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Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605.

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des ewigen Lebens worden seyt. Warumb
führt jhr dann ein solch Gottloß Leben? Wer
will gleuben daß jhr GOttes volck seyt? ge-
wißlich thuts keiner/ so bey sinnen ist. Vnnd
zwar/ dieser Jud hats recht troffen: Dann wir
sind Christen nur mit dem Namen/ sonsten in
der that sint wir ärger alß Jüden oder Tür-
cken.

LIX. Von einem alten Weib vnd sonst
etlichen Juden.

ZV Mönchen in Beyern hat sichs begeben/
das ein altes Weib etlichen Jüden ein
kleines Kindt verkaufft/ welches sie mit
Nadeln zerstochen/ getödtet/ vnnd sein
Blut in ein Becken gefangen haben. Eben die-
se Zauberin stahl noch ein ander Kindt/ der
Vatter aber ereilet vnnd verklagt sie/ mann
legt sie sie ins gefengniß/ sie bekennt die that/
zeigt an/ wo des verstorbenen Kindleins
Leichnam zufinden sey. Daruber läst mann sie
so baldt hinrichten. Alß aber das gemein
Volck des ermorden Kindts Leichnam sahe/
deßgleichen wie es zerstochen worden/ fing es
an zu toben vnd zu wüthen/ lauffet zusammen/
erwartet nicht des Richters Spruch/ vnnd
nehmet jhm vor die Juden zuerschlagen. Das
Hoffgesind vnnd Richter des Hertzogen vn-
derstehen sich die auffruhr zustillen/ aber lässet
sich weder durch wort noch streich abwenden/
deßwegen rathen des Hertzogen diener den
Juden/ sie solten sich eilend in jhre Synagog
begeben/ welche von steinen auffgebawt war/
da nun die Juden hierin flohen/ ward der Tu-
mult noch grösser/ das Volck laufft zusammen/

tragen

des ewigen Lebens worden ſeyt. Warumb
fuͤhrt jhr dann ein ſolch Gottloß Leben? Wer
will gleuben daß jhr GOttes volck ſeyt? ge-
wißlich thuts keiner/ ſo bey ſinnen iſt. Vnnd
zwar/ dieſer Jud hats recht troffen: Dann wir
ſind Chriſten nur mit dem Namen/ ſonſten in
der that ſint wir aͤrger alß Juͤden oder Tuͤr-
cken.

LIX. Von einem alten Weib vnd ſonſt
etlichen Jůden.

ZV Moͤnchen in Beyern hat ſichs begebẽ/
das ein altes Weib etlichen Juͤden ein
kleines Kindt verkaufft/ welches ſie mit
Nadeln zerſtochen/ getoͤdtet/ vnnd ſein
Blut in ein Becken gefangen haben. Eben die-
ſe Zauberin ſtahl noch ein ander Kindt/ der
Vatter aber ereilet vnnd verklagt ſie/ mann
legt ſie ſie ins gefengniß/ ſie bekennt die that/
zeigt an/ wo des verſtorbenen Kindleins
Leichnam zufinden ſey. Daruber laͤſt mann ſie
ſo baldt hinrichten. Alß aber das gemein
Volck des ermorden Kindts Leichnam ſahe/
deßgleichen wie es zerſtochen worden/ fing es
an zu toben vnd zu wuͤthen/ lauffet zuſammẽ/
erwartet nicht des Richters Spruch/ vnnd
nehmet jhm vor die Juden zuerſchlagen. Das
Hoffgeſind vnnd Richter des Hertzogen vn-
derſtehen ſich die auffruhr zuſtillen/ aber laͤſſet
ſich weder durch wort noch ſtreich abwenden/
deßwegen rathen des Hertzogen diener den
Juden/ ſie ſolten ſich eilend in jhre Synagog
begeben/ welche von ſteinen auffgebawt war/
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mult noch groͤſſer/ das Volck laufft zuſam̃en/

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[56/0064] des ewigen Lebens worden ſeyt. Warumb fuͤhrt jhr dann ein ſolch Gottloß Leben? Wer will gleuben daß jhr GOttes volck ſeyt? ge- wißlich thuts keiner/ ſo bey ſinnen iſt. Vnnd zwar/ dieſer Jud hats recht troffen: Dann wir ſind Chriſten nur mit dem Namen/ ſonſten in der that ſint wir aͤrger alß Juͤden oder Tuͤr- cken. LIX. Von einem alten Weib vnd ſonſt etlichen Jůden. ZV Moͤnchen in Beyern hat ſichs begebẽ/ das ein altes Weib etlichen Juͤden ein kleines Kindt verkaufft/ welches ſie mit Nadeln zerſtochen/ getoͤdtet/ vnnd ſein Blut in ein Becken gefangen haben. Eben die- ſe Zauberin ſtahl noch ein ander Kindt/ der Vatter aber ereilet vnnd verklagt ſie/ mann legt ſie ſie ins gefengniß/ ſie bekennt die that/ zeigt an/ wo des verſtorbenen Kindleins Leichnam zufinden ſey. Daruber laͤſt mann ſie ſo baldt hinrichten. Alß aber das gemein Volck des ermorden Kindts Leichnam ſahe/ deßgleichen wie es zerſtochen worden/ fing es an zu toben vnd zu wuͤthen/ lauffet zuſammẽ/ erwartet nicht des Richters Spruch/ vnnd nehmet jhm vor die Juden zuerſchlagen. Das Hoffgeſind vnnd Richter des Hertzogen vn- derſtehen ſich die auffruhr zuſtillen/ aber laͤſſet ſich weder durch wort noch ſtreich abwenden/ deßwegen rathen des Hertzogen diener den Juden/ ſie ſolten ſich eilend in jhre Synagog begeben/ welche von ſteinen auffgebawt war/ da nun die Juden hierin flohen/ ward der Tu- mult noch groͤſſer/ das Volck laufft zuſam̃en/ tragen

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Zitationshilfe: Melander, Otto: Joco-seria Das ist Schimpff vnd Ernst. Bd. 1. Lich, 1605, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria01_1605/64>, abgerufen am 03.05.2024.