Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
VII.
Mörder, nach Uebereinstimmung al-
ler Umstände und seiner eignenUeber-
zeugung, und dennoch unschuldig.


DZeugen und Richter durch den An-
schein verführt werden können einen Unschul-
digen für schuldig zu erkennen; dieser Fall
mag leider nur alzuoft sich zutragen. Aber wenn
nun sogar der Angeklagte selbst einen sol-
chen Urtheilsspruch im Jnnersten seiner Seele
für gerecht erklärt; wenn er sich mit vollster
Ueberzeugung für den Thäter einer That be-
kennt, die er -- nicht beging; wenn er, ganz
ohne Folter und Zwang, bereit ist, durch Auf-
opferung seines eignen Lebens eine Blutschuld
auszusöhnen, die -- nicht auf seiner Seele
lastet? Was soll man dann erst von der Un-
gewißheit menschlicher Gerichtsbarkeit denken?

VII.
Moͤrder, nach Uebereinſtimmung al-
ler Umſtaͤnde und ſeiner eignenUeber-
zeugung, und dennoch unſchuldig.


DZeugen und Richter durch den An-
ſchein verfuͤhrt werden koͤnnen einen Unſchul-
digen fuͤr ſchuldig zu erkennen; dieſer Fall
mag leider nur alzuoft ſich zutragen. Aber wenn
nun ſogar der Angeklagte ſelbſt einen ſol-
chen Urtheilsſpruch im Jnnerſten ſeiner Seele
fuͤr gerecht erklaͤrt; wenn er ſich mit vollſter
Ueberzeugung fuͤr den Thaͤter einer That be-
kennt, die er — nicht beging; wenn er, ganz
ohne Folter und Zwang, bereit iſt, durch Auf-
opferung ſeines eignen Lebens eine Blutſchuld
auszuſoͤhnen, die — nicht auf ſeiner Seele
laſtet? Was ſoll man dann erſt von der Un-
gewißheit menſchlicher Gerichtsbarkeit denken?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0071" n="63"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">VII</hi>.<lb/>
Mo&#x0364;rder, nach Ueberein&#x017F;timmung al-<lb/>
ler Um&#x017F;ta&#x0364;nde und &#x017F;einer eignenUeber-<lb/>
zeugung, und dennoch un&#x017F;chuldig.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi><hi rendition="#g">Zeugen</hi> und <hi rendition="#g">Richter</hi> durch den An-<lb/>
&#x017F;chein verfu&#x0364;hrt werden ko&#x0364;nnen einen Un&#x017F;chul-<lb/>
digen fu&#x0364;r &#x017F;chuldig zu erkennen; die&#x017F;er Fall<lb/>
mag leider nur alzuoft &#x017F;ich zutragen. Aber wenn<lb/>
nun &#x017F;ogar der <hi rendition="#g">Angeklagte</hi> &#x017F;elb&#x017F;t einen &#x017F;ol-<lb/>
chen Urtheils&#x017F;pruch im Jnner&#x017F;ten &#x017F;einer Seele<lb/>
fu&#x0364;r gerecht erkla&#x0364;rt; wenn er &#x017F;ich mit voll&#x017F;ter<lb/>
Ueberzeugung fu&#x0364;r den Tha&#x0364;ter einer That be-<lb/>
kennt, die er &#x2014; nicht beging; wenn er, ganz<lb/>
ohne Folter und Zwang, bereit i&#x017F;t, durch Auf-<lb/>
opferung &#x017F;eines eignen Lebens eine Blut&#x017F;chuld<lb/>
auszu&#x017F;o&#x0364;hnen, die &#x2014; nicht auf &#x017F;einer Seele<lb/>
la&#x017F;tet? Was &#x017F;oll man dann er&#x017F;t von der Un-<lb/>
gewißheit men&#x017F;chlicher Gerichtsbarkeit denken?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0071] VII. Moͤrder, nach Uebereinſtimmung al- ler Umſtaͤnde und ſeiner eignenUeber- zeugung, und dennoch unſchuldig. Daß Zeugen und Richter durch den An- ſchein verfuͤhrt werden koͤnnen einen Unſchul- digen fuͤr ſchuldig zu erkennen; dieſer Fall mag leider nur alzuoft ſich zutragen. Aber wenn nun ſogar der Angeklagte ſelbſt einen ſol- chen Urtheilsſpruch im Jnnerſten ſeiner Seele fuͤr gerecht erklaͤrt; wenn er ſich mit vollſter Ueberzeugung fuͤr den Thaͤter einer That be- kennt, die er — nicht beging; wenn er, ganz ohne Folter und Zwang, bereit iſt, durch Auf- opferung ſeines eignen Lebens eine Blutſchuld auszuſoͤhnen, die — nicht auf ſeiner Seele laſtet? Was ſoll man dann erſt von der Un- gewißheit menſchlicher Gerichtsbarkeit denken?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/71
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/71>, abgerufen am 28.04.2024.