Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

herab -- die von außen wohl noch einmal so
hoch als von innen war -- kaum hatt' er ein
paar hundert Schritt' immer noch im vollen
Gallop zurückgelegt; so hätt' er gern wieder --
vor jenem Schränkchen sich befunden. Die voll-
ständigste Reue wandelte nunmehr ihn an;
er glaubte ein sicheres, und noch dazu leicht
verzeihliches Mittel zu seinem Fortkommen
verschmäht, glaubte die lächerlichste Gewissen-
haftigkeit begangen zu haben. Schon war er
nahe dran wieder umzukehren, die Mauer, wo
möglich, wieder hinan zu klimmen. Doch ih-
re Höhe schreckt' ihn ab. Die Hunde im Dor-
fe bellten. Weitere Flucht schien ihm unum-
gänglich; er legte binnen einer Stunde fast
eine Meile zurück. Ein neuer Umstand er-
schwerte dann sein Fortkommen. Die Nacht
war bisher hell und wolkenleer gewesen. Jezt,
da der Morgen noch fern war, ging der Mond
unter; Gewölke verdeckten den Schimmer der
Sterne. Eine dichte Finsternis verbreitete
sich. Unser Jüngling, in einer Gegend, die

herab — die von außen wohl noch einmal ſo
hoch als von innen war — kaum hatt' er ein
paar hundert Schritt' immer noch im vollen
Gallop zuruͤckgelegt; ſo haͤtt' er gern wieder —
vor jenem Schraͤnkchen ſich befunden. Die voll-
ſtaͤndigſte Reue wandelte nunmehr ihn an;
er glaubte ein ſicheres, und noch dazu leicht
verzeihliches Mittel zu ſeinem Fortkommen
verſchmaͤht, glaubte die laͤcherlichſte Gewiſſen-
haftigkeit begangen zu haben. Schon war er
nahe dran wieder umzukehren, die Mauer, wo
moͤglich, wieder hinan zu klimmen. Doch ih-
re Hoͤhe ſchreckt' ihn ab. Die Hunde im Dor-
fe bellten. Weitere Flucht ſchien ihm unum-
gaͤnglich; er legte binnen einer Stunde faſt
eine Meile zuruͤck. Ein neuer Umſtand er-
ſchwerte dann ſein Fortkommen. Die Nacht
war bisher hell und wolkenleer geweſen. Jezt,
da der Morgen noch fern war, ging der Mond
unter; Gewoͤlke verdeckten den Schimmer der
Sterne. Eine dichte Finſternis verbreitete
ſich. Unſer Juͤngling, in einer Gegend, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0424" n="416"/>
herab &#x2014; die von außen wohl noch einmal &#x017F;o<lb/>
hoch als von innen war &#x2014; kaum hatt' er ein<lb/>
paar hundert Schritt' immer noch im vollen<lb/>
Gallop zuru&#x0364;ckgelegt; &#x017F;o ha&#x0364;tt' er gern wieder &#x2014;<lb/>
vor jenem Schra&#x0364;nkchen &#x017F;ich befunden. Die voll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te Reue wandelte nunmehr ihn an;<lb/>
er glaubte ein &#x017F;icheres, und noch dazu leicht<lb/>
verzeihliches Mittel zu &#x017F;einem Fortkommen<lb/>
ver&#x017F;chma&#x0364;ht, glaubte die la&#x0364;cherlich&#x017F;te Gewi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
haftigkeit begangen zu haben. Schon war er<lb/>
nahe dran wieder umzukehren, die Mauer, wo<lb/>
mo&#x0364;glich, wieder hinan zu klimmen. Doch ih-<lb/>
re Ho&#x0364;he &#x017F;chreckt' ihn ab. Die Hunde im Dor-<lb/>
fe bellten. Weitere Flucht &#x017F;chien ihm unum-<lb/>
ga&#x0364;nglich; er legte binnen einer Stunde fa&#x017F;t<lb/>
eine Meile zuru&#x0364;ck. Ein neuer Um&#x017F;tand er-<lb/>
&#x017F;chwerte dann &#x017F;ein Fortkommen. Die Nacht<lb/>
war bisher hell und wolkenleer gewe&#x017F;en. Jezt,<lb/>
da der Morgen noch fern war, ging der Mond<lb/>
unter; Gewo&#x0364;lke verdeckten den Schimmer der<lb/>
Sterne. Eine dichte Fin&#x017F;ternis verbreitete<lb/>
&#x017F;ich. Un&#x017F;er Ju&#x0364;ngling, in einer Gegend, die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0424] herab — die von außen wohl noch einmal ſo hoch als von innen war — kaum hatt' er ein paar hundert Schritt' immer noch im vollen Gallop zuruͤckgelegt; ſo haͤtt' er gern wieder — vor jenem Schraͤnkchen ſich befunden. Die voll- ſtaͤndigſte Reue wandelte nunmehr ihn an; er glaubte ein ſicheres, und noch dazu leicht verzeihliches Mittel zu ſeinem Fortkommen verſchmaͤht, glaubte die laͤcherlichſte Gewiſſen- haftigkeit begangen zu haben. Schon war er nahe dran wieder umzukehren, die Mauer, wo moͤglich, wieder hinan zu klimmen. Doch ih- re Hoͤhe ſchreckt' ihn ab. Die Hunde im Dor- fe bellten. Weitere Flucht ſchien ihm unum- gaͤnglich; er legte binnen einer Stunde faſt eine Meile zuruͤck. Ein neuer Umſtand er- ſchwerte dann ſein Fortkommen. Die Nacht war bisher hell und wolkenleer geweſen. Jezt, da der Morgen noch fern war, ging der Mond unter; Gewoͤlke verdeckten den Schimmer der Sterne. Eine dichte Finſternis verbreitete ſich. Unſer Juͤngling, in einer Gegend, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/424
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/424>, abgerufen am 17.05.2024.