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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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abgelebten Körper dem Hunger, der Blöße
und dem äußersten Elende preis giebt? Wer
liebt den Knaben nicht, der, so sehr er noch
Knabe ist, doch, den Lehren seines Vaters treu,
eher alles wagen, als ein Räuber werden will?
Wer zürnt nicht auf ein barbarisches Vorur-
theil, das vergebens von der Vernunft wider-
legt, vergebens durch weltliche Gesetze verbo-
ten, sich gleichwohl immer noch fest im Besiz
erhält; dem Staate schon manchen braven
Mann entzogen haben mag, und hier einen
Jüngling, der so gern ein nüzliches bürgerli-
ches Mitglied geworden wäre, zwang, durch
Laster sein Leben zu fristen? Und wer ent-
schuldigt endlich selbst den Fehlenden nicht,
der mitten in seinen Fehlern Erbarmung mit
denen trägt, die er beraubt und berauben
muß, weil diese Grausamen ihn ja sonst nicht
leben lassen wollen?

Sezt diesen Unglücklichen unter andere Um-
stände; gebt ihm Aeltern, durch Geburt, Glück
und Vermögen wirksam im Kreis öffentlicher

D 2

abgelebten Koͤrper dem Hunger, der Bloͤße
und dem aͤußerſten Elende preis giebt? Wer
liebt den Knaben nicht, der, ſo ſehr er noch
Knabe iſt, doch, den Lehren ſeines Vaters treu,
eher alles wagen, als ein Raͤuber werden will?
Wer zuͤrnt nicht auf ein barbariſches Vorur-
theil, das vergebens von der Vernunft wider-
legt, vergebens durch weltliche Geſetze verbo-
ten, ſich gleichwohl immer noch feſt im Beſiz
erhaͤlt; dem Staate ſchon manchen braven
Mann entzogen haben mag, und hier einen
Juͤngling, der ſo gern ein nuͤzliches buͤrgerli-
ches Mitglied geworden waͤre, zwang, durch
Laſter ſein Leben zu friſten? Und wer ent-
ſchuldigt endlich ſelbſt den Fehlenden nicht,
der mitten in ſeinen Fehlern Erbarmung mit
denen traͤgt, die er beraubt und berauben
muß, weil dieſe Grauſamen ihn ja ſonſt nicht
leben laſſen wollen?

Sezt dieſen Ungluͤcklichen unter andere Um-
ſtaͤnde; gebt ihm Aeltern, durch Geburt, Gluͤck
und Vermoͤgen wirkſam im Kreis oͤffentlicher

D 2
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[51/0059] abgelebten Koͤrper dem Hunger, der Bloͤße und dem aͤußerſten Elende preis giebt? Wer liebt den Knaben nicht, der, ſo ſehr er noch Knabe iſt, doch, den Lehren ſeines Vaters treu, eher alles wagen, als ein Raͤuber werden will? Wer zuͤrnt nicht auf ein barbariſches Vorur- theil, das vergebens von der Vernunft wider- legt, vergebens durch weltliche Geſetze verbo- ten, ſich gleichwohl immer noch feſt im Beſiz erhaͤlt; dem Staate ſchon manchen braven Mann entzogen haben mag, und hier einen Juͤngling, der ſo gern ein nuͤzliches buͤrgerli- ches Mitglied geworden waͤre, zwang, durch Laſter ſein Leben zu friſten? Und wer ent- ſchuldigt endlich ſelbſt den Fehlenden nicht, der mitten in ſeinen Fehlern Erbarmung mit denen traͤgt, die er beraubt und berauben muß, weil dieſe Grauſamen ihn ja ſonſt nicht leben laſſen wollen? Sezt dieſen Ungluͤcklichen unter andere Um- ſtaͤnde; gebt ihm Aeltern, durch Geburt, Gluͤck und Vermoͤgen wirkſam im Kreis oͤffentlicher D 2

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/59>, abgerufen am 28.04.2024.