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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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VIII.

Lauriette R**, ein junges, schönes Mädchen
zu Avignon, konnte, insofern sie reizend, wohl-
erzogen und die Erbin eines ansehnlichen Ver-
mögens war, Anspruch auf eine der vortheil-
haftesten Heirathen in der Provinz machen.
Aber ihr Herz war verdorben; ihre Sitten
waren zügellos; ohne Wahl und Maas ver-
schwendete sie ihre Gunstbezeugungen. Unter
ihren Liebhabern zeichnete sich vorzüglich ein
gewisser Graf von Poligni aus, ein junger
Mann, der allerdings viel Liebenswürdigkeit
besaß. Eines Abends, als er von ihr ging,
ward er meuchlings ermordet. Der größte
Verdacht dieser That fiel auf einen gewissen
Herrn von Belville, der früher Lauriettens
begünstigter Anbeter gewesen, und vom Po-
ligni verdrängt worden war.

Hinlängliche Beweise, Belvillen öffentlich
anzuklagen, fehlten; doch Lauriette im Herzen

VIII.

Lauriette R**, ein junges, ſchoͤnes Maͤdchen
zu Avignon, konnte, inſofern ſie reizend, wohl-
erzogen und die Erbin eines anſehnlichen Ver-
moͤgens war, Anſpruch auf eine der vortheil-
hafteſten Heirathen in der Provinz machen.
Aber ihr Herz war verdorben; ihre Sitten
waren zuͤgellos; ohne Wahl und Maas ver-
ſchwendete ſie ihre Gunſtbezeugungen. Unter
ihren Liebhabern zeichnete ſich vorzuͤglich ein
gewiſſer Graf von Poligni aus, ein junger
Mann, der allerdings viel Liebenswuͤrdigkeit
beſaß. Eines Abends, als er von ihr ging,
ward er meuchlings ermordet. Der groͤßte
Verdacht dieſer That fiel auf einen gewiſſen
Herrn von Belville, der fruͤher Lauriettens
beguͤnſtigter Anbeter geweſen, und vom Po-
ligni verdraͤngt worden war.

Hinlaͤngliche Beweiſe, Belvillen oͤffentlich
anzuklagen, fehlten; doch Lauriette im Herzen

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[381/0389] VIII. Lauriette R**, ein junges, ſchoͤnes Maͤdchen zu Avignon, konnte, inſofern ſie reizend, wohl- erzogen und die Erbin eines anſehnlichen Ver- moͤgens war, Anſpruch auf eine der vortheil- hafteſten Heirathen in der Provinz machen. Aber ihr Herz war verdorben; ihre Sitten waren zuͤgellos; ohne Wahl und Maas ver- ſchwendete ſie ihre Gunſtbezeugungen. Unter ihren Liebhabern zeichnete ſich vorzuͤglich ein gewiſſer Graf von Poligni aus, ein junger Mann, der allerdings viel Liebenswuͤrdigkeit beſaß. Eines Abends, als er von ihr ging, ward er meuchlings ermordet. Der groͤßte Verdacht dieſer That fiel auf einen gewiſſen Herrn von Belville, der fruͤher Lauriettens beguͤnſtigter Anbeter geweſen, und vom Po- ligni verdraͤngt worden war. Hinlaͤngliche Beweiſe, Belvillen oͤffentlich anzuklagen, fehlten; doch Lauriette im Herzen

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/389>, abgerufen am 24.11.2024.