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Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884.

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"entweder ganz fehlen oder zurücktreten. Und ganz
"dasselbe gilt von der Finanzwissenschaft." *)

Schmoller beliebe zu überlegen, dass er in
diesem Satze seine Meinung plötzlich ändert. Um die
praktischen Wissenschaften zu theoretischen zu
erheben, will er von den erstern zwar, nach wie vor,
sämmtliche Grundsätze zum zweckmässigen Ein-
greifen in die Erscheinungen der Volkswirthschaft,
also dasjenige, was dieselben eben zu praktischen Wis-
senschaften macht, "abstreifen"; an diesem Gedanken
hält er fest; er will indess, -- wenn ich Schmoller
richtig verstanden habe -- an die Stelle der ihres
"Gewandes als Kunstlehren" völlig entkleideten prak-
tischen Wissenschaften, nicht mehr schlechthin die
Wirthschaftsgeschichte, sondern geschichtlich-statisti-
sche Darstellungen über die einzelnen Gebiete der
Volkswirthschaft, geordnet nach den Katego-
rien
der "allgemeinen" Nationalökonomie
setzen.

Ich will den Grundsatz der Juristen: "Lex poste-
rior derogat priori
" auf die Ausführungen Schmol-
ler
's anwenden und annehmen, dass er, was auch
sonst aus seinen Ausführungen hervorzugehen scheint,
nicht seiner ersten, sondern seiner zweiten Meinung sei,
und Sie fragen mich nun, was ich über die obige Art
und Weise zu bemerken habe, in welcher Schmoller
die praktischen Wissenschaften von der Volkswirth-
schaft zu theoretischen zu "erheben" gedenkt?

Mein den praktischen Wissenschaften von der
Volkswirthschaft in so hohem Masse, ja bis zur voll-
ständigen Negirung derselben als selbständige Wissen-
schaften abgeneigter Gegner wird mir nun wohl selbst

*) Jahrbuch, a. a. O. S. 241.
Menger, Die Irrthümer des Historismus. 5

„entweder ganz fehlen oder zurücktreten. Und ganz
„dasselbe gilt von der Finanzwissenschaft.“ *)

Schmoller beliebe zu überlegen, dass er in
diesem Satze seine Meinung plötzlich ändert. Um die
praktischen Wissenschaften zu theoretischen zu
erheben, will er von den erstern zwar, nach wie vor,
sämmtliche Grundsätze zum zweckmässigen Ein-
greifen in die Erscheinungen der Volkswirthschaft,
also dasjenige, was dieselben eben zu praktischen Wis-
senschaften macht, „abstreifen“; an diesem Gedanken
hält er fest; er will indess, — wenn ich Schmoller
richtig verstanden habe — an die Stelle der ihres
„Gewandes als Kunstlehren“ völlig entkleideten prak-
tischen Wissenschaften, nicht mehr schlechthin die
Wirthschaftsgeschichte, sondern geschichtlich-statisti-
sche Darstellungen über die einzelnen Gebiete der
Volkswirthschaft, geordnet nach den Katego-
rien
der „allgemeinen“ Nationalökonomie
setzen.

Ich will den Grundsatz der Juristen: „Lex poste-
rior derogat priori
“ auf die Ausführungen Schmol-
ler
’s anwenden und annehmen, dass er, was auch
sonst aus seinen Ausführungen hervorzugehen scheint,
nicht seiner ersten, sondern seiner zweiten Meinung sei,
und Sie fragen mich nun, was ich über die obige Art
und Weise zu bemerken habe, in welcher Schmoller
die praktischen Wissenschaften von der Volkswirth-
schaft zu theoretischen zu „erheben“ gedenkt?

Mein den praktischen Wissenschaften von der
Volkswirthschaft in so hohem Masse, ja bis zur voll-
ständigen Negirung derselben als selbständige Wissen-
schaften abgeneigter Gegner wird mir nun wohl selbst

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Menger, Die Irrthümer des Historismus. 5
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[65/0081] „entweder ganz fehlen oder zurücktreten. Und ganz „dasselbe gilt von der Finanzwissenschaft.“ *) Schmoller beliebe zu überlegen, dass er in diesem Satze seine Meinung plötzlich ändert. Um die praktischen Wissenschaften zu theoretischen zu erheben, will er von den erstern zwar, nach wie vor, sämmtliche Grundsätze zum zweckmässigen Ein- greifen in die Erscheinungen der Volkswirthschaft, also dasjenige, was dieselben eben zu praktischen Wis- senschaften macht, „abstreifen“; an diesem Gedanken hält er fest; er will indess, — wenn ich Schmoller richtig verstanden habe — an die Stelle der ihres „Gewandes als Kunstlehren“ völlig entkleideten prak- tischen Wissenschaften, nicht mehr schlechthin die Wirthschaftsgeschichte, sondern geschichtlich-statisti- sche Darstellungen über die einzelnen Gebiete der Volkswirthschaft, geordnet nach den Katego- rien der „allgemeinen“ Nationalökonomie setzen. Ich will den Grundsatz der Juristen: „Lex poste- rior derogat priori“ auf die Ausführungen Schmol- ler’s anwenden und annehmen, dass er, was auch sonst aus seinen Ausführungen hervorzugehen scheint, nicht seiner ersten, sondern seiner zweiten Meinung sei, und Sie fragen mich nun, was ich über die obige Art und Weise zu bemerken habe, in welcher Schmoller die praktischen Wissenschaften von der Volkswirth- schaft zu theoretischen zu „erheben“ gedenkt? Mein den praktischen Wissenschaften von der Volkswirthschaft in so hohem Masse, ja bis zur voll- ständigen Negirung derselben als selbständige Wissen- schaften abgeneigter Gegner wird mir nun wohl selbst *) Jahrbuch, a. a. O. S. 241. Menger, Die Irrthümer des Historismus. 5

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_historismus_1884/81>, abgerufen am 24.11.2024.