Ein Jrrländer, und zwar ein Mann von ansehnlichem Stande,*) hatte seinen Freund im Zweikampf erlegt; und muste deshalb vor Gericht sich stellen. Er vertheidigte sich un- erschrocken, und alle Umstände waren so gün- stig für ihn, daß er am Ende des vorsäzlichen Mordes quitt gesprochen, und ihm nach Lan- des-Gebrauch ein Buch, um den Reinigungs- eid zu leisten, dargeboten wurde. Aber in- dem er darauf blickte, trat er erschrocken zu- rück, nahm es zwar; konte jedoch für Bestür- zung kein Wort herlesen. -- Man fragte ihn um die Ursach seiner Betretung; und er ant- wortete: "Er wundre sich allerdings, daß "man so mit ihm umgehe. Die Buchstaben
*) Derjenige, der Fieldingen diese Anekdote erzälte, versicherte: Sein eigner Grosva- ter sei Richter des Verklagten gewesen. Aber weil die Familie dieses Leztern zu den Ersten Familien im Königreiche gehörte, verschwieg er den Namen desselben.
XIII.
Ein Jrrlaͤnder, und zwar ein Mann von anſehnlichem Stande,*) hatte ſeinen Freund im Zweikampf erlegt; und muſte deshalb vor Gericht ſich ſtellen. Er vertheidigte ſich un- erſchrocken, und alle Umſtaͤnde waren ſo guͤn- ſtig fuͤr ihn, daß er am Ende des vorſaͤzlichen Mordes quitt geſprochen, und ihm nach Lan- des-Gebrauch ein Buch, um den Reinigungs- eid zu leiſten, dargeboten wurde. Aber in- dem er darauf blickte, trat er erſchrocken zu- ruͤck, nahm es zwar; konte jedoch fuͤr Beſtuͤr- zung kein Wort herleſen. — Man fragte ihn um die Urſach ſeiner Betretung; und er ant- wortete: „Er wundre ſich allerdings, daß „man ſo mit ihm umgehe. Die Buchſtaben
*) Derjenige, der Fieldingen dieſe Anekdote erzälte, verſicherte: Sein eigner Grosva- ter ſei Richter des Verklagten geweſen. Aber weil die Familie dieſes Leztern zu den Erſten Familien im Königreiche gehörte, verſchwieg er den Namen deſſelben.
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XIII.
Ein Jrrlaͤnder, und zwar ein Mann von
anſehnlichem Stande, *) hatte ſeinen Freund
im Zweikampf erlegt; und muſte deshalb vor
Gericht ſich ſtellen. Er vertheidigte ſich un-
erſchrocken, und alle Umſtaͤnde waren ſo guͤn-
ſtig fuͤr ihn, daß er am Ende des vorſaͤzlichen
Mordes quitt geſprochen, und ihm nach Lan-
des-Gebrauch ein Buch, um den Reinigungs-
eid zu leiſten, dargeboten wurde. Aber in-
dem er darauf blickte, trat er erſchrocken zu-
ruͤck, nahm es zwar; konte jedoch fuͤr Beſtuͤr-
zung kein Wort herleſen. — Man fragte ihn
um die Urſach ſeiner Betretung; und er ant-
wortete: „Er wundre ſich allerdings, daß
„man ſo mit ihm umgehe. Die Buchſtaben
*) Derjenige, der Fieldingen dieſe Anekdote
erzälte, verſicherte: Sein eigner Grosva-
ter ſei Richter des Verklagten geweſen. Aber
weil die Familie dieſes Leztern zu den Erſten
Familien im Königreiche gehörte, verſchwieg
er den Namen deſſelben.
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/412>, abgerufen am 24.11.2024.
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