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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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Jn einem Flecken, ohnweit Sens in Bour-
gogne, lebten zwei Brüder, Vimorie und Har-
court mit Namen. Beide waren verheirathet,
doch mit Frauen von sehr verschiednem Wer-
the. Messarine, Vimoriens Gattin, besaß der
körperlichen Reize nur wenig, des baaren Ver-
mögens desto mehr; Harcourts Gemahlin hin-
gegen hatte kein andres Heirathsgut, als eine
blendende Schönheit. -- Leider werden die
Männer dieser leztern in der Ehe gar bald ge-
wohnt, wo nicht überdrüßig. Auch Harcourt
bedauerte binnen kurzem, daß er nicht auch so
wie sein Bruder gewählt habe; ja er haßte so-
gar denselben dieses Vorzugs halber und such-
te ihn um sein Vermögen und seine Frau, --
doch so, daß er sich desfalls nicht mit der Ge-
rechtigkeit überwürfe! -- zu bringen.

Nur alzubald gelang es ihm. Häslich von
Seele, doch desto angenehmer in seinem Aeus-
serlichen, vermocht er durch männlichen Reiz
und durch die Kunst der Verführung das Herz
seiner Schwägerin leicht zu rühren, vermochte

Jn einem Flecken, ohnweit Sens in Bour-
gogne, lebten zwei Bruͤder, Vimorie und Har-
court mit Namen. Beide waren verheirathet,
doch mit Frauen von ſehr verſchiednem Wer-
the. Meſſarine, Vimoriens Gattin, beſaß der
koͤrperlichen Reize nur wenig, des baaren Ver-
moͤgens deſto mehr; Harcourts Gemahlin hin-
gegen hatte kein andres Heirathsgut, als eine
blendende Schoͤnheit. — Leider werden die
Maͤnner dieſer leztern in der Ehe gar bald ge-
wohnt, wo nicht uͤberdruͤßig. Auch Harcourt
bedauerte binnen kurzem, daß er nicht auch ſo
wie ſein Bruder gewaͤhlt habe; ja er haßte ſo-
gar denſelben dieſes Vorzugs halber und ſuch-
te ihn um ſein Vermoͤgen und ſeine Frau, —
doch ſo, daß er ſich desfalls nicht mit der Ge-
rechtigkeit uͤberwuͤrfe! — zu bringen.

Nur alzubald gelang es ihm. Haͤslich von
Seele, doch deſto angenehmer in ſeinem Aeuſ-
ſerlichen, vermocht er durch maͤnnlichen Reiz
und durch die Kunſt der Verfuͤhrung das Herz
ſeiner Schwaͤgerin leicht zu ruͤhren, vermochte

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[366/0374] Jn einem Flecken, ohnweit Sens in Bour- gogne, lebten zwei Bruͤder, Vimorie und Har- court mit Namen. Beide waren verheirathet, doch mit Frauen von ſehr verſchiednem Wer- the. Meſſarine, Vimoriens Gattin, beſaß der koͤrperlichen Reize nur wenig, des baaren Ver- moͤgens deſto mehr; Harcourts Gemahlin hin- gegen hatte kein andres Heirathsgut, als eine blendende Schoͤnheit. — Leider werden die Maͤnner dieſer leztern in der Ehe gar bald ge- wohnt, wo nicht uͤberdruͤßig. Auch Harcourt bedauerte binnen kurzem, daß er nicht auch ſo wie ſein Bruder gewaͤhlt habe; ja er haßte ſo- gar denſelben dieſes Vorzugs halber und ſuch- te ihn um ſein Vermoͤgen und ſeine Frau, — doch ſo, daß er ſich desfalls nicht mit der Ge- rechtigkeit uͤberwuͤrfe! — zu bringen. Nur alzubald gelang es ihm. Haͤslich von Seele, doch deſto angenehmer in ſeinem Aeuſ- ſerlichen, vermocht er durch maͤnnlichen Reiz und durch die Kunſt der Verfuͤhrung das Herz ſeiner Schwaͤgerin leicht zu ruͤhren, vermochte

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/374>, abgerufen am 17.05.2024.