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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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Dingen mich nicht erdreisten, aus eigener Ver-
muthung und Gesetzdeuteley, ohne Autorität
des Gesetzgebers oder Gesetzverwesers, dem Ge-
setze zuwider zu handeln; um wie viel weniger
in göttlichen Dingen? Gesetze, die mit Landei-
gentum und Landeseinrichtung in nothwendiger
Verbindung stehen, führen ihre Befreyung mit
sich. Ohn Tempel und Priestertum und ausser-
halb Judäa, finden weder Opfer noch Reinigungs-
gesetz, noch priesterliche Abgabe Statt, in so
weit sie vom Landeigentume abhängen. Aber
persönliche Gebote, Pflichten die dem Sohne
Israels, ohne Rücksicht auf Tempeldienst und
Landeigentum in Palästina, auferlegt worden
sind, müssen, so viel wir einsehen können, strenge
nach den Worten des Gesetzes beobachtet wer-
den, bis es dem Allerhöchsten gefallen wird, un-
ser Gewissen zu beruhigen, und die Abstellung
derselben laut und öffentlich bekannt zu machen.

Hier heißt es offenbar: was Gott gebun-
den hat, kann der Mensch nicht lösen. Wenn
auch einer von uns zur christlichen Religion über-
gehet; so begreife ich nicht, wie er dadurch sein

Ge-
Zweiter Abschnitt. J

Dingen mich nicht erdreiſten, aus eigener Ver-
muthung und Geſetzdeuteley, ohne Autoritaͤt
des Geſetzgebers oder Geſetzverweſers, dem Ge-
ſetze zuwider zu handeln; um wie viel weniger
in goͤttlichen Dingen? Geſetze, die mit Landei-
gentum und Landeseinrichtung in nothwendiger
Verbindung ſtehen, fuͤhren ihre Befreyung mit
ſich. Ohn Tempel und Prieſtertum und auſſer-
halb Judaͤa, finden weder Opfer noch Reinigungs-
geſetz, noch prieſterliche Abgabe Statt, in ſo
weit ſie vom Landeigentume abhaͤngen. Aber
perſoͤnliche Gebote, Pflichten die dem Sohne
Iſraels, ohne Ruͤckſicht auf Tempeldienſt und
Landeigentum in Palaͤſtina, auferlegt worden
ſind, muͤſſen, ſo viel wir einſehen koͤnnen, ſtrenge
nach den Worten des Geſetzes beobachtet wer-
den, bis es dem Allerhoͤchſten gefallen wird, un-
ſer Gewiſſen zu beruhigen, und die Abſtellung
derſelben laut und oͤffentlich bekannt zu machen.

Hier heißt es offenbar: was Gott gebun-
den hat, kann der Menſch nicht loͤſen. Wenn
auch einer von uns zur chriſtlichen Religion uͤber-
gehet; ſo begreife ich nicht, wie er dadurch ſein

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Zweiter Abſchnitt. J
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[129/0231] Dingen mich nicht erdreiſten, aus eigener Ver- muthung und Geſetzdeuteley, ohne Autoritaͤt des Geſetzgebers oder Geſetzverweſers, dem Ge- ſetze zuwider zu handeln; um wie viel weniger in goͤttlichen Dingen? Geſetze, die mit Landei- gentum und Landeseinrichtung in nothwendiger Verbindung ſtehen, fuͤhren ihre Befreyung mit ſich. Ohn Tempel und Prieſtertum und auſſer- halb Judaͤa, finden weder Opfer noch Reinigungs- geſetz, noch prieſterliche Abgabe Statt, in ſo weit ſie vom Landeigentume abhaͤngen. Aber perſoͤnliche Gebote, Pflichten die dem Sohne Iſraels, ohne Ruͤckſicht auf Tempeldienſt und Landeigentum in Palaͤſtina, auferlegt worden ſind, muͤſſen, ſo viel wir einſehen koͤnnen, ſtrenge nach den Worten des Geſetzes beobachtet wer- den, bis es dem Allerhoͤchſten gefallen wird, un- ſer Gewiſſen zu beruhigen, und die Abſtellung derſelben laut und oͤffentlich bekannt zu machen. Hier heißt es offenbar: was Gott gebun- den hat, kann der Menſch nicht loͤſen. Wenn auch einer von uns zur chriſtlichen Religion uͤber- gehet; ſo begreife ich nicht, wie er dadurch ſein Ge- Zweiter Abſchnitt. J

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/231>, abgerufen am 18.05.2024.