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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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"mehrmals Anfälle von Hämorrhoiden ge-
"habt."

Auch damit entschlos sich D. P. sein Heil
zu versuchen. Drei oder vier Aerzte wurden
befragt: Ob Anlage zur goldnen Ader durch
die Folter nicht zur tödtlichen Krankheit wer-
den könne? Alle meinten: o nein! Zulezt
versicherte doch ein Fünfter: Möglich sei es
allerdings! Schon diese Möglichkeit gnügte.
Der Arzt ward dringend um ein ausführli-
ches Gutachten ersucht. Zum Glück war
es grade ein Mann von Kopf, dem es für sei-
ne Meinungen selten an Gründen fehlte. Was
er als bedenklich angab, wußte der Rechts-
gelehrte zum Höchstgefährlich aufzustuz-
zen. Die Vorstellung gegen alle peinliche Be-
fragung ward eingereicht, und fand -- der
Himmel weiß durch welchen Zufall! -- gün-
stige Richter. Dem Jnquisiten ward, statt der
Folter, der Reinigungs-Eid zuerkant. Daß
er diesen schwur, versteht sich von selbst. Die
Todesstrafe blieb nun aus; doch ward ihm ei-

„mehrmals Anfaͤlle von Haͤmorrhoiden ge-
„habt.“

Auch damit entſchlos ſich D. P. ſein Heil
zu verſuchen. Drei oder vier Aerzte wurden
befragt: Ob Anlage zur goldnen Ader durch
die Folter nicht zur toͤdtlichen Krankheit wer-
den koͤnne? Alle meinten: o nein! Zulezt
verſicherte doch ein Fuͤnfter: Moͤglich ſei es
allerdings! Schon dieſe Moͤglichkeit gnuͤgte.
Der Arzt ward dringend um ein ausfuͤhrli-
ches Gutachten erſucht. Zum Gluͤck war
es grade ein Mann von Kopf, dem es fuͤr ſei-
ne Meinungen ſelten an Gruͤnden fehlte. Was
er als bedenklich angab, wußte der Rechts-
gelehrte zum Hoͤchſtgefaͤhrlich aufzuſtuz-
zen. Die Vorſtellung gegen alle peinliche Be-
fragung ward eingereicht, und fand — der
Himmel weiß durch welchen Zufall! — guͤn-
ſtige Richter. Dem Jnquiſiten ward, ſtatt der
Folter, der Reinigungs-Eid zuerkant. Daß
er dieſen ſchwur, verſteht ſich von ſelbſt. Die
Todesſtrafe blieb nun aus; doch ward ihm ei-

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[512/0520] „mehrmals Anfaͤlle von Haͤmorrhoiden ge- „habt.“ Auch damit entſchlos ſich D. P. ſein Heil zu verſuchen. Drei oder vier Aerzte wurden befragt: Ob Anlage zur goldnen Ader durch die Folter nicht zur toͤdtlichen Krankheit wer- den koͤnne? Alle meinten: o nein! Zulezt verſicherte doch ein Fuͤnfter: Moͤglich ſei es allerdings! Schon dieſe Moͤglichkeit gnuͤgte. Der Arzt ward dringend um ein ausfuͤhrli- ches Gutachten erſucht. Zum Gluͤck war es grade ein Mann von Kopf, dem es fuͤr ſei- ne Meinungen ſelten an Gruͤnden fehlte. Was er als bedenklich angab, wußte der Rechts- gelehrte zum Hoͤchſtgefaͤhrlich aufzuſtuz- zen. Die Vorſtellung gegen alle peinliche Be- fragung ward eingereicht, und fand — der Himmel weiß durch welchen Zufall! — guͤn- ſtige Richter. Dem Jnquiſiten ward, ſtatt der Folter, der Reinigungs-Eid zuerkant. Daß er dieſen ſchwur, verſteht ſich von ſelbſt. Die Todesſtrafe blieb nun aus; doch ward ihm ei-

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/520>, abgerufen am 24.11.2024.