Wissenschaft verbannt und an dessen
Stelle den Begriff der Nützlichkeit gesetzt sehen wollen; so
beruht dies auf einer Verkennung des wichtigen Unterschiedes
zwischen den beiden obigen Begriffen und den ihnen zu Grunde
liegenden Lebenserscheinungen.
Nützlichkeit ist die Tauglichkeit eines Dinges, der Befriedi-
gung menschlicher Bedürfnisse zu dienen, und demnach (und
zwar die erkannte Nützlichkeit) eine allgemeine Voraussetzung
der Güterqualität. Auch nicht ökonomische Güter sind nützlich,
indem dieselben zur Befriedigung unserer Bedürfnisse ebenso
wohl tauglich sind, als die ökonomischen, und diese Tauglichkeit
muss auch bei ihnen eine von den Menschen erkannte sein,
sonst könnten sie überhaupt nicht die Güterqualität erlangen.
Was aber ein nicht ökonomisches Gut von einem solchen unter-
scheidet, welches in dem den ökonomischen Charakter begrün-
denden Quantitätenverhältnisse steht, das ist der Umstand, dass
nicht von der Verfügung über concrete Quantitäten des erstern,
wohl aber von einer solchen über concrete Quantitäten des
letztern die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse abhängig ist,
und somit die ersteren wohl Nützlichkeit, nur die letzteren aber
neben ihrer Nützlichkeit auch jene Bedeutung für uns haben, die
wir Werth nennen.
Allerdings hat der Irrthum, welcher der Verwechslung von
Nützlichkeit und Gebrauchswerth zu Grunde liegt, auf die prac-
tische Thätigkeit der Menschen keinen Einfluss gehabt. Vor wie
nach hat kein wirthschaftendes Subject unter gewöhnlichen Ver-
hältnissen einem Cubikfuss Luft, oder in quellenreichen Gegenden
einem Schoppen Wasser Werth beigelegt, und der Practiker unter-
scheidet die Tauglichkeit einer Sache, zur Befriedigung eines
seiner Bedürfnisse zu dienen, gar sehr von ihrem Werthe; wohl
aber ist der obige Irrthum ein arges Hemmniss für die Ausbil-
dung der allgemeineren Lehren unserer Wissenschaft geworden *). —
*) Proudhon (Système des contradictions économiques, Ch. II, §. 1) wird
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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/102>, abgerufen am 16.02.2025.
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