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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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ser Irrtum leicht möglich. Die Dinge hatten
ausser ihrer Bedeutung, auch ihre eigene Rea-
lität. Die Münze war zugleich Waare, die ih-
ren eigenen Gebrauch und Nutzen hat; daher
der Unwissende desto leichter ihren Werth als
Münze, verkennen und unrichtig angeben konnte.
Die hieroglyphische Schrift konnte zwar zum
Theil diesen Irrtum benehmen, oder begün-
stigte ihn wenigstens so sehr nicht, als die Um-
risse; denn diese waren aus heterogenen und übel
passenden Theilen zusammengesetzt; unförmliche
und widersinnige Gestalten, die kein eigenes
Daseyn in der Natur haben, und also, wie
man denken sollte, nicht für Schrift genommen
werden konnten. Allein dieses räthselhafte und
fremde in der Zusammensetzung selbst gab dem
Aberglauben Stof zu mancherley Erdichtung und
Fabel. Heucheley und muthwilliger Mißbrauch
waren von der andern Seite geschäftig, und ga-
ben ihm Mährchen an die Hand, die er zu erfin-
den, nicht sinnreich genug war. Wer einmal
Gewicht und Ansehen sich erworben, möchte sol-
ches, wo nicht vermehren, doch wenigstens gern
erhalten. Wer einmal auf eine Frage eine be-

friedi-

ſer Irrtum leicht moͤglich. Die Dinge hatten
auſſer ihrer Bedeutung, auch ihre eigene Rea-
litaͤt. Die Muͤnze war zugleich Waare, die ih-
ren eigenen Gebrauch und Nutzen hat; daher
der Unwiſſende deſto leichter ihren Werth als
Muͤnze, verkennen und unrichtig angeben konnte.
Die hieroglyphiſche Schrift konnte zwar zum
Theil dieſen Irrtum benehmen, oder beguͤn-
ſtigte ihn wenigſtens ſo ſehr nicht, als die Um-
riſſe; denn dieſe waren aus heterogenen und uͤbel
paſſenden Theilen zuſammengeſetzt; unfoͤrmliche
und widerſinnige Geſtalten, die kein eigenes
Daſeyn in der Natur haben, und alſo, wie
man denken ſollte, nicht fuͤr Schrift genommen
werden konnten. Allein dieſes raͤthſelhafte und
fremde in der Zuſammenſetzung ſelbſt gab dem
Aberglauben Stof zu mancherley Erdichtung und
Fabel. Heucheley und muthwilliger Mißbrauch
waren von der andern Seite geſchaͤftig, und ga-
ben ihm Maͤhrchen an die Hand, die er zu erfin-
den, nicht ſinnreich genug war. Wer einmal
Gewicht und Anſehen ſich erworben, moͤchte ſol-
ches, wo nicht vermehren, doch wenigſtens gern
erhalten. Wer einmal auf eine Frage eine be-

friedi-
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[78/0180] ſer Irrtum leicht moͤglich. Die Dinge hatten auſſer ihrer Bedeutung, auch ihre eigene Rea- litaͤt. Die Muͤnze war zugleich Waare, die ih- ren eigenen Gebrauch und Nutzen hat; daher der Unwiſſende deſto leichter ihren Werth als Muͤnze, verkennen und unrichtig angeben konnte. Die hieroglyphiſche Schrift konnte zwar zum Theil dieſen Irrtum benehmen, oder beguͤn- ſtigte ihn wenigſtens ſo ſehr nicht, als die Um- riſſe; denn dieſe waren aus heterogenen und uͤbel paſſenden Theilen zuſammengeſetzt; unfoͤrmliche und widerſinnige Geſtalten, die kein eigenes Daſeyn in der Natur haben, und alſo, wie man denken ſollte, nicht fuͤr Schrift genommen werden konnten. Allein dieſes raͤthſelhafte und fremde in der Zuſammenſetzung ſelbſt gab dem Aberglauben Stof zu mancherley Erdichtung und Fabel. Heucheley und muthwilliger Mißbrauch waren von der andern Seite geſchaͤftig, und ga- ben ihm Maͤhrchen an die Hand, die er zu erfin- den, nicht ſinnreich genug war. Wer einmal Gewicht und Anſehen ſich erworben, moͤchte ſol- ches, wo nicht vermehren, doch wenigſtens gern erhalten. Wer einmal auf eine Frage eine be- friedi-

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/180>, abgerufen am 25.11.2024.