sie gleich noch nicht aus frühern Grundbegriffen abzuleiten wissen.
Bevor der Herr von Haller das Gesetz der Reitzbarkeit entdeckte, wird so mancher Beob- achter die Erscheinung selbst in der organischen Natur lebendiger Geschöpfe wahrgenommen ha- ben. Allein sie verschwand in dem ersten Augen- blick wieder, und zeichnete sich nicht genug von Rebenerscheinungen aus, um die Aufmerksam- keit des Beobachters fest zu halten. So oft die Bemerkung wiederkam, war sie ihm eine ein- zelne Wirkung der Natur, die ihn an die Menge der Fälle nicht erinnern konnte, in welchen er dasselbe wahrgenommen hatte; sie verlor sich also gar bald wieder, so wie die vorher gegange- nen, und ließ weiter kein merkliches Andenken in der Seele zurück. Nur Hallern gelang es, diesen Umstand aus der Verbindung herauszu- heben, seine Allgemeinheit gewahr zu werden, ihn mit einem Worte zu bezeichnen, und nun- mehr hat er unsere Aufmerksamkeit rege gemacht, und wir wissen jeden besondern Fall, in welchem wir etwas ähnliches inne werden, auf ein allge- meines Naturgesetz hinzuleiten.
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ſie gleich noch nicht aus fruͤhern Grundbegriffen abzuleiten wiſſen.
Bevor der Herr von Haller das Geſetz der Reitzbarkeit entdeckte, wird ſo mancher Beob- achter die Erſcheinung ſelbſt in der organiſchen Natur lebendiger Geſchoͤpfe wahrgenommen ha- ben. Allein ſie verſchwand in dem erſten Augen- blick wieder, und zeichnete ſich nicht genug von Rebenerſcheinungen aus, um die Aufmerkſam- keit des Beobachters feſt zu halten. So oft die Bemerkung wiederkam, war ſie ihm eine ein- zelne Wirkung der Natur, die ihn an die Menge der Faͤlle nicht erinnern konnte, in welchen er daſſelbe wahrgenommen hatte; ſie verlor ſich alſo gar bald wieder, ſo wie die vorher gegange- nen, und ließ weiter kein merkliches Andenken in der Seele zuruͤck. Nur Hallern gelang es, dieſen Umſtand aus der Verbindung herauszu- heben, ſeine Allgemeinheit gewahr zu werden, ihn mit einem Worte zu bezeichnen, und nun- mehr hat er unſere Aufmerkſamkeit rege gemacht, und wir wiſſen jeden beſondern Fall, in welchem wir etwas aͤhnliches inne werden, auf ein allge- meines Naturgeſetz hinzuleiten.
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ſie gleich noch nicht aus fruͤhern Grundbegriffen
abzuleiten wiſſen.
Bevor der Herr von Haller das Geſetz der
Reitzbarkeit entdeckte, wird ſo mancher Beob-
achter die Erſcheinung ſelbſt in der organiſchen
Natur lebendiger Geſchoͤpfe wahrgenommen ha-
ben. Allein ſie verſchwand in dem erſten Augen-
blick wieder, und zeichnete ſich nicht genug von
Rebenerſcheinungen aus, um die Aufmerkſam-
keit des Beobachters feſt zu halten. So oft die
Bemerkung wiederkam, war ſie ihm eine ein-
zelne Wirkung der Natur, die ihn an die Menge
der Faͤlle nicht erinnern konnte, in welchen er
daſſelbe wahrgenommen hatte; ſie verlor ſich
alſo gar bald wieder, ſo wie die vorher gegange-
nen, und ließ weiter kein merkliches Andenken
in der Seele zuruͤck. Nur Hallern gelang es,
dieſen Umſtand aus der Verbindung herauszu-
heben, ſeine Allgemeinheit gewahr zu werden,
ihn mit einem Worte zu bezeichnen, und nun-
mehr hat er unſere Aufmerkſamkeit rege gemacht,
und wir wiſſen jeden beſondern Fall, in welchem
wir etwas aͤhnliches inne werden, auf ein allge-
meines Naturgeſetz hinzuleiten.
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/171>, abgerufen am 16.02.2025.
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