Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Wirth, als er von ihrem Unfall erfuhr,
schickte aus Mitleid sowohl gegen das arme
Mädchen, als aus Sorge für den guten Ruf
seines Hauses, sofort nach einem Polizeikom-
missar; es ward die strengste Untersuchung in
allen Stockwerken angestellt; aber man fand
natürlicher Weise das Kästchen nirgends.
Bei den sämmtlichen Hausgenossen ward nun
nachgeforscht: Ob sie nicht irgend Jemand
kommen oder weggehen gesehn hätten? Aber
auch hier wollte sich eben so wenig irgend ei-
ne Spur finden; und die Gerichtspersonen
waren schon im Begriff sich zu entfernen; als
eine Strumpfstrickerin, die diesem Hause ge-
genüber ihren Laden hatte, durch das Getüm-
mel herbeigelockt ward, und von dem Vorfall
hörte.

"Je nun -- fing sie ganz in ihrer Unschuld
an -- Jemand hätt' ich doch wohl unterdeß
ins Haus hinein und wieder herausgehen sehn;
jemand, der allerdings oben gewesen seyn
muß; aber unmöglich der Dieb seyn wird."

Der Wirth, als er von ihrem Unfall erfuhr,
ſchickte aus Mitleid ſowohl gegen das arme
Maͤdchen, als aus Sorge fuͤr den guten Ruf
ſeines Hauſes, ſofort nach einem Polizeikom-
miſſar; es ward die ſtrengſte Unterſuchung in
allen Stockwerken angeſtellt; aber man fand
natuͤrlicher Weiſe das Kaͤſtchen nirgends.
Bei den ſaͤmmtlichen Hausgenoſſen ward nun
nachgeforſcht: Ob ſie nicht irgend Jemand
kommen oder weggehen geſehn haͤtten? Aber
auch hier wollte ſich eben ſo wenig irgend ei-
ne Spur finden; und die Gerichtsperſonen
waren ſchon im Begriff ſich zu entfernen; als
eine Strumpfſtrickerin, die dieſem Hauſe ge-
genuͤber ihren Laden hatte, durch das Getuͤm-
mel herbeigelockt ward, und von dem Vorfall
hoͤrte.

„Je nun — fing ſie ganz in ihrer Unſchuld
an — Jemand haͤtt' ich doch wohl unterdeß
ins Haus hinein und wieder herausgehen ſehn;
jemand, der allerdings oben geweſen ſeyn
muß; aber unmoͤglich der Dieb ſeyn wird.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0067" n="59"/>
          <p>Der Wirth, als er von ihrem Unfall erfuhr,<lb/>
&#x017F;chickte aus Mitleid &#x017F;owohl gegen das arme<lb/>
Ma&#x0364;dchen, als aus Sorge fu&#x0364;r den guten Ruf<lb/>
&#x017F;eines Hau&#x017F;es, &#x017F;ofort nach einem Polizeikom-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;ar; es ward die &#x017F;treng&#x017F;te Unter&#x017F;uchung in<lb/>
allen Stockwerken ange&#x017F;tellt; aber man fand<lb/>
natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e das Ka&#x0364;&#x017F;tchen nirgends.<lb/>
Bei den &#x017F;a&#x0364;mmtlichen Hausgeno&#x017F;&#x017F;en ward nun<lb/>
nachgefor&#x017F;cht: Ob &#x017F;ie nicht irgend Jemand<lb/>
kommen oder weggehen ge&#x017F;ehn ha&#x0364;tten? Aber<lb/>
auch hier wollte &#x017F;ich eben &#x017F;o wenig irgend ei-<lb/>
ne Spur finden; und die Gerichtsper&#x017F;onen<lb/>
waren &#x017F;chon im Begriff &#x017F;ich zu entfernen; als<lb/>
eine Strumpf&#x017F;trickerin, die die&#x017F;em Hau&#x017F;e ge-<lb/>
genu&#x0364;ber ihren Laden hatte, durch das Getu&#x0364;m-<lb/>
mel herbeigelockt ward, und von dem Vorfall<lb/>
ho&#x0364;rte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Je nun &#x2014; fing &#x017F;ie ganz in ihrer Un&#x017F;chuld<lb/>
an &#x2014; Jemand ha&#x0364;tt' ich doch wohl unterdeß<lb/>
ins Haus hinein und wieder herausgehen &#x017F;ehn;<lb/>
jemand, der allerdings oben gewe&#x017F;en &#x017F;eyn<lb/>
muß; aber unmo&#x0364;glich der Dieb &#x017F;eyn wird.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] Der Wirth, als er von ihrem Unfall erfuhr, ſchickte aus Mitleid ſowohl gegen das arme Maͤdchen, als aus Sorge fuͤr den guten Ruf ſeines Hauſes, ſofort nach einem Polizeikom- miſſar; es ward die ſtrengſte Unterſuchung in allen Stockwerken angeſtellt; aber man fand natuͤrlicher Weiſe das Kaͤſtchen nirgends. Bei den ſaͤmmtlichen Hausgenoſſen ward nun nachgeforſcht: Ob ſie nicht irgend Jemand kommen oder weggehen geſehn haͤtten? Aber auch hier wollte ſich eben ſo wenig irgend ei- ne Spur finden; und die Gerichtsperſonen waren ſchon im Begriff ſich zu entfernen; als eine Strumpfſtrickerin, die dieſem Hauſe ge- genuͤber ihren Laden hatte, durch das Getuͤm- mel herbeigelockt ward, und von dem Vorfall hoͤrte. „Je nun — fing ſie ganz in ihrer Unſchuld an — Jemand haͤtt' ich doch wohl unterdeß ins Haus hinein und wieder herausgehen ſehn; jemand, der allerdings oben geweſen ſeyn muß; aber unmoͤglich der Dieb ſeyn wird.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/67
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/67>, abgerufen am 28.04.2024.