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Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884.

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unserer eigenen Ansichten und für die Belehrung, die
wir aus seinen Schriften geschöpft haben, den Dank
zu erstatten, den wir ihm schulden? Das schwierigste
und unerquicklichste auf dem Gebiete der Wissen-
schaft ist stets der kritische Contact mit einseitigen Ver-
tretern praktischer Parteibestrebungen, mit Männern,
welche ihre Einseitigkeit und die schlechten Gewohn-
heiten des Parteikampfes auf die wissenschaftliche Dis-
cussion übertragen; um wie viel unerfreulicher, wenn
solche Gegner gar mit dem Anspruche überlegener
Wissenschaftlichkeit auftreten!

Wie in einer von sachkundiger Hand angelegten
Fachbibliothek, und wäre dieselbe noch so reichhaltig,
das Auge des Kenners leicht einzelne Lücken zu ent-
decken vermag, in einer willkürlich zusammengewürfel-
ten Bücherei dagegen vergeblich nach einem Ruhe-
punkte sucht und sich schliesslich abwendet, weil
dergleichen eigentlich die ernste Beurtheilung nicht
herausfordert: so auch, wo es sich um die Beur-
theilung des Wissens eines Schriftstellers handelt. Die
Stärke des methodologischen Standpunktes Schmol-
ler
's liegt darin, dass derselbe unfassbar, unter
jeder ernsten Kritik ist. Und da wollen Sie es mir
verargen, wenn ich mich weder durch die historisch-
philosophischen Studien, von denen er uns unab-
lässig erzählt, noch auch durch seine Vorlesung über
die Methodologie der Staatswissenschaften, zu welcher
er sich eben "rüstet", irre führen lasse und den
Methodiker Schmoller nicht ernster nehme, als er
es verdient?

Was würden Sie z. B. dazu sagen, wenn ich die
Gedanken Schmoller's über die eigentlichen metho-
dologischen Probleme unserer Wissenschaft hier eines
Nähern beleuchten wollte?

unserer eigenen Ansichten und für die Belehrung, die
wir aus seinen Schriften geschöpft haben, den Dank
zu erstatten, den wir ihm schulden? Das schwierigste
und unerquicklichste auf dem Gebiete der Wissen-
schaft ist stets der kritische Contact mit einseitigen Ver-
tretern praktischer Parteibestrebungen, mit Männern,
welche ihre Einseitigkeit und die schlechten Gewohn-
heiten des Parteikampfes auf die wissenschaftliche Dis-
cussion übertragen; um wie viel unerfreulicher, wenn
solche Gegner gar mit dem Anspruche überlegener
Wissenschaftlichkeit auftreten!

Wie in einer von sachkundiger Hand angelegten
Fachbibliothek, und wäre dieselbe noch so reichhaltig,
das Auge des Kenners leicht einzelne Lücken zu ent-
decken vermag, in einer willkürlich zusammengewürfel-
ten Bücherei dagegen vergeblich nach einem Ruhe-
punkte sucht und sich schliesslich abwendet, weil
dergleichen eigentlich die ernste Beurtheilung nicht
herausfordert: so auch, wo es sich um die Beur-
theilung des Wissens eines Schriftstellers handelt. Die
Stärke des methodologischen Standpunktes Schmol-
ler
’s liegt darin, dass derselbe unfassbar, unter
jeder ernsten Kritik ist. Und da wollen Sie es mir
verargen, wenn ich mich weder durch die historisch-
philosophischen Studien, von denen er uns unab-
lässig erzählt, noch auch durch seine Vorlesung über
die Methodologie der Staatswissenschaften, zu welcher
er sich eben „rüstet“, irre führen lasse und den
Methodiker Schmoller nicht ernster nehme, als er
es verdient?

Was würden Sie z. B. dazu sagen, wenn ich die
Gedanken Schmoller’s über die eigentlichen metho-
dologischen Probleme unserer Wissenschaft hier eines
Nähern beleuchten wollte?

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[73/0089] unserer eigenen Ansichten und für die Belehrung, die wir aus seinen Schriften geschöpft haben, den Dank zu erstatten, den wir ihm schulden? Das schwierigste und unerquicklichste auf dem Gebiete der Wissen- schaft ist stets der kritische Contact mit einseitigen Ver- tretern praktischer Parteibestrebungen, mit Männern, welche ihre Einseitigkeit und die schlechten Gewohn- heiten des Parteikampfes auf die wissenschaftliche Dis- cussion übertragen; um wie viel unerfreulicher, wenn solche Gegner gar mit dem Anspruche überlegener Wissenschaftlichkeit auftreten! Wie in einer von sachkundiger Hand angelegten Fachbibliothek, und wäre dieselbe noch so reichhaltig, das Auge des Kenners leicht einzelne Lücken zu ent- decken vermag, in einer willkürlich zusammengewürfel- ten Bücherei dagegen vergeblich nach einem Ruhe- punkte sucht und sich schliesslich abwendet, weil dergleichen eigentlich die ernste Beurtheilung nicht herausfordert: so auch, wo es sich um die Beur- theilung des Wissens eines Schriftstellers handelt. Die Stärke des methodologischen Standpunktes Schmol- ler’s liegt darin, dass derselbe unfassbar, unter jeder ernsten Kritik ist. Und da wollen Sie es mir verargen, wenn ich mich weder durch die historisch- philosophischen Studien, von denen er uns unab- lässig erzählt, noch auch durch seine Vorlesung über die Methodologie der Staatswissenschaften, zu welcher er sich eben „rüstet“, irre führen lasse und den Methodiker Schmoller nicht ernster nehme, als er es verdient? Was würden Sie z. B. dazu sagen, wenn ich die Gedanken Schmoller’s über die eigentlichen metho- dologischen Probleme unserer Wissenschaft hier eines Nähern beleuchten wollte?

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_historismus_1884/89>, abgerufen am 24.11.2024.