und hinein geschmiegt erblickte. Unter hun- dert Personen wären jezt vielleicht neun und neunzig davon gelaufen; doch Junker ging näher, und fand seine Muthmaßung gegrün- det. Dieser Unglückliche war wieder leben- dig geworden.
Auf Junkers erstes Wort fiel er ihm demü- thig zu Füßen; mit dem Zittern der Kälte so- wohl als der Todes-Angst bat er ihn um Stillschweigen und Erbarmen; bat, ihn, der einer alzuharten Strafe wunderbar entkom- men sei, nun auch dieses Leben zu fristen. Natürlich, daß dieser Anblick, dieser Ton und diese Bitte den menschenfreundlichen Gelehrten rührten; daß er seinen Gefangnen aufhob, und ihn mit Bedauern fragte: wer er denn sei, und was er eigentlich gesündigt habe? -- "Er sei, war die Antwort, ein Ausländer und der Sohn wohlbemittelter Eltern. Jm Rau- sche einer unvorsichtigen Minute hab' er sich anwerben lassen; habe sich zweimal vergeblich loszukaufen und endlich in einem noch un-
und hinein geſchmiegt erblickte. Unter hun- dert Perſonen waͤren jezt vielleicht neun und neunzig davon gelaufen; doch Junker ging naͤher, und fand ſeine Muthmaßung gegruͤn- det. Dieſer Ungluͤckliche war wieder leben- dig geworden.
Auf Junkers erſtes Wort fiel er ihm demuͤ- thig zu Fuͤßen; mit dem Zittern der Kaͤlte ſo- wohl als der Todes-Angſt bat er ihn um Stillſchweigen und Erbarmen; bat, ihn, der einer alzuharten Strafe wunderbar entkom- men ſei, nun auch dieſes Leben zu friſten. Natuͤrlich, daß dieſer Anblick, dieſer Ton und dieſe Bitte den menſchenfreundlichen Gelehrten ruͤhrten; daß er ſeinen Gefangnen aufhob, und ihn mit Bedauern fragte: wer er denn ſei, und was er eigentlich geſuͤndigt habe? — „Er ſei, war die Antwort, ein Auslaͤnder und der Sohn wohlbemittelter Eltern. Jm Rau- ſche einer unvorſichtigen Minute hab' er ſich anwerben laſſen; habe ſich zweimal vergeblich loszukaufen und endlich in einem noch un-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0430"n="422"/>
und hinein geſchmiegt erblickte. Unter hun-<lb/>
dert Perſonen waͤren jezt vielleicht neun und<lb/>
neunzig davon gelaufen; doch Junker ging<lb/>
naͤher, und fand ſeine Muthmaßung gegruͤn-<lb/>
det. Dieſer Ungluͤckliche war wieder leben-<lb/>
dig geworden.</p><lb/><p>Auf Junkers erſtes Wort fiel er ihm demuͤ-<lb/>
thig zu Fuͤßen; mit dem Zittern der Kaͤlte ſo-<lb/>
wohl als der Todes-Angſt bat er ihn um<lb/>
Stillſchweigen und Erbarmen; bat, ihn, der<lb/>
einer alzuharten Strafe wunderbar entkom-<lb/>
men ſei, nun auch dieſes Leben zu friſten.<lb/>
Natuͤrlich, daß dieſer Anblick, dieſer Ton und<lb/>
dieſe Bitte den menſchenfreundlichen Gelehrten<lb/>
ruͤhrten; daß er ſeinen Gefangnen aufhob,<lb/>
und ihn mit Bedauern fragte: wer er denn<lb/>ſei, und was er eigentlich geſuͤndigt habe? —<lb/>„Er ſei, war die Antwort, ein Auslaͤnder und<lb/>
der Sohn wohlbemittelter Eltern. Jm Rau-<lb/>ſche einer unvorſichtigen Minute hab' er ſich<lb/>
anwerben laſſen; habe ſich zweimal vergeblich<lb/>
loszukaufen und endlich in einem noch un-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[422/0430]
und hinein geſchmiegt erblickte. Unter hun-
dert Perſonen waͤren jezt vielleicht neun und
neunzig davon gelaufen; doch Junker ging
naͤher, und fand ſeine Muthmaßung gegruͤn-
det. Dieſer Ungluͤckliche war wieder leben-
dig geworden.
Auf Junkers erſtes Wort fiel er ihm demuͤ-
thig zu Fuͤßen; mit dem Zittern der Kaͤlte ſo-
wohl als der Todes-Angſt bat er ihn um
Stillſchweigen und Erbarmen; bat, ihn, der
einer alzuharten Strafe wunderbar entkom-
men ſei, nun auch dieſes Leben zu friſten.
Natuͤrlich, daß dieſer Anblick, dieſer Ton und
dieſe Bitte den menſchenfreundlichen Gelehrten
ruͤhrten; daß er ſeinen Gefangnen aufhob,
und ihn mit Bedauern fragte: wer er denn
ſei, und was er eigentlich geſuͤndigt habe? —
„Er ſei, war die Antwort, ein Auslaͤnder und
der Sohn wohlbemittelter Eltern. Jm Rau-
ſche einer unvorſichtigen Minute hab' er ſich
anwerben laſſen; habe ſich zweimal vergeblich
loszukaufen und endlich in einem noch un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/430>, abgerufen am 17.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.