Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

was um ihn vorging. Jezt schlug es eilf Uhr;
sein Rausch verschwand, und er flog nach dem
bewußten Hause.

Noch that er es mit einem kleinen Reste von
Hofnung. Doch auch dieser verschwand, als
er ein Getümmel von Menschen vor dem Hause,
ein noch größres in demselben erblickte. Er
drängte sich durch. Was er besorgte, war gesche-
hen. Jm Zimmer des Hauptmanns hatte man
vor kurzem einen Schuß fallen gehört. Ver-
schiedne von den Hausgenossen waren herbei-
geeilt, hatten die Thüre zu öfnen versucht,
und zulezt sie gesprengt. Der Hauptmann lag
todt auf dem Boden, herunter gesunken vom
Sessel; durch den Mund hatte er das Pistol
abgedrückt; vom Leben war keine Spur mehr
in ihm. Alles klagte um ihn. Alles bedauerte
diesen guten Herrn. "Jn den zehn Jahren,
die er hier wohne, hab' er nie auch nur ein Kind
beleidigt!" Dies war das einstimmigeLob von
jeder Seite her. Jene acht oder neun Briefe
fand man auf dem Schreibtische. Sie waren

was um ihn vorging. Jezt ſchlug es eilf Uhr;
ſein Rauſch verſchwand, und er flog nach dem
bewußten Hauſe.

Noch that er es mit einem kleinen Reſte von
Hofnung. Doch auch dieſer verſchwand, als
er ein Getuͤmmel von Menſchen vor dem Hauſe,
ein noch groͤßres in demſelben erblickte. Er
draͤngte ſich durch. Was er beſorgte, war geſche-
hen. Jm Zimmer des Hauptmanns hatte man
vor kurzem einen Schuß fallen gehoͤrt. Ver-
ſchiedne von den Hausgenoſſen waren herbei-
geeilt, hatten die Thuͤre zu oͤfnen verſucht,
und zulezt ſie geſprengt. Der Hauptmann lag
todt auf dem Boden, herunter geſunken vom
Seſſel; durch den Mund hatte er das Piſtol
abgedruͤckt; vom Leben war keine Spur mehr
in ihm. Alles klagte um ihn. Alles bedauerte
dieſen guten Herrn. „Jn den zehn Jahren,
die er hier wohne, hab' er nie auch nur ein Kind
beleidigt!“ Dies war das einſtimmigeLob von
jeder Seite her. Jene acht oder neun Briefe
fand man auf dem Schreibtiſche. Sie waren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0484" n="476"/>
was um ihn vorging. Jezt &#x017F;chlug es eilf Uhr;<lb/>
&#x017F;ein Rau&#x017F;ch ver&#x017F;chwand, und er flog nach dem<lb/>
bewußten Hau&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Noch that er es mit einem kleinen Re&#x017F;te von<lb/>
Hofnung. Doch auch die&#x017F;er ver&#x017F;chwand, als<lb/>
er ein Getu&#x0364;mmel von Men&#x017F;chen vor dem Hau&#x017F;e,<lb/>
ein noch gro&#x0364;ßres in dem&#x017F;elben erblickte. Er<lb/>
dra&#x0364;ngte &#x017F;ich durch. Was er be&#x017F;orgte, war ge&#x017F;che-<lb/>
hen. Jm Zimmer des Hauptmanns hatte man<lb/>
vor kurzem einen Schuß fallen geho&#x0364;rt. Ver-<lb/>
&#x017F;chiedne von den Hausgeno&#x017F;&#x017F;en waren herbei-<lb/>
geeilt, hatten die Thu&#x0364;re zu o&#x0364;fnen ver&#x017F;ucht,<lb/>
und zulezt &#x017F;ie ge&#x017F;prengt. Der Hauptmann lag<lb/>
todt auf dem Boden, herunter ge&#x017F;unken vom<lb/>
Se&#x017F;&#x017F;el; durch den Mund hatte er das Pi&#x017F;tol<lb/>
abgedru&#x0364;ckt; vom Leben war keine Spur mehr<lb/>
in ihm. Alles klagte um ihn. Alles bedauerte<lb/>
die&#x017F;en guten Herrn. &#x201E;Jn den zehn Jahren,<lb/>
die er hier wohne, hab' er nie auch nur ein Kind<lb/>
beleidigt!&#x201C; Dies war das ein&#x017F;timmigeLob von<lb/>
jeder Seite her. Jene acht oder neun Briefe<lb/>
fand man auf dem Schreibti&#x017F;che. Sie waren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[476/0484] was um ihn vorging. Jezt ſchlug es eilf Uhr; ſein Rauſch verſchwand, und er flog nach dem bewußten Hauſe. Noch that er es mit einem kleinen Reſte von Hofnung. Doch auch dieſer verſchwand, als er ein Getuͤmmel von Menſchen vor dem Hauſe, ein noch groͤßres in demſelben erblickte. Er draͤngte ſich durch. Was er beſorgte, war geſche- hen. Jm Zimmer des Hauptmanns hatte man vor kurzem einen Schuß fallen gehoͤrt. Ver- ſchiedne von den Hausgenoſſen waren herbei- geeilt, hatten die Thuͤre zu oͤfnen verſucht, und zulezt ſie geſprengt. Der Hauptmann lag todt auf dem Boden, herunter geſunken vom Seſſel; durch den Mund hatte er das Piſtol abgedruͤckt; vom Leben war keine Spur mehr in ihm. Alles klagte um ihn. Alles bedauerte dieſen guten Herrn. „Jn den zehn Jahren, die er hier wohne, hab' er nie auch nur ein Kind beleidigt!“ Dies war das einſtimmigeLob von jeder Seite her. Jene acht oder neun Briefe fand man auf dem Schreibtiſche. Sie waren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/484
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/484>, abgerufen am 18.05.2024.