tig seyn, durch seine Leiden so viel Gutes befer- dert zu haben. Und wenn dieses ist; so kann ich einen solchen Zustand nicht fürchten; so kann ich keine Offenbarung wünschen, daß ich niemals in diesen Zustand des großmüthigen, meine Mitgeschöpfe und mich selbst beglückenden Wohlwollens versetzt werden sollte. Was ich zu fürchten habe, ist die Sünde selbst. Habe ich die Sünde begangen; so ist die göttliche Strafe eine Wohlthat für mich, eine Wirkung seiner väterlichen Allbarmherzigkeit. So bald sie aufhört Wohlthat für mich zu seyn; so bin ich versichert, sie wird mir erlassen. Kann ich wünschen, daß mein Vater seine züchtigende Hand von mir abwende bevor sie gewirkt, was sie hat wirken sollen? Wenn ich bitte, daß mir Gott ein Vergehen soll ohne alle Ahndung hin- gehen lassen, weis ich wohl selbst was ich bitte? Ach! sicherlich, auch dieses ist eine Eigenschaft der unendlichen Liebe Gottes, daß er kein Ver- gehen der Menschen ohne alle Ahndung hingehen läßt! -- -- Sicherlich
Allmacht
tig ſeyn, durch ſeine Leiden ſo viel Gutes befer- dert zu haben. Und wenn dieſes iſt; ſo kann ich einen ſolchen Zuſtand nicht fuͤrchten; ſo kann ich keine Offenbarung wuͤnſchen, daß ich niemals in dieſen Zuſtand des großmuͤthigen, meine Mitgeſchoͤpfe und mich ſelbſt begluͤckenden Wohlwollens verſetzt werden ſollte. Was ich zu fuͤrchten habe, iſt die Suͤnde ſelbſt. Habe ich die Suͤnde begangen; ſo iſt die goͤttliche Strafe eine Wohlthat fuͤr mich, eine Wirkung ſeiner vaͤterlichen Allbarmherzigkeit. So bald ſie aufhoͤrt Wohlthat fuͤr mich zu ſeyn; ſo bin ich verſichert, ſie wird mir erlaſſen. Kann ich wuͤnſchen, daß mein Vater ſeine zuͤchtigende Hand von mir abwende bevor ſie gewirkt, was ſie hat wirken ſollen? Wenn ich bitte, daß mir Gott ein Vergehen ſoll ohne alle Ahndung hin- gehen laſſen, weis ich wohl ſelbſt was ich bitte? Ach! ſicherlich, auch dieſes iſt eine Eigenſchaft der unendlichen Liebe Gottes, daß er kein Ver- gehen der Menſchen ohne alle Ahndung hingehen laͤßt! — — Sicherlich
Allmacht
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tig ſeyn, durch ſeine Leiden ſo viel Gutes befer-
dert zu haben. Und wenn dieſes iſt; ſo kann
ich einen ſolchen Zuſtand nicht fuͤrchten; ſo
kann ich keine Offenbarung wuͤnſchen, daß ich
niemals in dieſen Zuſtand des großmuͤthigen,
meine Mitgeſchoͤpfe und mich ſelbſt begluͤckenden
Wohlwollens verſetzt werden ſollte. Was ich
zu fuͤrchten habe, iſt die Suͤnde ſelbſt. Habe
ich die Suͤnde begangen; ſo iſt die goͤttliche
Strafe eine Wohlthat fuͤr mich, eine Wirkung
ſeiner vaͤterlichen Allbarmherzigkeit. So bald
ſie aufhoͤrt Wohlthat fuͤr mich zu ſeyn; ſo bin
ich verſichert, ſie wird mir erlaſſen. Kann ich
wuͤnſchen, daß mein Vater ſeine zuͤchtigende
Hand von mir abwende bevor ſie gewirkt, was
ſie hat wirken ſollen? Wenn ich bitte, daß mir
Gott ein Vergehen ſoll ohne alle Ahndung hin-
gehen laſſen, weis ich wohl ſelbſt was ich bitte?
Ach! ſicherlich, auch dieſes iſt eine Eigenſchaft
der unendlichen Liebe Gottes, daß er kein Ver-
gehen der Menſchen ohne alle Ahndung hingehen
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/211>, abgerufen am 16.02.2025.
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