Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

und Verfolgungssucht bey der Wurzel gefaßt
und ausgerottet; so ist der Heucheley die Geis-
sel, und dem Fanatismus das Schwerdt aus
der Hand gewunden, und die glücklichen Tage
treten ein, da es heißt; der Wolf wird mit
dem Lamme wohnen, und der Leopard ne-
ben der Ziege
u. s w. -- Sie, die Sanft-
müthigen, die dieses in Vorschlag bringen, sind
bereit Hand ans Werk zu legen; sie wollen
als Unterhändler zusammentreten und sich die
menschenfreundliche Mühe geben, einen Glau-
bensvergleich zu Stande zu bringen; um Wahr-
heiten
wie um Rechte, wie um feiles Kaufmanns-
gut, zu handeln, wollen fordern, bieten, din-
gen, abdrohen und abbitten, übereilen und
überlisten, bis die Parteyen sich einander in die
Hände schlagen, und der Vertrag zur Glückse-
ligkeit des menschlichen Geschlechts niederge-
schrieben werden kann. Viele, die ein solches
Vorhaben zwar als chimärisch und unaus-
führbar verwerfen, sprechen doch von der
Glaubenseinigkeit, als von einem sehr wün-
schenswerthen Zustande, und bedauern das
menschliche Geschlecht mit Leidwesen, daß

dieser

und Verfolgungsſucht bey der Wurzel gefaßt
und ausgerottet; ſo iſt der Heucheley die Geiſ-
ſel, und dem Fanatismus das Schwerdt aus
der Hand gewunden, und die gluͤcklichen Tage
treten ein, da es heißt; der Wolf wird mit
dem Lamme wohnen, und der Leopard ne-
ben der Ziege
u. ſ w. — Sie, die Sanft-
muͤthigen, die dieſes in Vorſchlag bringen, ſind
bereit Hand ans Werk zu legen; ſie wollen
als Unterhaͤndler zuſammentreten und ſich die
menſchenfreundliche Muͤhe geben, einen Glau-
bensvergleich zu Stande zu bringen; um Wahr-
heiten
wie um Rechte, wie um feiles Kaufmanns-
gut, zu handeln, wollen fordern, bieten, din-
gen, abdrohen und abbitten, uͤbereilen und
uͤberliſten, bis die Parteyen ſich einander in die
Haͤnde ſchlagen, und der Vertrag zur Gluͤckſe-
ligkeit des menſchlichen Geſchlechts niederge-
ſchrieben werden kann. Viele, die ein ſolches
Vorhaben zwar als chimaͤriſch und unaus-
fuͤhrbar verwerfen, ſprechen doch von der
Glaubenseinigkeit, als von einem ſehr wuͤn-
ſchenswerthen Zuſtande, und bedauern das
menſchliche Geſchlecht mit Leidweſen, daß

dieſer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0236" n="134"/>
und Verfolgungs&#x017F;ucht bey der Wurzel gefaßt<lb/>
und ausgerottet; &#x017F;o i&#x017F;t der Heucheley die Gei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;el, und dem Fanatismus das Schwerdt aus<lb/>
der Hand gewunden, und die glu&#x0364;cklichen Tage<lb/>
treten ein, da es heißt; <hi rendition="#fr">der Wolf wird mit<lb/>
dem Lamme wohnen, und der Leopard ne-<lb/>
ben der Ziege</hi> u. &#x017F; w. &#x2014; Sie, die Sanft-<lb/>
mu&#x0364;thigen, die die&#x017F;es in Vor&#x017F;chlag bringen, &#x017F;ind<lb/>
bereit Hand ans Werk zu legen; &#x017F;ie wollen<lb/>
als Unterha&#x0364;ndler zu&#x017F;ammentreten und &#x017F;ich die<lb/>
men&#x017F;chenfreundliche Mu&#x0364;he geben, einen Glau-<lb/>
bensvergleich zu Stande zu bringen; um <hi rendition="#fr">Wahr-<lb/>
heiten</hi> wie um <hi rendition="#fr">Rechte</hi>, wie um feiles Kaufmanns-<lb/>
gut, zu handeln, wollen fordern, bieten, din-<lb/>
gen, abdrohen und abbitten, u&#x0364;bereilen und<lb/>
u&#x0364;berli&#x017F;ten, bis die Parteyen &#x017F;ich einander in die<lb/>
Ha&#x0364;nde &#x017F;chlagen, und der Vertrag zur Glu&#x0364;ck&#x017F;e-<lb/>
ligkeit des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts niederge-<lb/>
&#x017F;chrieben werden kann. Viele, die ein &#x017F;olches<lb/>
Vorhaben zwar als chima&#x0364;ri&#x017F;ch und unaus-<lb/>
fu&#x0364;hrbar verwerfen, &#x017F;prechen doch von der<lb/>
Glaubenseinigkeit, als von einem &#x017F;ehr wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chenswerthen Zu&#x017F;tande, und bedauern das<lb/>
men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht mit Leidwe&#x017F;en, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;er</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0236] und Verfolgungsſucht bey der Wurzel gefaßt und ausgerottet; ſo iſt der Heucheley die Geiſ- ſel, und dem Fanatismus das Schwerdt aus der Hand gewunden, und die gluͤcklichen Tage treten ein, da es heißt; der Wolf wird mit dem Lamme wohnen, und der Leopard ne- ben der Ziege u. ſ w. — Sie, die Sanft- muͤthigen, die dieſes in Vorſchlag bringen, ſind bereit Hand ans Werk zu legen; ſie wollen als Unterhaͤndler zuſammentreten und ſich die menſchenfreundliche Muͤhe geben, einen Glau- bensvergleich zu Stande zu bringen; um Wahr- heiten wie um Rechte, wie um feiles Kaufmanns- gut, zu handeln, wollen fordern, bieten, din- gen, abdrohen und abbitten, uͤbereilen und uͤberliſten, bis die Parteyen ſich einander in die Haͤnde ſchlagen, und der Vertrag zur Gluͤckſe- ligkeit des menſchlichen Geſchlechts niederge- ſchrieben werden kann. Viele, die ein ſolches Vorhaben zwar als chimaͤriſch und unaus- fuͤhrbar verwerfen, ſprechen doch von der Glaubenseinigkeit, als von einem ſehr wuͤn- ſchenswerthen Zuſtande, und bedauern das menſchliche Geſchlecht mit Leidweſen, daß dieſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/236
Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/236>, abgerufen am 22.11.2024.